Von Andreas Novak
Wird Sachsen zum Überwachungsstaat, oder ist die mittlerweile fast vier Jahre alte Verschärfung des Polizeigesetzes notwendig, um der Kriminalität im Freistaat wirksam begegnen zu können? Gestern hörte der Sächsische Verfassungsgerichtshof dazu die Vertreter von PDS-Landtagsfraktion und Staatsregierung. Die Sozialisten wollen einzelne Regelungen des Gesetzes vom höchsten Gericht im Freistaat als verfassungswidrig kippen lassen.
Die PDS wendet sich vor allem gegen die so genannte Schleierfahndung. In einem Streifen von 30 Kilometern um die EU-Außengrenzen kann die Polizei ohne jeglichen Verdacht Personen überprüfen – für die Genossen ein unzulässiger Grundrechtseingriff. Man könne nicht mehr in Ruhe entlang der Grenze wandern, ohne mit einer Kontrolle rechnen zu müssen, schilderte der Anwalt der PDS, Professor Hans Lisken. Problematisch sei dies besonders, da keine Pflicht bestehe, einen Ausweis bei sich zu tragen. Kurzum, so der Polizeirechtler: „Der Staat hat den Bürger vor allem in Ruhe zu lassen.“
Die Staatsregierung sieht die Polizeimethode jedoch als bewährt an. Erst im vorigen Monat hatte Innenminister Horst Rasch (CDU) einen 14-prozentigen Rückgang der Kriminalität an den Grenzen vor allem auch auf die Schleierfahndung zurückgeführt. Rund 20 000 verdachtsunabhängige Kontrollen von insgesamt 120 000 Personen und 85 000 Fahrzeugen zwischen Mitte 2001 und Mitte 2002 hätten etwa 1 100 Ermittlungsverfahren nach sich gezogen.
Zudem wendet sich die PDS dagegen, dass der Innenminister so genannte Kontrollbereiche für die Schleierfahndung festlegen kann. Auch die Erteilung von Aufenthaltsverboten zur Verhinderung von Straftaten und die Möglichkeit, unschuldige Personen nicht über den vorherigen Einsatz verdeckter Ermittler gegen sie zu informieren, wird angegriffen. Zuletzt erweiterte die PDS ihre Klage auf die Bereiche der Videoüberwachung öffentlicher Plätze sowie die Festnahme selbstmordgefährdeter Personen.
Das Gericht wandte sich mit kritischen Fragen vor allem an den Vertreter der Staatsregierung, Professor Dirk Heckmann, der oftmals wortreich um eine einsichtige Haltung der Richter bat. „Möglicherweise ist es kein perfektes Gesetz, womöglich nicht einmal ein gutes“, sagte Heckmann. Die Frage sei aber allein, ob es sich mit der Verfassung vereinbaren lässt. Diese Entscheidung könnte am 10. Juli fallen.