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Worte sind hier überflüssig

Linda Püschel will Führungen für Gehörlose auf Burg Mildenstein organisieren. Sie macht dort ein freiwilliges kulturelles Jahr.

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Von Nina Krüger

Linda Püschel sitzt in ihrem Büro auf Burg Mildenstein und hält ein Bild in der Hand. Eine Art Mittelalter-Comic, das einen kleinen Jungen zeigt, der die Schleppe einer vornehmen Frau trägt. „Damit will ich zeigen, wie man früher zum Ritter ausgebildet wurde“, sagt die 19-Jährige. Die Abbildungen hat sie aus einem Kinderbuch – obwohl ihre Zielgruppe durchaus auch älter sein darf. „Ich konzipiere gerade Führungen für Gehörlose und Schwerhörige“, sagt sie. Linda Püschel macht seit zweieinhalb Monaten ein freiwilliges kulturelles Jahr auf Burg Mildenstein.

Eigentlich kommt sie aus der Nähe von Chemnitz. „Erst wollte ich das nur zur Überbrückung machen, jetzt habe ich gemerkt, dass ich Gebärdendolmetscherin werden will“, sagt sie. Das kann sie zum Beispiel in Zwickau oder Magdeburg studieren. „Erst mal muss ich aber einen Eignungstest bestehen“, sagt sie. So schwer dürfte das nicht sein.

Geheimsprache entwickelt

Denn Linda Püschel ist zweisprachig aufgewachsen: „Meine Stiefschwester Laura ist so gut wie taub“, sagt die 19-Jährige. „Sie hat mir innerhalb eines Tages das Fingeralphabet beigebracht.“ Mit den Jahren entwickelten die Schwestern sogar eine nonverbale Geheimsprache. „Das hat unsere Eltern am Esstisch immer wahnsinnig gemacht“, sagt Linda Püschel und lacht. Sie versteht ihre Schwester – auch wenn Laura versucht zu sprechen. „Für mich hört sich das gar nicht mehr undeutlich an.“

Trotzdem kann Linda Püschel nachvollziehen, dass viele gesunde Menschen Berührungsängste haben: „Klar schreckt man erstmal zurück, weil man unbeholfen ist.“ Vielen Gehörlosen geht es nicht anders. „Die meisten Freunde meiner Schwester sind auch taub oder schwerhörig – nur bei der Arbeit ist sie gezwungen, sich mit Hörenden abzugeben“, sagt Linda Püschel.

Ihre Führung soll zwischen der hörenden und der stillen Welt vermitteln. Das Grundgerüst steht – jetzt sucht Linda Püschel „Versuchskaninchen“ für einen Probedurchlauf. „Eigentlich wollte ich das schon am Samstag machen, aber leider hat mir noch keiner zugesagt“, sagt sie. Die Gehörlosen-Gemeinde Leisnig habe schon einen anderen Termin. „Organisationen aus Leipzig und Dresden haben bis jetzt nicht auf mein Angebot reagiert.“

Auch Laura ist sich noch nicht sicher, ob sie kommen kann. „Sie arbeitet in einem Hotel in Oberwiesenthal, da bekommt sie wahrscheinlich nicht frei“, sagt Linda Püschel.

Anfassen und Angucken

Schade, denn ihr Konzept überzeugt: „Alles ist nicht ganz so theoretisch“, sagt sie. Neben der Bilderreise ins Ritterleben will sie einen Turm der Burg aus Ton nachbauen. „Zum Anfassen und Angucken“, sagt Linda Püschel. „Ich erzähle Geschichten und setze nicht so viel voraus.“ Wie bei „normalen“ Führungen, will sie ihren Besuchern auch das Gefängnis, den Rittersaal, die Kapelle und die Amtsstube der Burg zeigen.

Linda Püschel ist unter der Telefonnummer 03 43 21/ 62 56 23 oder per Fax unter 03 43 21/ 62 56 25 zu erreichen.