Von Ines Klein
Es ist keine 24 Stunden her, da hat Elfriede Herschel drei gelbe Knollenblätterpilze aus dem Korb eines Pilzsammlers fischt. Der gelbe ist zwar nicht so giftig wie der grüne Knollenblätterpilz, aber trotzdem sehr gefährlich.
Elfriede Herschel ist 93 Jahre alt und lebt in Pulsnitz. Seit 63 Jahren berät sie die Pilzsammler. So viel wie in den vergangenen Tagen hatte die fachkundige Dame selten zu tun. Es ist Pilzzeit und in den letzten, nassen Tagen schossen die Pilze sprichwörtlich aus dem Boden. Die Rödertaler entdeckten ihre Sammelleidenschaft. Die blieb nicht immer folgenlos. Besonders oft wird der Perlpilz (Amanita rubescens) mit dem giftigen Pantherpilz (Amanita pantherina), erklärt Dr. Michael Deters, stellvertretender Leiter des Giftinformationszentrums für die Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern. Insgesamt wurden dort im August 69 Notrufe registriert. 44 Anfragen kamen aus Sachsen, dass ist fast doppelt so viel wie im Vorjahreszeitraum. „In Sachsen ist das Pilzesammeln besonders beliebt“, erklärt Michael Deters. Dass die Sammler dabei in diesem Jahr oft daneben greifen, liegt aber auch daran, dass plötzlich neue Pilzsorten in der Region auftauchen.
Neue Pilze im Rödertal
So wurde der einen Sandboden liebende, giftige Pantherpilz unlängst auch am Schlossteich von Pulsnitz gefunden. Auch der essbare Kornblumenröhrling landete vor wenigen Tagen auf dem Küchentisch der Pulsnitzer Pilzberaterin. Er läuft an den Schnittstellen kornblumenblau an, gilt aber trotz seines schwachen Geschmacks als hervorragender Speisepilz. Manche Pilzsammler sind aber auch zu vorsichtig. Immer wieder enttarnt Elfriede Herschel den Hexenröhrling, der erhitzt genießbar ist. Er wird gerne mit dem hochgiftigen Satanspilz verwechselt, der hier kaum vorkommt, in Thüringen aber oft gefunden wird.
Erst vor wenigen Tagen klingelte mitten in der Nacht das Telefon in Pulsnitz. Am anderen Ende der Leitung war das Klinikum in Dresden. Einem Mann ging es schlecht, der hatte zuvor Pilze gegessen. „Dann ist es gut, wenn von der Mahlzeit noch etwas da ist, um den Übeltäter zu identifizieren“, sagt Elfriede Herschel. Die Symptome einer Pilzvergiftung können sehr unterschiedlich sein. Während der Pantherpilz schon nach 30 bis 45 Minuten Unwohlsein und Erbrechen auslöst, schmeckt der hochgiftige Knollenblätterpilz zunächst sehr gut. Es dauert bis zu 24 Stunden, bis Übelkeit und Durchfall einsetzen. Dann sind Leber und Nieren aber oft schon irreversibel geschädigt. „Nicht selten sind Transplantationen die Folge“, sagt Dr. Deters. Er und seine Kollegen aber auch die Pilzberater werden oft nachts gerufen. Der Grund ist einfach. Die Pilze werden am Tag gesucht, geputzt und abends erst verspeist. Dann dauert es einige Zeit, bis die Symptome auftreten. Meist kommt es erst in der Nacht zu Beschwerden. Gerade beim Pantherpilz kann anfangs ein Gefühl der Trunkenheit oder des Schwebens auftreten.
Schnelle Hilfe organisieren
In schweren Fällen kommt es zu Wahrnehmungsstörungen, Verwirrtheit mit Halluzinationen, Muskelzuckungen und Krampfanfällen. In jedem Fall ist Eile geboten. Damit es gar nicht soweit kommt, hat Dr. Deters einige Tipps. Er rät den Sammlern, nur Pilze in den Korb zu packen, die man genau identifizieren kann. Wer unsicher ist, sollte einen Pilzberater aufsuchen und zwar bevor er die Pilze putzt und weiterverarbeitet. Auch essbare Pilze sind schwer verdaulich. Erwachsene sollten deshalb nie mehr als 200 Gramm als Mahlzeit zu sich nehmen. Alkohol zum Essen erschwert das Verdauen der Pilze. Sie können auch für Kleinkinder gefährlich werden. Auf den Wiesen wachsen jetzt vermehrt kleine Düngerlinge. Elfriede Herschel hat schon in Kindergärten in der Region angerufen und zur Kontrolle der Spielplätze geraten.
Pilzberater in der Region: Berndt Göhler in Radeberg, Tel. 03528/45 28 85; Elfriede Herschel aus Pulsnitz, Tel. 035955/ 406 23 und Dr. Siegfried Holstein aus Königsbrück, Tel. 035795/ 421 69.