Von Reiner Hanke
Kamenz. In Kamenz wohnt es sich angenehm. Das findet auch Martha K.*. Sie verbringt ihren Lebensabend in einem Seniorenzentrum. Und sie verfolgt die aktuellen Debatten über Mietpreise. Die haben sie jetzt ins Grübeln gebracht. Da ist über Mietspiegel zu lesen, die es in manchen Städten gibt, in anderen nicht. Aufhorchen ließ sie eine Richtlinie für Unterkunftskosten des Kreises, auch für den Raum Kamenz. Die war jetzt nachzulesen und der Verdacht keimte: „Vielleicht zahle ich ja zuviel?“ 6,50 Euro Kaltmiete sind es derzeit pro Quadratmeter, gut 70 Cent mehr als in dem Kreispapier. Den speziellen Service fürs betreute Wohnen nehme sie nicht in Anspruch, stellt sie klar. Das würde extra kosten. Sie habe auch alle Möbel selbst mitgebracht. Die Richtlinie, erklärt Gernot Schweitzer, Sprecher im Landratsamt, sei aber nicht mit einem Mietspiegel zu verwechseln und könne nicht zum Vergleich herangezogen werden. In der Übersicht gehe es ausschließlich um Leistungen für Empfänger der Grundsicherung. Es gehe um Höchstbeträge, die das Jobcenter bei der Miete von Hartz-IV-Empfgängern übernehme. Immerhin könnte es ja eine Richtlinie sein, so die Kamenzerin. Wohne ich vielleicht doch zu teuer? fragt sich die Seniorin hartnäckig. Und überhaupt: Warum gibt es in Kamenz keinen Mietspiegel wie in Radeberg, den sie dem Vermieter unter die Nase halten könnte.
Lage und Ausstattung sind wichtig
Fragen wir mal beim Mieterverein nach, was hier los ist. Dort berät Rechtsanwalt Maik Weise in Kamenz Bürger im Mietrecht. Er schätzt ein: „Nach meiner Erfahrung liegen die Mietpreise in Kamenz zwischen 4,50 und 6,50 Euro kalt.“ Die Betriebskosten kommen also hinzu. Auch weiß der Fachmann, dass in Kamenz durchaus noch höhere Mieten gezahlt werden. „Die Höhe ist abhängig von der Lage der Wohnung, der Größe und Ausstattung sowie des Baujahres“, sagt er. So bleibe festzuhalten, dass die Miete völlig im Rahmen liege. Zumal Wohnungen im betreuten Wohnen zumeist aufwendiger gebaut und hochwertiger ausgestattet seien. Allein die behindertengerechte Ausstattung habe ihren Preis. „Man kann also bei dieser Miete durchaus von einer ,normalen‘ Miete sprechen.“ Betrachte man aus Vermietersicht die heutigen Baukosten, müsse man immer öfter feststellen, dass eine rentable Miete bei Neubauten oft bei über 7 Euro liege. Dass Kamenz ein attraktiver Wohn- und Lebensstandort ist, schätzt auch Stadtsprecher Thomas Käppler ein: „Wir sind dabei, immer mehr von der Lage der Stadt im Ballungsraum Dresden zu partizipieren.“ Das könnte Wohnraum natürlich auch verteuern. Gerade im betreuten Wohnen sei die Nachfrage größer, als das Angebot, räumt Käppler ein. Beim Thema Miethöhe stelle sich überdies die Qualitätsfrage, also die nach der Ausstattung.
Mietspiegel nicht geplant
Ein Vergleich der Mietpreise sei ohne einen qualifizierten Mietspiegel nicht möglich. Einen solchen zu erarbeiten sei aber für Kamenz nicht vorgesehen, so Käppler. Denn das sei ein sehr komplexes Unterfangen. Dabei geht es u. a. um die Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit, Lage und das Alter des Gebäudes. Eine umfangreiche Analyse, um vergleichbare Preise zu erhalten. Mieterfachmann Maik Weise erklärt weiter. So ein Mietspiegel werde meist gemeinsam von Vermietern und Kommune erarbeitet. In der Stadtverwaltung habe es noch keine Bestrebungen dazu gegeben. Weise räumt allerdings auch ein, dass so ein Mietspiegel nur in größeren Städten mit hohem Wohnraumbedarf Sinn habe. Wenn es in Kamenz um ortsübliche Preise gehe, könne aber auch gut der Radeberger Mietspiegel herangezogen werden. Beide Städte seien vergleichbar. In Radeberg liegt bei knapp 7 Euro/m² die Obergrenze.
Und so kommt auch der Stadtsprecher zu dem Ergebnis: „Berücksichtigt man die Ausstattung des Gebäudes, z. B. einen Aufzug oder Gemeinschaftsräume, ist der Mietpreis von 6,50 Euro/m² Wohnfläche angemessen.“ Zumal eine Seniorenwohnanlage schon eine spezielle Wohnform sei. Er habe auch mit dem kommunalen Kamenzer Wohnungsunternehmen Rücksprache genommen, so Käppler. So werde dort bei speziellen Immobilien auch ein solcher Mietpreis und darüber erzielt: „Unsere städtische Gesellschaft hat aufgrund der Vielzahl an Privatmandanten, für die sie die Immobilien verwaltet, einen sehr detaillierten Preis-Überblick“, schätzt Thomas Käppler ein. Auf dem freien Markt seien in Gebäuden mit Aufzug Kaltmieten von 6,50 Euro/m² Wohnfläche ortsüblich.
Martha K. muss sich wohl keine Sorgen machen. Ihre Miete liegt im grünen Bereich. *Der Name der Leserin wurde geändert
.