Von Steffen Gerhardt
Herrnhut. Das Herrnhuter Gymnasium ist jetzt zehn Jahre und so alt wie die jüngsten Schüler, die dort lernen. „Für eine Schule ist das noch kein Alter“, sagt Verwaltungsleiterin Katrin Filschke. Dennoch geben die zehn Jahre Evangelisches Zinzendorf-Gymnasium Anlass zur Freude und zum Feiern. Nicht nur, dass diese Einrichtung fester Bestandteil in der Schullandschaft der Oberlausitz geworden ist, sondern, dass „wir es dieses Jahr geschafft haben, alle Klassenstufen zweizügig zu führen“, so Katrin Filschke. Was Ende August vor zehn Jahren mit einer fünften Klasse von 15 Mädchen und Jungen in einem Raum der Kreismusikschule begann, hat sich zu einer anerkannten freien Schule in Trägerschaft der Herrnhuter Brüderunität entwickelt.
Anerkannt zu sein, ist für Katrin Filschke ein wichtiges Kriterium: „Damit können wir die Abiturprüfungen selbst ablegen und die Schüler müssen nicht woanders zur Prüfung erscheinen.“ Das war ein wichtiges Etappenziel, dass sich die Schule selbst setzte und ihr mit dem Schuljahr 2008/09 einen dreifachen Schülerzuwachs bescherte. Denn aus den 60 eigenen Gymnasiasten waren auf einmal rund 200 Schüler geworden. Zum einen durch Neuanmeldungen, zum anderen, dass das kreisliche Gymnasium „Maria Sibylla Merian“ seinen Schulbetrieb in Herrnhut einstellen musste. Katrin Filschke ist heute noch froh darüber, dass „90 Prozent der Gymnasiasten sich für die Fortführung ihrer Schulbildung im evangelischen Gymnasium entschieden haben“. Das teilte sich zu dieser Zeit das Schulhaus mit dem staatlichen Gymnasium. Somit machten die Gymnasiasten aus der freien Schule in dem Jahr die Hälfte aller Schüler aus.
16 Klassen mit 350 Schülern
Heute werden in Herrnhut in 16 Klassen rund 350 Schüler unterrichtet. Dafür stehen rund 50 Pädagogen und Mitarbeiter zur Verfügung. Für die Pädagogische Schulleiterin Undine Bensch ist es wichtig festzustellen, dass mit der Zahl der Schüler auch das pädagogische Personal gewachsen ist. „Große Engpässe hatten wir all die Jahre nicht. Bis auf kleine, krankheitsbedingte Ausnahmen konnten wir den Unterricht immer absichern“, erklärt sie. Inzwischen ist das Lehrerkontingent ausgeschöpft. „Für dieses Jahr haben wir erstmals keine Neueinstellung vorgenommen, obwohl es Anfragen und Bewerbungen von Lehrern gab“, erklärt die Pädagogin.
In den zehn Jahren konnte Undine Bensch 142 jungen Leuten zum Abitur gratulieren. Der Weg dorthin war für manchen Gymnasiasten nicht immer einfach. „Ein Schüler kam mit einer Lese- und Rechtschreibschwäche zu uns. Er meisterte sein Abitur und jetzt studiert er“, nennt Undine Bensch ein Erfolgserlebnis für die Schule. Ein anderes ist die Geschichte von dem Mädchen, das sich nicht zutraute, das Abitur zu bestehen. Und dann hat sie es doch geschafft, mit einer guten Drei als Note. „Die Klasse hat sie voll unterstützt und stand hinter ihr“, ergänzt die Schulleiterin. Das ist es, was Lehrer und Gymnasiasten anstreben: ein vertrauensvolles Miteinander. Oder wie es Undine Bensch sagt: „Den Einzelnen im System wahrnehmen.“
Da es ein evangelisches Gymnasium ist, gehört der Religionsunterricht für zwei Stunden die Woche fest zum Lehrplan. Das Fach Ethik sucht man dagegen vergebens. Und noch eine Besonderheit hat diese Schule, sagt Katrin Filschke: „unser Schulpfarramt“. Dieses wird von Pastoren, Diakonen oder Sozialarbeitern betreut, die dafür stundenweise in das Gymnasium kommen. „Wir haben feste Gesprächszeiten und sehen das Schulpfarramt als Möglichkeit, damit die Schüler ihre Konflikte besser bewältigen können.“ Unter den Schülern herrscht eine große Bereitschaft, sich dem Schulpfarramt anzuvertrauen. Denn rund 60 Prozent der Mädchen und Jungen stammen aus einem christlichen Elternhaus. „Wobei wir feststellen, dass der Anteil Nichtchristen ansteigt“, ergänzt die Verwaltungschefin. Dennoch bleibt das Vermitteln christlicher Werte auch künftig das Anliegen der Einrichtung.
Und wo sieht sich das Gymnasium in zehn Jahren? Katrin Filschke muss nicht lange überlegen: „In einem neuen Schulhaus“, sagt sie. Denn der DDR-Plattenbau hat seine besten Tage hinter sich. Aber jetzt wird nebenan erst mal die Comeniusschule fertig gebaut. „Eine Schule, mit der wir seit Beginn zusammenarbeiten und gemeinsam diakonische Projekte durchführen. Jetzt rückt sie auch räumlich näher an uns“, sagt Schulleiterin Bensch. Zumal das Gymnasium Integrationsklassen hat.
Zehn Jahre Gymnasium ist das eine Jubiläum dieser Woche. Das andere 25 Jahre Wiedervereinigung. Aus diesem Anlass haben die Herrnhuter den „Tag der Evangelischen Schulen der Oberlausitz“ ins Leben gerufen. Zusammen mit Schülern der Evangelisch-diakonischen Grundschule Löbau und der Evangelischen Mittelschule Hochkirch haben sie gestern diesen Tag mit Schulgottesdienst, Aktivitäten in der Stadt und einer Singstunde begangen.