Von Matthias Weigel
Über 20 Zeitzeugen haben gestern mit Angehörigen gemeinsam der Bombardierung von Freital im Zweiten Weltkrieg vor 66 Jahren gedacht. Eingeladen hatte der erst voriges Jahr gegründete Ortsverein Birkigt. Neben Reden und Kranzniederlegungen am Gedenkstein auf der Blumenstraße gab es im Anschluss ein gemeinsames Kaffeetrinken in der „Linde“.
Am 24. August 1944 bombardierten kurz nach 12 Uhr mittags Alliierte den Stadtteil. Sieben Minuten reichten aus, um 241 Menschenleben an diesem heißen Sommertag auszulöschen. Die Opfer waren vor allem Einwohner des Ortes, aber auch Arbeiter in den Firmen Bühler Mühlenbau und Hänsel Verpackung. Das eigentliche Ziel, die weiter Richtung Potschappel gelegene Fabrik für Flugzeugöl (Rhenania-Ossag) blieb unversehrt.
Mit dem erstmals in der Nachkriegsgeschichte organisierten Treffen will der Verein aber nicht nur für ein Wiedersehen der Betroffenen und Zeitzeugen nach teilweise langer Zeit sorgen, sondern auch dieses einschneidende Ereignis für den Freitaler Ortsteil historisch aufarbeiten. „Viele, die das hautnah miterlebt haben, sind bereits in hohem Alter“, sagt Holger Stein vom Verein. Solange es noch möglich ist, will man Aussagen, Erlebnisse, Daten und Fakten der Zeitzeugen konservieren.
Fakten fürs Heimatmuseum
Der Verein plant, das ehemalige Spritzenhaus im Ortsteil zu sanieren und ein Museum zur Heimatgeschichte einzurichten. „Die Einladung ist quasi auch unserem Wissensdurst und zur Vervollständigung der bisher recherchierten Fakten geschuldet“, sagt Stein.
Vereins-Mitstreiterin Kathrin Schulze ist bei den Nachforschungen bereits an umfangreiches Material gekommen. Sie steht mit dem Verwalter einer Veteranen-Homepage in Kontakt. Viele der 40 eingeladenen Zeitzeugen haben sie außerdem mit Material versorgt, sodass sich mittlerweile ein dichtes Bild des schrecklichen Angriffs und seinen Folgen zeichnet.
Auch wenn nicht alle kommen konnten – die Dagewesenen nutzten die Möglichkeit zum Gedankenaustausch und zum Erinnern rege. Am weitesten angereist war eine Frau aus dem Siegerland. Dabei war auch Gert Hommel, der den Angriff als kleines Kind überlebte. Er hoffte, hier zwei Männer wiederzutreffen, die ihn damals aus den Trümmern retteten. Sie waren allerdings nicht anwesend.
Johannes Moses aus Freital war auch dabei. Er erlebte den Angriff als Lehrling in der Gärtnerei Spittel an der Coschützer Straße. „Wir dachten, das sei wieder ein Fliegeralarm wie immer“, sagt er. Doch dann kamen die Bomber, alles wackelte und überall krachte es. Eine Bombe verfehlte die Gärtnerei nur knapp. „Aber von den Druckwellen waren die Gewächshäuser kaputt“, erinnert er sich. Schnell hätten aber Aufräumarbeiten begonnen.
Inge Schunk wohnte damals auf der Finkenmühlenstraße. Sie war 14 und im Pflichtjahr. Das rettet ihr vermutlich das Leben. „Als ich nach Hause kam, stand ich vor dem kaputten Haus“, sagt sie. Eltern und Geschwister waren glücklicherweise auch unverletzt, weil sie nicht da waren. Die Möbel konnte man retten. Die Nachbarn aber hat sie selbst mit geborgen. Tot, aus den Trümmern. „Diese Eindrücke lassen einen nie wieder los“, sagt sie. Noch heute ringe sie manchmal mit den Tränen, wenn das Thema auf den Krieg kommt.
Handschriftliche Erinnerung
Die Zeit nach dem 24. August war geprägt von Trümmern, Staub und dem Aufräumen. Frau Schunk wohnt noch heute in Birkigt.
Aus dem Heimatmuseum in Freital sind mittlerweile auch handschriftliche Zeitzeugenberichte wieder aufgetaucht, die etwa fünf Jahre nach dem Angriff verfasst worden sind. „Ein findiger Lehrer hat damals die Schüler seiner Klasse die Erlebnisse aufzeichnen lassen“, weiß Stein. Er fand darunter den Bericht seiner eigenen Mutter, die damals um die 14 Jahre alt war. „Das waren Kinder, die zum Teil Eltern, Verwandte und ihr Zuhause verloren hatten und die Trümmer beseitigt und Tote mit geborgen haben“, sagt Stein.