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Ziegelloses Oppitzsch

Sie haben gehofft und gebangt. Ihre Chancen standen gar nicht mal so schlecht. Es gab lange Zeit hoffnungsvolle Signale von oben. Dann kamen die schlimmen Gerüchte. Gestern erfuhren die 52 Mitarbeiter des Dachziegelwerkes in Oppitzsch bei Riesa: Es ist wahr.

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Von Peter Anderson und Ulf Mallek

Sie haben gehofft und gebangt. Ihre Chancen standen gar nicht mal so schlecht. Es gab lange Zeit hoffnungsvolle Signale von oben. Dann kamen die schlimmen Gerüchte. Gestern erfuhren die 52 Mitarbeiter des Dachziegelwerkes in Oppitzsch bei Riesa: Es ist wahr. Fast alles, was hinter vorgehaltener Hand gesagt wurde, ist wahr. Das durch das Hochwasser stark beschädigte Werk wird geschlossen. Die Flut forderte nach zwei aufgegebenen Autohäusern und zwei insolventen mittleren Betrieben in Röderau-Süd jetzt ihr fünftes größeres Wirtschaftsopfer im Landkreis Riesa-Großenhain.

Geschäftsführung fürchtet Flut-Wiederholung

Die Geschäftsführung im nordbayerischen Langenzenn begründete ihre gemeinsame Entscheidung mit den belgischen Gesellschaftern gestern so: „Durch die Lage der Fabrik in unmittelbarer Nähe zur Elbe kann allerdings eine Wiederholung einer solchen Katastrophe ohne umgehende Verbesserung des lokalen Hochwasserschutzes nicht ausgeschlossen werden.“ Deshalb wird die Produktion in Oppitzsch nicht mehr aufgenommen, sondern nach Langenzenn verlagert.

Geschäftsführer Günter Eberz: „Der Standort Riesa bleibt als Logistikzentrum für unsere Logistikregionen Mitte und Nord erhalten.“ Nähere Angaben, wie viele Mitarbeiter ihren Job behalten dürfen, wollte er nicht machen. Experten gehen davon aus, dass fünf Leute genügen, um das Logistikzentrum zu betreiben.

Eberz will vor allem den Riesaer Mitarbeitern neue Jobs in Langenzenn anbieten. Dort wird bis Mai nächsten Jahres eine neue Produktionslinie für die Riesaer Biberschwanzziegel aufgebaut. Zudem nimmt die Geschäftsführung Verhandlungen für einen Sozialplan auf. „Wir werden den Mitarbeitern ein faires Angebot machen“, sagte Eberz.

„Das klingt überhaupt nicht gut“, hatte die Sprecherin des Landratsamtes Kerstin Thöns die Lage kommentiert. Das Amt hatte schon mit einer Schließung gerechnet. Angeblich soll die Oppitzscher Ziegelei durch das Fördermittelnetz für Hochwasserschäden gefallen sein, war von der Wirtschaftsförderung zu hören. Zum einen gelte Wiekor Oppitzsch wegen seiner Zugehörigkeit zum belgischen Bauriesen Koramic nicht mehr als mittelständisches Unternehmen. Zum anderen habe es Probleme damit gegeben, dass der Mutterkonzern aus dem Ausland stamme. Die Geschäftsführung von Wiekor wollte das nicht kommentieren.

Das Arbeitsamt Riesa macht den Entlassenen wenig Hoffnung. Der Markt sei schwierig, sagte Sprecherin Heike Sacher. In der Ziegelei seien größtenteils Maschinenbediener, Staplerfahrer und Elektriker beschäftigt. Für diese Berufsgruppen gebe es kaum freie Stellen. Das bestätigte auch Frank Kunze, Sachsen-Chef der IG Bau-Agrar-Umwelt: „Bei Ziegeleien gibt es große Überkapazitäten auf dem Markt.“

Verantwortlich für Fördermittel zum Ausgleich der Oppitzscher Flutschäden wäre die Sächsische Aufbaubank (SAB). „Uns liegt kein Antrag für die Ziegelei vor“, sagte zu Beginn der Woche SAB-Sprecherin Beate Bartsch. Sie habe recherchiert, dass es bisher lediglich ein Treffen zwischen Wiekor-Vertretern und SAB-Mitarbeitern gab. Die Geschäftsführung der Wiekor Dachprodukte GmbH war damals offenbar unentschlossen, ob sie überhaupt einen Antrag bei der SAB stellen wolle.

Die Versicherung deckt nur den halben Schaden

Ohne staatliche Hilfe hätte Oppitzsch auch kaum überlebt. „Wenn uns von außen niemand hilft, wird es schwer“, war immer wieder von Mitarbeitern zu hören gewesen. Durch die Versicherung ist nur die Hälfte des Schadens von 11 Millionen Euro gedeckt. Bleiben immer noch 5,5 Millionen Euro ohne verbindliche Finanzierungsgrundlage.

Entstanden waren die Schäden an der Ziegelei, als Mitte August die Elbe das Gelände knapp vier Meter unter Wasser setzte. Die tiefe Lage in einer Lehmgrube wurde dem Werk zum Verhängnis. Sämtliche Maschinen und Anlagen gingen kaputt. Die gesamte Inneneinrichtung des Bürohauses musste entsorgt werden.

Schon vor der Flut hatte es immer wieder Gerüchte über eine Schließung des Werkes gegeben. Nur wenige Monate war in diesem Jahr produziert worden. Auf dem Hof stapelte sich eine ganze Jahresproduktion Dachziegel. Die Rezession der deutschen Bauindustrie seit Mitte der 90er Jahre macht den Oppitzschern stark zu schaffen.

Oppitzsch ist nicht das einzige Ziegelwerk mit Problemen in Sachsen. Vor gut zwei Jahren bangten die Beschäftigten in der Wiekor-Ziegelei in Langburkersdorf bei Sebnitz um ihre Jobs. Das Arbeitsamt hatte über die kalte Jahreszeit Winterruhe genehmigt. Zweifel blieben allerdings, ob es tatsächlich zu der angekündigten Produktionsaufnahme im Frühjahr kommen würde. Letztlich hatten die Langburkersdorfer Glück. Ihr Werk öffnete wieder seine Pforten.

Oppitzscher Ziegel beliebt für Denkmal-Gebäude

Sowohl Oppitzsch als auch Langburkersdorf gehören zusammen mit den beiden westdeutschen Standorten Langenzenn und Mühlacker zur Wiekor Dachprodukte GmbH. Während in Langenzenn und Mühlacker Pressdachziegel produziert und vertrieben werden, stellen die Langburkersdorfer als Sachsenpfannen bezeichnete Betondachsteine her. Aus Oppitzsch kommen so genannte Biberschwänze, wie sie gern für denkmalgeschützte Gebäude verwendet werden. Der Clou dabei: Damit es richtig alt aussieht, gibt es die Ziegel sogar angeflammt. Ebenfalls wichtig für die hohe Qualität der Oppitzscher Dachziegel: ihre Frostbeständigkeit, die eine Eigenschaft des Lehms aus der Elbaue sein soll.

Wiekor selbst wurde im Januar 1997 als Joint Venture der österreichischen Baufirma Wienerberger und der belgischen Koramic gegründet. Seit Anfang 2000 ist das Unternehmen ein hundertprozentiges Tochterunternehmen der Belgier. Eigenen Angaben zufolge zählt Koramic zu den größten Baustoffherstellern Europas.

Das Unternehmen betreibt mehr als 250 Werke in 28 Ländern und beschäftigt 18 000 Mitarbeiter. Der Umsatz betrug im vergangenen Jahr rund 1,4 Milliarden Euro. Das Ergebnis wies Verluste von 15 Millionen Euro im Gegensatz zu einem Gewinn von 55 Millionen im Jahr 2000 aus. Verantwortlich dafür war ein Verkaufseinbruch auf dem deutschen Markt.

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