Herr Rudolph, müssen wild lebende Tiere im Winter hungern?
Das kann man nicht so pauschal beantworten. Reh- und Rotwild etwa werden im Winter von Jägern bzw. Förstern mit Heu gefüttert. Auch bekommen die Tiere Eicheln, die Schulkinder gesammelt haben. Es sind aber auch Vogelfreunde, die sich engagieren. Insgesamt gibt es weniger Möglichkeiten für Tiere, in der Natur Futter zu finden. Nicht nur im Winter. Das Nahrungsangebot ist arg zurückgegangen.
Woran liegt das?
Da kann man einiges aufzählen. So sind heutzutage die meisten Gärten überpflegt. Da wird doch jedes Unkräutchen beseitigt. Problematisch sind außerdem die Laubsauger. Die gehören verboten, weil sie nicht nur Laub, sondern auch alles andere, das am Boden liegt, gleich mit entsorgen. So etwa auch viele Insekten. Damit fehlt es beispielsweise Amseln und Rotkehlchen an Nahrung. Darüber hinaus mangelt es an einheimischen Gehölzen. Viele Beerensträucher wurden weggeholzt oder ersetzt mit nicht einheimischen Arten. Etwa durch Ziersträucher.
Was ist denn so schlimm daran?
Einheimische Beerengehölze bieten seit jeher Unterschlupf, Brutplätze – und Nahrung. Nicht nur in Gärten. Ob zum Beispiel Holunder, Hagebutte, Hasel oder Berberitze: Viele dieser Gehölze verschwinden. Preiswerte, aber leider auch wenig nützliche Alternativen aus dem Baumarkt werden eher bevorzugt. So dient zwar eine Thuja-Hecke als guter Sichtschutz, aber als Futterquelle für Tiere eignet sie sich nicht. Da sind die einheimischen Gehölze besser. Von ihren Blüten profitieren Insekten, von den Beeren vor allem Vögel, Mäuse oder andere Kleinsäuger.
Was ist mit Wiesen und Feldern, bieten die nicht genug Nahrung?
Es gibt mittlerweile viel zu viele Monokulturen. Große Raps- oder Maisfelder etwa. Von letzteren profitieren vielleicht Wildschweine, die dort reichlich Futter und Deckung finden. Aber für Hase, Rebhuhn, Lerche oder Kiebitz gibt es dort nichts zu holen. Ich kann mich noch erinnern, dass wir früher als Kinder hier am Freitaler Schiedberg beim Skifahren Hasen und Rebhühner gesehen haben. Das waren teilweise noch richtig große Gruppen. Heute sind die weg. Die Verstädterung hat aber auch eine eigenartige Folge. So tauchen beispielsweise am Berliner Rand oder im Dresdner Norden immer wieder Wildschweine auf. Und direkt in Dresden wurden Hasen, Füchse und Rebhühner gesichtet. Sie finden Platz auf städtischen Brachflächen. Wildschweine finden Nahrung in Siedlungen, plündern Mülltonnen und Gärten.
Apropos Garten: Wie oft sind Sie in Ihrem Garten mit dem Rasenmäher unterwegs?
Mein Rasen muss nicht sieben Millimeter kurz sein. Ich mähe nur zweimal im Jahr – mit einer Sense.
Füttern Sie zur Winterzeit in Ihrem Garten auch Vögel?
Ja. Gerade hatte ich bei uns Meisen, Amseln und auch Zaunkönig oder Grünfink gezählt. Die Kälte macht Vögeln weniger aus als der Schnee. Gerade für Vögel wie Amseln oder Rotkehlchen gilt das, die ihre Nahrung vorwiegend am Boden finden. Diesen Weichfressern gebe ich dann einen Mix aus Haferflocken, Rosinen und gewürfelten Äpfeln. Etwas Speiseöl rühre ich auch noch dran. Körnerfresser bekommen dagegen schwarze Sonnenblumenkerne. Die gibt es bei Agrargenossenschaften. Diese Kerne kommen in eine Art Futterautomaten. Den gibt es für fünf Euro im Zooladen.
Und was ist mit Futterhäuschen aus Holz, taugen die nichts?
Problematisch ist nur, wenn die Häuschen offen sind. So dringt über Regen und Schnee Nässe ein. Das Futter wird nass und unbrauchbar. Meisenknödel, die es überall gibt, sind nicht schlecht. Aber einige Arten können nichts damit anfangen.
Was können Gartenbesitzer noch tun, damit Tiere Futter finden?
Ein Gärtner darf auch ruhig mal die Samenstängel stehen lassen nach dem Herbst. Da überwintern Ohrwürmer und Insekten, die dann wiederum als Futter für andere Tierarten dienen. Außerdem könnte man Insektenhotels oder ähnliches aufstellen. Das macht aber nur Sinn, wenn es in der Umgebung auch Nahrung für die Tiere gibt. Mehr Informationen dazu gibt es übrigens im Umweltzentrum Freital, in der August-Bebel-Straße 3.
Das Gespräch führte Stephan Klingbeil