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Zittau gibt’s auch in Amerika

An der Kreuzung zweier alter Staatsstraßen, rund 3,5 Fahrstunden von Chicago entfernt, liegt das kleine Dorf Zittau, das von Auswanderern aus dem heutigen Dreiländereck gegründet wurde. Im 19. Jahrhundert...

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Von Thomas Zenker

An der Kreuzung zweier alter Staatsstraßen, rund 3,5 Fahrstunden von Chicago entfernt, liegt das kleine Dorf Zittau, das von Auswanderern aus dem heutigen Dreiländereck gegründet wurde. Im 19. Jahrhundert verließen viele Menschen die hiesige Region, um auf der anderen Seite des Atlantiks ihr Glück zu finden.

Gerade im Bundesstaat Wisconsin, südwestlich der fünf großen Seen (Great Lakes) zwischen Kanada und den Vereinigten Staaten von Amerika, haben zahlreiche deutsche, polnische und böhmische Auswanderer ihre neue Heimat gefunden. Davon zeugen heute noch Namen wie Jäger, Posselt, Liedtke, Raatz oder Butschke.

Vertraute Namen im Umkreis

Der Ort Zittau geht vor allem auf eine Familie namens Metzig aus Oppelsdorf zurück, deren Nachfahren noch heute eine regional sehr bekannte Käsefabrik führen. Sie waren es, die als Erste hier siedelten und wenig später eigenes Land für den Schulbau zur Verfügung stellten. Die Kreuzung, an der der kleine Ort liegt, wurde bis 1909 sogar Metzig’s Corner genannt.

Genau dort hatte ein anderer Deutscher ein Postamt eingerichtet, das er „Zittau“ nannte. Im Umkreis von rund 60 Meilen finden sich so vertraute Ortsnamen wie Praag, Pilsen, Leipsig oder auch Krakow. Die Siedler ließen ihre Heimat einfach in den neuen Ortsbezeichnungen wieder aufleben.

Die Aufzeichnungen der lutherischen Kirchgemeinde gehen bis ins Jahr 1854 zurück. Noch heute befinden sich eine Kirche und ein Friedhof am gleichen Ort.

Von der Siedlung zur Kreuzung

Das amerikanische Zittau ist heute so klein, dass es nur noch einen Ortsteil der Gemeinde „Town of Wolf River“ bildet. Der Name Wolfsfluss stammt noch von den Indianern, die hier lebten, bevor sich die ersten Siedler niederließen. In der kleinen Stadt ist man stolz darauf, dass die ersten Siedler ihr Land von den Eingeborenen kauften und ihnen nicht wegnahmen.

Da so wenig Einwohner hier leben, gilt Zittau als nicht eingemeindet, wird aber mit vom Stadtrat verwaltet. Wenn man ein Satellitenfoto davon betrachtet, wird einem bewusst, dass es heute nicht viel mehr als eine große Kreuzung ist.

Seine Hochzeit erlebte der kleine Ort, als die Highways, die durch ihn führten, noch eine wichtige Rolle spielten. Der Neubau größerer Straßen, die den Verkehr weit daran vorbeileiten, hat dazu geführt, dass Zittau heute sogar auf Webseiten aufgeführt wird, auf denen sich die Nutzer mit „lost higways“ – sogenannten verlorenen Straßen beschäftigen.

Hartmut Barsnick aus Athenstedt im Harz pflegt seit vielen Jahren seine Kontakte in Wisconsin, die durch einen Austausch in Milwaukee, der größten Stadt Wisconsins, vor 30 Jahren entstanden sind. Im Moment hilft der Pfarrer im Ruhestand ehrenamtlich aus, da seine ehemalige Gemeinde gerade keinen Geistlichen hat. Auf seinen Fahrten durch den Bundesstaat hält er gern in Zittau an, um in Dave Metzigs Käsefabrik, der Union Star Cheese Factory, guten Käse zu kaufen. „Inzwischen muss ich vielen Freunden Käse mitbringen, weil er so gut ist“, lacht er.

Das finden nicht nur Barsnick und seine Freunde. Im Internet finden sich zahlreiche Hinweise von Gourmets und Käsefans, unbedingt in der Käsefabrik einen Zwischenstopp einzulegen, um dem Betreiber beim Käsemachen über die Schulter zu sehen und dann die „köstlichen Spezialitäten“ mitnehmen zu können. Daneben lieben vor allem Touristen die Region. Zahlreiche Seen locken Angler und Wassersportler an. Interessante Parallele: Der Tourismus spielt also auch in der Umgebung des amerikanischen Zittau eine große Rolle.