Von Mario Heinke
Seit April arbeitet Bianca Wilhelm an der Nähmaschine in den neuen Werkstatträumen der Industrienäherei der „Zittauer Werkstätten“. Morgen wird der im Jahr 2011 begonnene Erweiterungsneubau auf der Neißstraße 5 feierlich eröffnet. Offizielle Gäste, mit den Zittauer Werkstätten kooperierende Institutionen und Firmen sowie die am Bau beteiligten Planungsbüros und Baufirmen sind eingeladen. Im neuen Haus arbeiten 60 Menschen, die entweder chronisch psychisch krank oder chronisch abhängig krank sind. Bisher waren diese Mitarbeiter in einem alten Gebäude an der Mühlstraße tätig. Den abgelegenen Standort hat der Verein aufgegeben. Die Menschen an den neuen Einzelarbeitsplätzen sind in den Bereichen Industrienäherei, Kabelkonfektion und Elektromontage tätig. Im Erdgeschoss, dem Kern des Anbaus, sind drei separate Räume für die Fertigung, eine Ausgabeküche mit Essbereich, ein Küchenlager und Räume für die Arbeitsvorbereitung entstanden. Im Sommer können die Mitarbeiter auf der neuen Terrasse ihr Mittagessen oder einen Kaffee genießen. Im Keller sind Wirtschaftsräume, Materiallager, Umkleideräume und die Sanitäranlagen untergebracht.
„Der Bedarf ist da“, erklärt Geschäftsführer Reinhard Fünfstück die Tatsache, dass die „Zittauer Werkstätten“ sich seit Jahren immer wieder vergrößern. Mit dem Erweiterungsbau hat der Verein „Zittauer Werkstätten Lebenshilfewerk“ für die nächsten Jahre wohl das letzte größte Neubauprojekt umgesetzt. Der Verein hat inzwischen die Größe eines mittelständischen Unternehmens angenommen und betreibt neben der Gärtnerei und Hauptwerkstatt in der Gerhart-Hauptmann-Str. 76, der Betriebsstätte Südstraße 104, der Zweigwerkstatt Oskar-Auster-Weg 1 nun noch die erweiterte Zweigwerkstatt in der Neißstraße 5. Im Verein sind 89 Betreuer – Fünfstück nennt sie Personalmitarbeiter – beschäftigt. Das Personal betreut 268 Mitarbeiter in den Einrichtungen an den vier Standorten in Zittau. „Die ersten Planungen für die Neißstraße hat es bereits im Jahr 2003 gegeben“, erklärt Geschäftsführer Fünfstück die Zwei-Millionen-Investition. Die Menschen, für die der Neubau entstanden ist, repräsentieren eine wachsende Gruppe in der Gesellschaft. Die Zahl psychisch Kranker steigt, während die Zahl der behinderten Menschen derzeit konstant bleibe und wegen der demografischen Entwicklung vermutlich zurückgehen wird. „Es gibt immer mehr Menschen, die den ständig steigenden Anforderungen im Arbeitsleben und im Alltag nicht mehr gewachsen sind“, sagt Reinhard Fünfstück. Die Möglichkeiten für diese Menschen auf dem ersten Arbeitsmarkt sind sehr schlecht und tendieren gegen null. Der Verein gibt diesen Menschen eine sinnvolle Beschäftigung und sichert ihnen somit ein Stück Teilhabe am Leben.
Im Anschluss an den offiziellen Teil werden die Beschäftigten am Freitagnachmittag gemeinsam feiern. Am Sonnabend öffnet der Verein zwischen 10 und 12 Uhr die alten und neuen Werkstatträume in der Neißstraße für die Öffentlichkeit. Die Zittauer können sich so selbst ein Bild von der Arbeit der Einrichtung machen. Für Reinhard Fünfstück ist das Bauvorhaben erst abgeschlossen, wenn alle Abrechnungen und Verwendungsnachweise durch sind. „Ich bin froh, wenn das vorbei ist“, so der 53-Jährige.