Von Heike Schwalbe
Zittau. Zittau steht auf Kohle! Geologische Forschungen und Erkundungen wiesen 1976 um Zittau große und reiche Braunkohlenlagerstätten nach. Mindestens 950 Millionen Tonnen mit einem für Kraftwerke geeigneten Heizwert sollten im Zittauer Becken lagern. Den Abraum schätzte man im Vergleich zu anderen Lagerstätten als gering ein. Damit sah die Zukunft der Stadt Zittau so dunkel aus wie die Kohle, die hier lagerte und die man bei der angespannten Energiesituation der DDR um jeden Preis abbauen wollte.

Das waren Zittaus „Perspektiven“: Ein Abbau nördlich und südlich von Zittau hätte nur den Stadtkern sowie die Ost- und Westvorstadt verschont. Zahlreiche Dörfer oder deren Ortsteile lagen im Abbaugebiet und wären irgendwann verschwunden. Die Trassen der Deutschen Reichsbahn nach Dresden und zu den Dörfern westlich von Zittau wären zwar erhalten geblieben, doch die in nördlicher Richtung im Kohleabbaugebiet verschwunden. Ebenso arg waren die Aussichten für die Kleinbahn. Eine Fahrt ins Gebirge wäre nicht mehr auf alter Strecke möglich gewesen. Genauso schlimm hätte es die bereits kaputten Straßen erwischt. Weite Umwege hätten eingeplant werden müssen, der Lkw-Verkehr durch die Stadt hätte erschreckend zugenommen. Dabei war Zittau bereits zu dieser Zeit eine schmutzige versmogte Stadt.
Den Kohleabbau im Zittauer Becken, das man unter Bergbauschutz stellte, wollte man in den zwei Teilfeldern Nord und Süd bis zur Neiße vornehmen. Zuerst hätte es mit der Erweiterung des Olbersdorfer Tagebaues das dortige Niederdorf erwischt, gefolgt von Zittaus Südvorstadt, Hartau und Eichgraben. Bis 2017 war die Auskohlung bis zum Rande des Zittauer Gebirges geplant. Eine Mondlandschaft wäre zurückgeblieben, an einen See glaubten die wenigsten. Im Zittauer Norden sollte mit dem Kohleabbau Ende der 1980er Jahre begonnen werden. Am stärksten hätte es hier neben Hirschfelde, Eckartsberg, Mittelherwigsdorf und Hörnitz getroffen. Mit der Kohle sollte nicht nur das Kraftwerk Hirschfelde, sondern später, nach Auskohlung der Lagerstätte Berzdorf, auch das Kraftwerk Hagenwerder für einen längeren Zeitraum beliefert werden. Und das bei einem relativ kurzen Transportweg. Der einst geplante Wohnungsbaustandort Zittau-Nord wurde gestrichen, dafür sollte in Niederoderwitz ein neues Wohngebiet für rund 20 000 Einwohner entstehen. Den Planern erschien das alles recht lukrativ, wobei sie auch den verbliebenen Teil von Zittau als Kreisstadt attraktiver machen wollten. Ein Plan der Berliner Bauakademie sah die Restaurierung kulturhistorisch wertvoller Bauten vor.
Mittlerweile waren Ende 1985 in Olbersdorf die Kirche gesprengt, ab 1987 ein Neubaugebiet im Oberdorf errichtet und viele Menschen hierher umgesiedelt worden. Auch die Stilllegung der Schmalspurbahn von Zittau bis Olbersdorf-Oberdorf war beschlossene Sache, dafür sollte eine Straßenbahn fahren. Sie sollte, beginnend am Zittauer Hauptbahnhof, über die Arndt-, Schiller- und Dornspachstraße zur Brücke an der Südstraße verkehren, wobei man streckenweise die Trasse der Schmalspurbahn nutzen wollte. Der weitere Verlauf war über die Schliebenstraße, die König-Albert-Brücke und entlang des Radweges am nördlichen Mandauufer über Hörnitz bis zum Neubaugebiet Olbersdorf geplant. Ein Gleisdreieck hätte dann für die Weiterführung des Schmalspurbahnbetriebes ins Gebirge gesorgt. Für die Straßenbahn mit Tatra-Zügen war eine Länge von knapp 20 Kilometern mit 16 Haltestellen vorgesehen.
Aber nach 1989 kam das Ende für die gewaltigen Tagebaupläne, beschlossen durch die Modrow-Regierung am 31. März 1990. Zwei Monate später wurde auf dem Zittauer Hauptbahnhof ein großes Fest und damit auch der Erhalt der damals 100-jährigen Schmalspurbahn nach Oybin/Jonsdorf gefeiert. Der Stadt Zittau und der Region war eine kohlenschwarze Zukunft erspart geblieben.