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Zittaus unvollendeter Bahntunnel

Am Güterbahnhof haben vor rund 100 Jahren offenbar Tunnelarbeiten begonnen, die nie beendet wurden.

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Von Arndt Bretschneider

Zittau.Was lässt sich in unserer Stadt heute noch entdecken? Ein unvollendeter Bahntunnel im Norden zum Beispiel. In den Archiven hat sich bis heute keine verlässliche Notiz von Planung oder Baubeginn einer Strecke erhalten, wohin der entdeckte Tunnel passen könnte. Stattdessen fand sich eine Denkschrift über die Verbesserung des Eisenbahnverkehrs in der sächsischen Oberlausitz aus dem Jahre 1918. Dort ist festgehalten, dass eine weitere Aufschließung des sogenannten Eigenschen Kreises mit einer normalspurigen Bahn wirtschaftlich notwendig wäre. Diese Strecke solle von Löbau über Bernstadt nach Nikrisch (ab 1936 Hagenwerder ) führen und das Berzdorfer Kohlebecken mit erfassen. Um eine Dreiecksverbindung mit Zittau herzustellen, könnte es durchaus Pläne einer Anbindung gegeben haben.

Gefunden hat sie die SZ nicht, wohl aber andere Schriftstücke, die Spekulationen zulassen. Entweder hat die wachsende Motorisierung von Straßenfahrzeugen oder der Ausbruch des Ersten Weltkrieges die Realisierung des Vorhabens verhindert. Warum soll aber am Rande des Zittauer Güterbahnhofes nicht trotzdem mit Schachtarbeiten begonnen worden sein? Jedenfalls kann man mit etwas gutem Willen heute noch Anzeichen eines Tunnelbaus unter der Herwigsdorfer Straße erkennen. Wenn man von der B 178 links stadtauswärts zwischen dem Supermarkt Netto und dem Fahrzeugteilehandel Auto Unger abbiegt und dann den Fußweg Richtung Hasenberg nimmt, kommt man an eine etwa sechs Meter hohe, verputzte Wand. An ihr steht die Jahreszahl 1919. Die fast senkrechte Mauer gehörte zu einem bis dorthin führenden Feldbahndamm und war die Verladestelle der Ziegelei Oswald Fritsche.

Das Jahr 1919 markiert nach dem Kriege einen gewissen Aufschwung. Leider hielt der nicht lange an, wurde zuerst durch die Inflation abgeschwächt und sieben Jahre später von der Weltwirtschaftskrise gänzlich unterbrochen. Im Jahre 1930 mussten sowohl Ziegelei als auch Sägewerk Konkurs anmelden. Seit 1932 befindet sich hier die Kleingartensparte Hasenberg mit über 80 Parzellen. Der dafür benötigte Mutterboden wurde seinerzeit einfach in der Fläche verteilt und begrub etwa das gesamte Sägewerkgatter. Einige Feldbahngleise blieben mit leichtem Gefälle zur Verladestation noch ein paar Jahre liegen und eiserne Kipploren gab es auch.

Ein gewaltiger wirtschaftlicher Aufschwung hatte das Deutsche Reich nach dem Sieg im Deutsch-Französischen Krieg erfasst und hielt über vierzig Jahre an. In Zittau erweiterten und entstanden auch einige neue Ziegeleien bis zum Vorabend des Ersten Weltkrieges. Sie befanden sich zwischen der heutigen Zufahrt zum Edeka Großhandel und der Baumwollweberei, damals Wagner und Moras. Das Werk lag nur reichlich hundert Meter vom Sächsischen Staatsbahngelände entfernt. Eine Bahnverbindung gab es nicht, sicher aber den Wunsch, sie herzustellen. Auf jeden Fall musste die Herwigsdorfer Straße gequert werden. Anscheinend bot sich eine Untertunnelung an. Die Höhe und Breite des Tunnelquerschnitts deuten auf eine Feldbahn hin. Ob das Tunnelchen von 25 m Länge jemals fertiggestellt wurde, konnte bisher nicht ermittelt werden. An Ziegeln hat es sicher nie gemangelt.