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Zittwerke: KZ-Geschichte wird erforscht

Ein polnisches Projekt will sich dem Schicksal der Gefangenen widmen, die in Großporitsch interniert waren. Doch Corona bremst das Vorhaben.

Von Irmela Hennig & Maria Marciniak
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Zu sehen ist hier der Eingang zu den ehemaligen Zittwerken.
Zu sehen ist hier der Eingang zu den ehemaligen Zittwerken. © CC-BY-SA 3.0

"Es geht alles vorüber!" Diesen Schriftzug in Fraktur, aufgemalt auf eine Wand, hatte der Medieninformatiker Niels Seidel vor knapp zehn Jahren fotografiert. Auf seiner Internetseite „Nise81“ schrieb er damals dazu: "Wenn das Haus einmal eingefallen sein wird, sind auch solchen Spuren verwischt."

Der Wissenschaftler, der heute an der Fernuni Hagen tätig ist, meint die einstigen Kasernengebäude auf dem Gelände der ehemaligen Junkers Flugzeug- und Motorenwerke, auch Zittwerke, in Großporitsch. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges heißt der Ort Porajów, liegt in Polen und gehört zur Stadt und Gemeinde Bogatynia (Reichenau). Im Zweiten Weltkrieg waren hier Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge interniert, wurden zur Arbeit gezwungen. Vielleicht stammt der Schriftzug in Fraktur von ihnen.

Kein Denkmal für Gefangene

Doch die Zittwerke und vor allem das Schicksal Gefangener und KZ-Insassen wurde bislang nur wenig erforscht. Das soll sich ändern. Die Niederschlesische Historische Gesellschaft mit Sitz in Goledzinów hat das Projekt "Geschichte der Konzentrationslager – Zweigstelle Groß-Rosen in Sieniawka" gestartet. Das bestätigt der Leiter Pawel Rodziewicz. Momentan wird das Vorhaben durch die Corona-Epidemie ausgebremst. Allerdings sollen Feldstudien beginnen, sobald es die Lage zulasse. Wann das genau der Fall sei, ist offen. "Bisher konnten wir Archivmaterial aus Polen und anderen Ländern sammeln", so Pawel Rodziewicz. Der Verein arbeite mit dem Museum Groß-Rosen in Rogoźnica und dem Zentralmuseum der Kriegsgefangenen in Łambinowice-Opole zusammen. 

Am Ende soll es eine wissenschaftliche Veröffentlichung geben. "Eine Ausstellung planen wir noch nicht, schließen sie aber nicht aus", antwortet Rodziewicz, der sehr gut Deutsch spricht, auf eine SZ-Anfrage. Ein Denkmal für die Gefangenen werde nicht errichtet, da dies bereits 2017 auf Initiative einer lokalen Gruppe geschehen sei. Weitere Auskünfte an die Medien werde man erst nach Abschluss der Forschungen geben. In Bogatynia begrüßt die Stadtverwaltung das Vorhaben. Damit würden auch Spekulationen rund um das Gelände beendet. Immer wieder hatten Hobbyhistoriker eher zweifelhafte Theorien über die Nutzung der Gebäude und der Keller entwickelt. Heute befindet sich in einigen Gebäuden auf dem Gelände eine psychiatrische Klinik.

Schon im Ersten Weltkrieg ein Lager

Das Tarnunternehmen der Junkers Flugzeug- und Motorenwerke war hier erst gegen Ende des Zweiten Weltkrieges untergebracht. Zuvor wurden unter anderem Montage- und Lagerhallen, Bunker, Luftschutztürme und eine Tankstelle errichtet. Ab 1944 folgte die Herstellung von Triebwerken des Typs Junkers Jumo 004B. Die habe man über Zittau mit verdeckten Güterzügen der Bahn in Richtung Reichenberg und Warnsdorf (Varnsdorf) zu den Montageorten der Flugzeuge in Bayern transportiert, wie aus Quellen hervorgeht. Grund für den Bau und Betrieb der Fabrik auf dem Lande war die Bombardierung deutscher Industriezentren durch die Alliierten. Kriegswichtige Produktion wurde darum verlagert.

Schon im Ersten Weltkrieg diente das Gelände von Großportisch als Lager für Kriegsgefangene. Im Zweiten Weltkrieg hatten die Nazis sie hier erneut interniert. Ab Ende Oktober 1944 war zudem ein Außenkommando des Konzentrationslagers Groß-Rosen untergebracht. Wie viele Gefangene es gab, ist nicht klar. Eine Zeitzeugin aus Zittau sprach vor wenigen Jahren von 500 ungarischen Jüdinnen und der gleichen Anzahl Männer, die aus einem Konzentrationslager hergebracht worden seien.

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