"Wir kriechen auf dem Zahnfleisch"

Niederau. In der Gemeinde haben seit Montag Kindertagesstätten und der Hort wieder für alle geöffnet. Viele Eltern freut es, dass nun ein Stück Normalität zurückkehrt und ihre Kinder wieder betreut werden können. Doch kaum geöffnet, gibt es Ärger. Grund sind zwei Elternbriefe mit gegensätzlichem Inhalt.
"Im ersten stand noch, dass die Kita alles dransetzt, dass die Betreuungszeit so bleibt wie gewohnt und wir eben nur vorher Bescheid geben sollten, ob und in welchem Umfang unsere Kinder betreut werden sollen, damit das Personal geplant werden kann. Das war top und eine tolle Ansage auch vonseiten des Trägers.
Im zweiten Brief fiel ich aus allen Wolken. Denn zwei Tage später hieß es, man könne in unserer Einrichtung, der Kita"Wiesenfreunde" in Niederau, die Betreuung nur von 7.30 bis 16 Uhr gewährleisten und die Kinder könnten nicht in der Kita frühstücken, das möge bitte zu Hause erfolgen", schreibt eine Niederauerin der SZ (Name ist der Redaktion bekannt).
Auf Recherchen habe sich herausgestellt, dass es sowohl Eltern als auch Erzieher gäbe, die sich gegen eine stundenweise Betreuung der Kinder durch die Horterzieherinnen, was bisher immer üblich war, gewehrt hätten. "Es beschwerten sich massiv gerade Eltern. die keinerlei systemrelevanten Beruf ausüben, wenn überhaupt einen.
Nun blieb natürlich unserem Träger, der Gemeinde Niederau, nichts anderes übrig, als die Zeit so massiv einzukürzen, damit das Personal reicht. Wir hatten uns als Eltern so erleichtert gezeigt, dass endlich bei uns auch ein wenig Normalität einkehren kann, und dann wird uns dies von Eltern, die nicht wie wir durchgehend Überstunden schoben und im Schichtdienst unterwegs sind, zunichte gemacht.
Wir kriechen auf dem Zahnfleisch und unsere Kinder leiden mit unter der Situation, und nun dürfen wir dank solcher Eltern, aber auch Erzieher, die sich beschwert haben, weiter leiden" so die zweifache Mutter. Besonders ärgert sie, dass die Kinder zu Hause frühstücken sollen. Die Zeit bis zum Mittagessen sei dann für die Kinder viel zu lang, sagt sie.
Doch wie kam es zu den gegensätzlichen Elternbriefen und den wieder geänderten Bedingungen für die Kinderbetreuung? Niederaus Hauptamtsleiter Ronny Reichel räumt ein, dass die Gemeinde im Bemühen, eine einigermaßen bedarfsgerechte Betreuung zu gewährleisten, die Allgemeinverfügung des Freistaates Sachsen großzügig ausgelegt hat.
Nach dieser ist es nämlich beispielsweise nicht zulässig, dass Hortnerinnen teilweise die Betreuung von Kindergartenkindern übernehmen. Das ist in "normalen"Zeiten erlaubt und in Niederau übliche Praxis, doch nach der Allgemeinverfügung darf Hort- und Kita-Personal nicht ausgetauscht werden. Mit dem vorhandenen Personal in der Kindertagesstätte sei eine bedarfsgerechte Betreuung aber derzeit nicht möglich.
"Nach den Beschwerden können wir die Hortnerinnen in der Kindertagesstätte nicht mehr einsetzen. In Absprache mit den jeweiligen Leiterinnen der Einrichtungen musste sich die Gemeinde Niederau als Trägerin der Einrichtungen den rechtlichen Regelungen der Allgemeinverfügung beugen, die eben nur begrenzt einen Betrieb der Einrichtungen ermöglichen.
Wir tragen nun mit den Festlegungen der einzelnen Öffnungszeiten den örtlichen und personellen Gegebenheiten Rechnung", sagt der Hauptamtsleiter. Dabei baue die Gemeinde auf das Verständnis der Eltern. Andere Einrichtungen, wie die Sörnewitzer "Kinderwelt" verwendeten hier eher "befehlsartige Anweisungen". Dies halte er persönlich für sehr fragwürdig.
Das Verständnis der Niederauer Mutter hält sich allerdings in engen Grenzen. Es ist aus ihrer Sicht in Unding, dass sich Erzieherinnen beschwerten, die nicht in Zeiten des hochaktiven Risikos arbeiten mussten. "Und jetzt, da sich die Situation entspannt, gingen diese Menschen, Eltern wie Erzieher, gegen alles vor, was wieder zur Normalität führen würde", so die Niederauerin.
Möglicherweise löst sich die Situation aber auch bald auf andere Art und Weise. So wird in einer gemeinsamen Stellungnahme der Gesellschaften für Krankenhaushygiene und Pädriatische Infektiologie , der Akademie der Kinder- und Jugendmedizin sowie des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte gefordert, Kindereinrichtungen und Schulen ohne massive Einschränkungen wieder zu eröffnen.
Studien aus verschiedenen Ländern hätten gezeigt, dass Kinder und Jugendliche im Infektionsgeschehen nur eine untergeordnete Rolle spielten und sie auch eine geringere Infektionsquote als Erwachsene hätten. Eine Meinung, die auch der sächsische Kultusminister Christian Piwartz (CDU) teilt. Allerdings ist sich die Wissenschaft auch hier nicht einig.
Der Berliner Virologe Christian Drosten vertritt die Auffassung, dass Kinder genauso infektiös wie Erwachsene sein könnten und empfiehlt daher nur eine schrittweise Lockerung in den Einrichtungen.
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