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Zopf-Kunst aus dem Afro-Shop

Mary Wangui Horst aus Kenia hat sich in Bautzen mit ihrer Geschäftsidee selbstständig gemacht.

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Von Holger Matthies

Es kommt vor, dass die Leute in ihrer alten Heimat sie darauf ansprechen, wenn sie wieder einmal in Kenia zu Besuch ist. „‚Mary, du hast dich verändert‘ – das höre ich dann oft“, erzählt die zierliche Frau, deren Haupthaar in langen, filigran geflochtenen Zöpfen herabfällt. „Ich glaube schon, dass ich ein Stück der deutschen Mentalität verinnerlicht habe.“ Die Menschen in Kenia sind anders, sagt sie. „Die Leute dort sind oft sehr arm, aber nicht so traurig wie die Deutschen. Sie lachen mehr, auch wenn es viele Probleme gibt. Hier dagegen sieht man besonders im Winter oft in verschlossene Gesichter.“

Ein Stück Heimat

Mary Wangui Horst, die seit 15 Jahren in Deutschland lebt, hat einen Weg gefunden, in der neuen Heimat die alte nicht ganz zu verlieren: Sie hat sich einfach ein Stück Afrika nach Bautzen geholt. Seit zwei Jahren betreibt sie am Holzmarkt 5 „Marys Afro-Shop“. Dort verkauft sie neben verschiedensten afrikanischen Schnitzarbeiten auch Ölbilder, Specksteinfiguren, Instrumente, Tücher, Kosmetik und Schmuck wie Ketten, Ohrringe und Armreifen. „Hier sitzen in Afrika die alten Leute drauf“, sagt sie und zeigt auf einen kunstvoll geschnitzten Holzstuhl.

Die freundliche Geschäftsinhaberin bietet neben dem Verkauf noch einen weiteren Service an: Bei ihr können sich modebewusste Zeitgenossen exotische afrikanische Zopf-Frisuren verpassen lassen. Rasta-Zöpfe, Cornrows oder Dread Rocks – für Marys geschickte Hände kein Problem.

Reggae-Fans, die einmal um den Kopf aussehen wollen wie ihr Idol Bob Marley, können sich diesen Wunsch in „Marys Afro-Shop“ erfüllen. „Ich habe auch die entsprechenden Shampoos, Lotions und Cremes im Angebot“, sagt Mary Wangui Horst. „Diese Frisuren erfordern nämlich spezielle Pflegemittel. Früher musste ich immer Freunde im Westen anrufen, wenn ich etwas für meine Haare brauchte.“ Das brachte sie auf die Idee, diese Sachen selber anzubieten. Von ihren Reisen in die alte Heimat Kenia hatte sie zudem im Laufe der Jahre nach und nach eine Menge Kunst- und Schmucksachen mitgebracht, die sich in einem Zimmer ihrer Neschwitzer Wohnung stapelten. „Ab und zu habe ich etwas davon auch schon mal auf dem Wochenmarkt angeboten.“

Als sie nach einer Ausbildung zur Altenpflege-Helferin keine Anstellung fand, nahm die Vorstellung vom eigenen Laden immer deutlicher Gestalt in ihrem Kopf an. Sie besuchte ein vom Arbeitsamt angebotenes Schulungsseminar zum Start in die Selbstständigkeit, danach stand ihr Entschluss fest. „Freunde, Bekannte und Angehörige haben versucht, mir mein Vorhaben auszureden. Sie hatten Angst um mich, Angst vor Übergriffen durch Rechte. Aber ich hatte damals viel Mut und Selbstbewusstsein und das hat mich nicht geschreckt“, sagt Mary Wangui Horst.

Auf die Lauer gelegt

Ganz so einfach war der Start dann doch nicht: Bei der Suche nach einer geeigneten Verkaufsfläche wurde sie von einem Bautzener Immobilien-Makler grundlos abgelehnt. „Aber da waren mir schon die leeren Räume im Erdgeschoss des Hauses Holzmarkt 5 aufgefallen.“ Zwei Tage lang lag sie auf der Lauer, bis ein Hausmeister erschien, den sie einfach ansprach: „Der brachte mich in seinem Auto zum Eigentümer und noch am selben Tag hatte ich den Mietvertrag in der Hand.“