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Zu wenig Auswahl, zu viel Konkurrenz

Die Schlecker-Pleite beschäftigt viele Kunden in Meißen, Radebeul und Großenhain.Im Rückblick kam die Nachricht jedoch wenig überraschend.

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Von Ulrike Keller

Unverdrossen buhlt die Fensterwerbung: „8 - 20 Uhr – wir sind für Sie da“. Innen zeichnen sich Spuren der Insolvenz ab. An einigen Stellen in den Regalen haben sich Lücken aufgetan: bei den Haarfärbemitteln, bei den Sprays, bei den Duschbad-Produkten. Auch Kunden gehören zur Mangelware. Es sind weniger geworden, behaupten die, die regelmäßig in der Meißener Filiale auf der Zaschendorfer Straße kaufen. Angelika Ullrich fragt die Verkäuferin, wie es weitergeht. Das sagt sie, und das muss sie sagen. Neuerdings schimpfen manche Kunden ihr gegenüber darauf los: Die Schlecker-Chefs seien Verbrecher, die das Personal nicht bezahlten, echauffieren sie sich. „So ist es nicht“, sagt die Angestellte müde lächelnd.

In der Werbung billiger

Angelika Ullrich aus Meißen kommt seit drei Jahren in den Laden. Weil er so bequem für sie liegt. Nagellack und Melissengeist hat sie diesmal im Korb. „Das Personal ist so freundlich und hilfsbereit“, sagt sie. Es täte ihr leid, wenn diese Filiale schließen würde. Eine andere sei ja schon zu. Dass das Geschäft schlecht läuft, kann sie sich mit zwei Mankos erklären: „Die Produktpalette müsste breiter sein, und teurer als in anderen Drogeriemärkten ist es auch.“ Dass Schlecker – abgesehen von den Sonderangeboten – nicht preiswert ist, hat auch Bettina Müller schon gemerkt. Deshalb kauft sie in erster Linie Waschmittel und Badkosmetika aus der Werbung ein. Auch ihre Fotos lässt sie über die Filiale entwickeln. Und ist insgesamt zufrieden: „Der Service ist gut“, lobt sie. Die Treue hält sie dem Geschäft vor allem wegen der für sie idealen Lage. Seitdem sie von der Zahlungsunfähigkeit der Kette weiß, spielt aber ein besonderes Bewusstsein mit: „Das Schlimme ist, dass Arbeitsplätze dranhängen.“

Susann Leuteritz aus Meißen ist fix mit dem Auto herangefahren, um Besenstiele und Bodentücher für die Firma zu holen. Schlecker lag am Weg. Privat würde sie nicht halten. „Die Hausmarke ist bestimmt nicht schlecht“, sagt sie. „Aber ich will mehr Auswahl. Bei Rossmann gibt es von allem wesentlich mehr.“ Überrascht hat sie die Nachricht von der Pleite nicht. „Hier war nie was los. Vielleicht hat es sich schon abgezeichnet.“

Nichts gemerkt und nichts geahnt hat Stephanie Nestmann aus Radebeul. Ihr ist die Filiale in der Hauptstraße im Osten der Stadt sowohl logistisch als auch das Sortiment betreffend nah. „Meine Katzen trinken am liebsten die Katzenmilch von Schlecker“, erzählt sie. Außerdem greift die 24-Jährige bei Produkten zu, die aktuell in der Werbung sind, und bestellt ihre Fotos über die Kette. Preislich nehme sich das nichts mit anderen Märkten, hat sie herausgefunden: „Ich hoffe, dass die Filiale bestehen bleibt!“ Der enge Eckladen ist wenig frequentiert. Der in der Scheibe klebende Werbespruch „Schlecker - die Nr. 1 in Europa“ scheint kaum Lockwirkung zu entfalten. Im Fenster nebenan heißt es „Preisberühmt“. Janett und Lutz Loose aus Radebeul vergleichen gerade die Preise von Babylotion, Feuchttüchern & Co. Für April hat sich Nachwuchs angekündigt, weshalb die Eltern in spe die Baby-Hausmarke inspizieren. „Die finden wir gegenüber Penaten und anderen Firmen recht günstig“, sagt das Paar. Dass Schlecker in Zahlungsrückstände geraten ist, kann für die beiden nur einen Grund haben: „Es gibt zu viel Konkurrenz.“ Als Nächstes wollen sie die Straße hoch bei Rossmann schauen. Indem sie gehen, hinterlassen sie für Minuten eine kundenfreie Filiale.

Ganz anders in der Marktgasse in Großenhain. Die Tür öffnet und schließt sich ständig. Außen locken Wintersets mit Kratzer und Enteiserspray für kleines Geld, daneben stapelt sich günstiges Vogelfutter. Über weniger Kundschaft als früher kann die Verkäuferin nicht klagen. Auf den weißen Regalflächen finden sich einzelne leere Plätze. Am nächsten Tag komme Nachschub, heißt es. Solche Lücken habe es auch früher gegeben. Aus heutiger Sicht war für Simone Poitzsch aus Großenhain zu beobachten, dass das Angebot in den vergangenen Wochen dünner wurde. „Aber ich habe gedacht: Dann kommt eben am nächsten Tag Lieferung.“ Weil sie gleich um die Ecke wohnt, holt sie alles bei Schlecker, was ausgeht im Haushalt, nutzt gern und oft die Sonderangebote. Ob Kundentreue die Filiale nun retten kann, vermag sie nicht einzuschätzen.

Nur eine „Kann-Adresse“

Wichtig ist ihr der Versuch, die Arbeitsplätze zu erhalten. Auch Töchterchen Christin fühlt sich in dem Geschäft beinahe zu Hause. Diesmal hat die Neunjährige ihr Taschengeld in eine Haarspange mit eindrucksvoller schmetterlingsartiger Blüte in Helltürkis investiert. Damit sie schick aussieht, wenn der große Bruder im Juni heiratet.

Tagescreme und Mascara hat sich Romy Krebs aus Großenhain geleistet. Sie zählt sich eindeutig zu den Gelegenheitskunden, kehrt ein, wenn ihr Weg einmal zufällig an dem Drogeriemarkt vorbeiführt. Das kommt etwa einmal im Quartal vor. Sehr viel häufiger zieht es sie zu Rossmann und dm. Dort hat sie die größere Auswahl. Schlecker sieht sie lediglich als Kann-Adresse für die „einfachen Sachen“.