Von Markus Tichy
Jan Bollmann redet schnell, ohne Punkt und Komma. Seinen gedrehten Wanderstab, den Stenz, hat er vorm Schreibtisch abgelegt. Der Zimmermann aus Flensburg ist schon seit drei Jahren unterwegs und hat sein zünftiges Sprüchlein schon in hunderten Amtsstuben hergesagt. Schmalmachen nennen die Wandergesellen das laut kleinem Einmaleins der Walz. Gestern hat sich Jan Bollmann mit seinen Kollegen Lars Scheffer Arnsberg (Sauerland) und Jan Mantorski aus Kiel im Vorzimmer des Bürgermeisters schmal gemacht. „Wir holen uns den Stempel des Stadtsiegels ab und bitten um eine kleine Reiseunterstützung“, erzählt Bollmann. Die Siegel gelten später im Wanderbüchlein als Beweis, dass die Gesellen auch wirklich drei Jahre und einen Tag fern der Heimat verbrachten.
Der Duft der weiten Welt
Die drei jungen Wanderer wirken ziemlich geschlaucht und den Geruch, der sie umgibt, könnte man mit viel gutem Willen als den Duft der weiten Welt bezeichnen. Ihre Kluft sitzt so ziemlich tadellos – das verlangen auch die strengen Walz-Regeln. Für den Laien scheinen alle drei Männer Zimmermänner zu sein. Aber Lars Scheffer, der seit anderthalb Jahren unterwegs ist, klärt auf: „Ich bin Dachdecker, Jan ist Tischler.“
Die Frage nach dem Woher und Wohin ist rasch geklärt. Zuletzt seien sie in Waldheim gewesen und machen sich nun auf in die Schweiz. Der Arbeit wegen. Schließlich dient die Wanderschaft seit dem Mittelalter zum einen als praktische Lebensschule und zum anderen als handwerkliche Bildungsreise. „Hier in der Region ist nichts zu holen“, meint Jan Bollmann. Zumindest, was einen Job anbelangt. Denn mit leeren Händen verlassen die drei das Vorzimmer des Bürgermeisters nicht. „Wir haben für Wanderer eine Extra-Kasse. Fünf Euro gibt‘s als kleine Reiseunterstützung“, erklärt Bürgermeistersekretärin Eva Kussak. Wenn der Chef Zeit hat, versorge er die Bittsteller selbst. Ansonsten übernehme sie das. „Früher kannten wir das ja gar nicht“, sagt sie. Und als die ersten Zimmermänner zum Schmalmachen antraten, habe sie verdutzt geschaut. „Inzwischen ist man dran gewöhnt.“
Mit den letzten Worten eines Danksprüchleins auf den Lippen kehren Jan Bollmann und seine Kollegen Döbeln den Rücken.