Von Kerstin Fiedler
Immer um die Weihnachtszeit wird aus der Waschküche von Gudrun Bleul die Gänseküche. Da wird der Brühkessel angeschlossen und ein Tisch zum Rupfen des Federviehs hineingestellt. Dann beginnt eine arbeitsreiche Zeit, denn Bleuls schlachten nicht nur für sich, sondern auch für Freunde, Bekannte und Verwandte.
Die Gänse im eigentlich als Pferdehänger genutzten Wagen machen sich lautstark bemerkbar, als Thomas Bleul hineingeht. Als ahnten sie, dass nun wieder eine von ihnen das Leben aushauchen wird. Nachdem Thomas Bleul ein Tier gegriffen, den Schnabel zu- und die Flügel festgehalten hat, geht es hinter das Haus. Dort beginnt die eigentliche Prozedur. Mit einem Schlag auf den Hinterkopf betäubt Bleul die Gans, bevor er ihr mit einem scharfen Messer die Adern am Hinterkopf aufschneidet. Das Blut, das hinausläuft, ist eher rosa, und es ist viel weniger, als man vermutet. Nach einigen Minuten endet der kurze Todeskampf der Gans. Thomas Bleul kann das Tier, das er an den Füßen aufgehängt hat, ausbluten lassen.
Für die eigene Versorgung
„Klar tut es mir leid, wenn ich die Tiere töte. Aber wer Fleisch isst, muss das eben auch verstehen. Schwerer fällt es mir, wenn es Tiere mit Fell sind. Also Tiere, die man im Laufe der Zucht anfasst und streichelt. Da baut sich doch eher eine Beziehung auf, als zum Federvieh“, erzählt er und meint vor allem Kaninchen und Schweine. Denn Familie Bleul ist in der Beziehung Eigenversorger. Immerhin wohnen im Haushalt in Kronförstchen fünf Kinder. Das Jüngste ist zwei Jahre.
Der Chef des Reiterhofes in Kronförstchen züchtet gescheckte Pommerngänse in der Sparte S 237 Kleinwelka. Die Pommerngans an sich ist wohl nicht so schwierig zu züchten, aber bei den Gescheckten gibt es eine ganze Menge zu beachten. Deshalb werden von den einst in diesem Jahr aufgewachsenen 33 Tieren 27 geschlachtet. Die entsprachen alle nicht dem Standard einer gescheckten Pommerngans, waren so genannte Fehlfarben. Nur die sechs, die weiter zur Zucht bleiben, sind ganz edel gezeichnet. Was heißt, dass ihr Hals bis zu einer bestimmten Länge graue federn hat und auf dem Rücken der Gans die Flügel ebenmäßig grau wie ein Sattel liegen. Jeweils zwei Weibchen und ein Männchen gehören nun zusammen. „Gänse sind Familientiere. Wenn sie sich einmal gefunden haben, bleiben sie eigentlich zu Lebzeiten zusammen“, erzählt Thomas Bleul.
Die geschlachtete Gans blutet nicht mehr. Thomas Bleul holt sie rein. Dann geht es ziemlich schnell. Gudrun Bleul und mindestens ein Helfer stehen bereit. Die Gans kommt nur für Sekunden in den etwa 75 Grad heißen Brühkessel. „Auf das heiße Wasser reagiert die Haut, die dann die Federn leichter rupfen lässt“, erklärt Bleul. Das ist nun die Aufgabe von Gudrun Bleul. Mit geübten Händen rupft sie die Gans. „Am Abend eines solchen Schlachttages spüre ich, was ich gemacht habe“, gibt sie die Schwere der Arbeit zu.
Die Federn landen später auf dem Kompost. Es ist heute kaum noch üblich, dass jemand die Federn nutzt. „So viel Zeit hat ja keiner mehr“, sagt Bleul. Dennoch weiß er, was anders gemacht wird, wenn die Federn gebraucht werden. Dann wird die Gans nicht gebrüht, sondern gebügelt. Ja, richtig, gebügelt. „Über die Gans wird ein heißes Handtuch gelegt und darauf werden dann mit dem heißen Bügeleisen die Federn geschmeidig gemacht. Anschließend muss das Tier zum Trocknen an die Luft. Danach können die Federn gerupft und später geschleißt werden“, erzählt der 42-Jährige.
Nun ist die Gans nackt. Aber sie sieht immer noch wie eine Gans aus, denn noch sind Kopf und Füße am Körper. Jetzt bekommt die Gans eine Halskrause aus Zeitungspapier, um die dann ein Strick gewickelt wird. Daran hängt Gudrun Bleul die Tiere dann an einer Stange auf. Die Flügel werden auf dem Rücken „zusammengefaltet“. Etwa einen Tag hängt das Tier so ab. „In der Zeit setzen sich schon die Gedärme nach unten, so dass die Gans dann einfacher auszunehmen ist“, erläutert Thomas Bleul. Diese Art sei traditionell verankert. Im Gegensatz zu den großen Schlachthöfen, wo alle äußeren Teile gleich abgeschnitten werden. Dass er das Schlachten von Tieren beherrscht, verdankt er seinem Vater. „Ich hab als Kind immer zugeguckt und später eben mitgeholfen“, erzählt er.
Am Tag darauf werden die geschlachteten Tiere – das können dann schon mal bis zu 20 Stück sein – ausgenommen. Allerdings schlachtet Thomas Bleul nicht nur seine Gänse, sondern auch Enten. Weiter verwertet von den Innereien werden Magen, Leber, Herz und das inzwischen erkaltete Fett. „Daraus machen mittlerweile wieder viele Leute Gänsefett“, weiß Bleul. An diesem zweiten Tag werden die Tiere dann auch abgeholt. Sozusagen ganz frisch, denn Thomas Bleul frostet die Tiere nicht ein.
Im nächsten Jahr neue Gänse
Im nächsten Jahr werden auf dem Reiterhof neue Gänse heranwachsen. Die Zuchtgänse sollen dafür sorgen. Wenn das Wetter nicht zu kalt ist, könnten die ersten Gänse im März schlüpfen. In diesem Jahr war es erst Anfang Mai. Danach kamen die jungen Tiere gleich in die Freilandhaltung. Eine junge Gans legt acht bis zehn Eier, eine ältere schon 17 bis 20. Das dichte Daunennest, dass die Weibchen für ihre Eier bauen, hält aber auch Temperaturschwankungen aus.
Doch daran denken Bleuls derzeit noch nicht. Sie haben noch mit dem Schlachten zu tun. Die letzte Gans ist am 22. Dezember dran, dann können die Bleuls auch an Weihnachten denken. Denn natürlich gibt es am ersten Weihnachtstag Gans. Und die muss vorbereitet werden.