Von Mandy Schaks
Osterzgebirge. Die Erzgebirgler angelten sich zur Weihnachtszeit, was sie kriegen konnten, um einmal im Jahr richtig was Ordentliches auf dem Tisch zu haben. Da durfte beim traditionellen Neunerlei oder – wie es in Mundart heißt – Neinerlaa neben allerlei Knollen, Hülsenfrüchten, Getreide, Milch und Fleisch eine Fischspeise nicht fehlen. Gern gewählt wurde der Hering und zu Häckerle verarbeitet, weiß Anke Eichler vom Tourismusverband Erzgebirge. Der Fisch wird dabei entweder zerkleinert oder gleich durch den Fleischwolf gedreht und herzhaft mit Zwiebeln und sauren Gurken angemacht. Heute ist der Tisch viel reichlicher gedeckt, weil es eine viel größere Auswahl an Lebensmitteln gibt. Anke Eichler, die diese Tradition mit dem Neunerlei nicht nur kennt, sondern selbst praktiziert, hat sich für einen Matjes entschieden, der etwas fettiger und feiner im Geschmack ist. Damit er auch ohne Wasser noch bis zum Weihnachtsessen gut schwimmt, wird er in Öl eingelegt und herzhaft gewürzt. Dabei wird er – wie beim Eintopf – von Tag zu Tag besser. So ist es auch nicht schlimm, wenn beim großen Festessen etwas übrigbleibt. Und das sollte es ja auch nach den Regeln, die mindestens bis ins 18. Jahrhundert zurückreichen. Denn wurde nicht alles aufgegessen, so der Glaube, sollte auch im nächsten Jahr immer etwas auf dem Tisch stehen. Auch der Fisch selbst hat wie alle anderen acht Speisen beim Neunerlei noch eine eigene symbolische Bedeutung. „Er steht für die Beweglichkeit“, erzählt Anke Eichler. Oder wie der Erzgebirgler und auch Sachse sagt, Fisch braucht’s, um fischelant zu bleiben, also geschickt.
Die Tourismus-Fachfrau hat sich natürlich auch gefragt, warum besteht das traditionelle erzgebirgische Weihnachtsessen, das früher nur Heiligabend auf den Tisch kam, ausgerechnet aus neun Speisen. Sie hat zwar nicht „die ultimative Antwort“ gefunden, wie sie zugibt, aber einige interessante Erklärungen. So sei die Zahl drei in vielen Religionen eine besondere Glückszahl. „Im christlichen Glauben steht sie für die Dreieinigkeit von Vater, Sohn und Heiligem Geist.“ Zudem sei der Neun als höchste einziffrige Zahl im Volksglauben eine besondere Bedeutung beigemessen worden. „Neun ist das Dreifache der Glückszahl“, so Anke Eichler, „also das vollkommen Himmlische, Heilige.“
Und sie ist auch noch sowohl in der Wissenschaft als auch im Sport darauf gestoßen, was die Zahl so besonders macht. In der Mathematik ist es so: Wenn man zu einer Zahl die Neun addiert, ändert sich die Quersumme nicht. „9 ist also unsichtbar und verhält sich neutral.“ Und beim Kegeln läuft alles auf Sieg, wer alle Neune abräumt.