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Zum Totensonntag ohne frischen Blumengruß ans Grab

Das neue sächsische Ladenöffnungsgesetz verbietet Blumenläden den Verkauf. Keiner versteht diese Regelung.

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Von M. Huisinga und C. Eißner

Wer am Totensonntag ein Gesteck oder Blumen auf das Grab eines Verstorbenen legen möchte, muss bereits am Sonnabend den Grabschmuck kaufen. Denn das dieses Jahr in Kraft getretene sächsische Ladenöffnungsgesetz verbietet Einzelhändlern ausdrücklich, an Gedenktagen wie Totensonntag, Volkstrauertag sowie Buß- und Bettag ihre Geschäfte zu öffnen. Blumenhändler eingeschlossen.

Diese unverständliche Regelung stieß bereits zum Volkstrauertag auf heftige Kritik. Am Buß- und Bettag dasselbe Bild. „Zusammen mit vielen anderen Pirnaern stand ich am Mittwoch fassungslos vor den Blumenläden an der Dippoldiswalder Straße. Sie hatten zu“, ärgert sich Musiklehrer Rolf Bäns. Im Schaufenster lediglich der Hinweis, dass man dieses Jahr nicht öffnen dürfe. Auch die fliegenden Händler am Friedhof waren nicht da. „Das kann man mit gesundem Menschenverstand nicht nachvollziehen“, sagt er. „Man macht doch die kleinen Händler kaputt.“

Grabgestecke, Reisig, Blumen– der Totensonntag war immer ein wichtiger Verkaufstag für die Blumenhändler und Gärtnereien. Sie sind erbost über das neue Gesetz.

Händler: „Schwachsinn“

„Besonders am Totensonntag kamen immer viele Kunden“, sagt Kathleen Sobczinski, die im Blumenladen „Blumen und Geschenke“ in Dohna mitarbeitet. Den Ausfall könne das Geschäft nur schwer kompensieren. Ebenso urteilt Brigitte Nabbe, die insgesamt vier Blumenläden in Pirna besitzt: „Das neue Gesetz ist nicht in Ordnung, da es für uns Umsatzverlust bedeutet. Die Gedenktage sind Hauptverkaufstage.“ Besonders ärgert sie, dass einige mobile Blumenhändler das allgemein geltende Verbot umgangen hätten. „Viele standen trotzdem an der Straße und verkauften Sträuße oder Gestecke. Wenn, dann muss die Polizei oder das Ordnungsamt kontrollieren, dass sich auch wirklich alle daran halten.“ Außerdem empfindet sie die Neuregelung als besonders kundenunfreundlich.

Genau diesen Aspekt hebt auch Martina Kiepsch vom „Krippener Blumentöpfchen“ hervor: „Schön ist es für den Kunden nicht, wenn er vor verschlossener Tür steht.“ Eine Einschätzung, die Kerstin Richter aus Bad Gottleuba nur teilen kann. Frau Richter ist angestellt in „Monicas Blumenladen“ und sagt erbost: „Bei uns ist es sogar so, dass wir eventuell jemanden entlassen müssen.“ Aus ihrer Sicht vernichtet das Ladenöffnungsgesetz Arbeitsplätze. Ihr Kommentar: „Das ist doch unverantwortlich!“

Indirekt ist auch Blumengroßhändler Thomas Marquardt aus Heidenau betroffen. „Wir beliefern die Blumengeschäfte, die durch die neue Regelung vermutlich weniger verkaufen.“ Er bezeichnet das Gesetz als „Schwachsinn“ und erkennt darin vor allem eine Ungleichbehandlung, denn: „Jede Tankstelle darf verkaufen, dann muss gleiches Recht für alle gelten.“

Landtag: Kein Interesse

Karin Böttcher, Justitiarin beim Handelsverband Sachsen in Dresden, kennt die Sorgen der Blumenhändler und Gärtnereien. „Wir haben schon beim Ministerium darauf hingewiesen, dass die Regelung verändert werden sollte“, sagt sie. Das angesprochene Wirtschaftsministerium Dresden weist die Verantwortung allerdings sofort zurück. Ministeriumssprecherin Lea Mock: „Wir haben das Gesetz nicht beschlossen, sondern der Landtag. Und der ist auch für Änderungen zuständig.“

Genau wie dem Wirtschaftsministerium ist das Problem auch dem Landtag durchaus bekannt. Hier wie dort bekam man den Ärger aus der Bevölkerung bereits zu spüren. Dass sich deswegen etwas bewegt, ist aber alles andere als sicher. „Bis jetzt“, sagt Landtagssprecher Ivo Klatte auf SZ-Nachfrage, „hat keine der Landtagsfraktionen einen Antrag auf Änderung des Gesetzes gestellt.“