Von Dana Ritzmann
Sonja Meister atmet tief durch. Die bunten Matten sind auf den Fliesen verteilt und lassen den großen Raum wenigstens ein bisschen gemütlicher erscheinen. Die zierliche Frau im Streifenshirt knipst das Neonlicht aus und zündet die Teelichter an, die dem leeren Ladengeschäft im hinteren Teil des Prohlis-Zentrums Atmosphäre verleihen. Inmitten von Reisebüros, Bankfilialen und Backshops versucht Meister mit gezielten Körperdrehungen und Atemtechniken der Welt da draußen ein bisschen zu entfliehen. Aber Meister bietet nicht einfach nur Yoga an, sondern will mit ihrem Kurs vor allem anderen Menschen helfen. Seit einem halben Jahr bietet sie deshalb im Auftrag der Prohliser Bürgerinitiative die sogenannte Yogaschule an. Kostenlos versteht sich, obwohl die 64-Jährige sonst durchaus auch Geld mit ihren Kursen verdient. Vor zwei Jahren hat sie ihren Trainerschein gemacht, als Perspektive für den Ruhestand. Die ehemalige Pharmareferentin hat selbst erfahren, wie Yoga hilft Stress abzubauen und zu sich selbst zu finden. Dieses Gefühl will sie weitergeben. „Ich habe viel Glück gehabt in meinem Leben, davon möchte ich etwas weitergeben“, sagt Meister, die selbst lange in Prohlis gelebt hat, aber 1999 nach Döltzschen gezogen ist. Es erschrecke sie zu sehen, was aus Prohlis geworden ist, welche Not man zum Teil auf der Straße sehe. „Man könnte auch einfach wegschauen, aber das wollte ich nicht“, erklärt die Yogatrainerin ihre Motivation.
Gebühren sorgen für Frust
In der Bürgerinitiative fand sie einen Ansprechpartner, weil diese sich vor einiger Zeit entschieden hatte, ihre ehrenamtlichen Mitarbeiter im Kampf gegen den Stress aktiv zu unterstützen. „Wir haben viele Engagierte, die täglich zwischen Job, Familie und Ehrenamt jonglieren und selbst oft in Krisensituationen vermitteln“, sagt Detlef Georgy von der Bürgerinitiative. „Und bevor unsere Leute mit Burnout zusammenbrechen, beugen wir lieber gezielt vor.“ Da es sozusagen ein internes Angebot der Bürgerinitiative ist, sei es kostenlos für die derzeit acht Teilnehmer und stelle keine Konkurrenz zu herkömmlichen Yoga-stunden dar. Darauf weist Georgy mehrmals hin. Er freut sich, dass das Angebot gut angenommen wird, aber verschweigt auch nicht, dass die größer werdende Gruppe neue Probleme mit sich bringt.
Das Einkaufszentrum sei nur eine Notlösung, weiß Georgy. In Absprache mit dem Prohliszentrum könne die Bürgerinitiative den leeren Laden so lange für den Yogakurs nutzen, wie dieser nicht vermietet sei. Platz ist hier genug, anders als im Prohliser Gesundheitszentrum, wo die Yogagruppe in ihren ersten Stunden im November einen Raum zur Verfügung gestellt bekommen hatte, der sich allerdings bald als zu klein herausstellte. Das Ortsamt habe jetzt den Bürgersaal als Yogasaal angeboten, sagt Georgy. Allerdings sei dies keine realistische Option, da dort jedes Mal für die anderthalb Kursstunden die Stühle raus- und anschließend wieder reingeräumt werden müssten. Am liebsten, sagt der Mann von der Bürgerinitiative, würden sie in die Turnhalle der Albert-Schweitzer-Schule in der Georg-Palitzsch-Straße ziehen. Dort sei montags um 18 Uhr frei, allerdings müsste der Verein für die Nutzung 36 Euro für zwei Stunden zahlen. Das summiere sich im Jahr auf 1 908 Euro – Geld, das sie Bürgerinitiative nicht habe, sagt Georgy und schimpft: „Wir sind ehrenamtlich tätig für Menschen, die Hilfe benötigen und sollen dafür nun bezahlen.“ Ein Schildbürgerstreich, findet Georgy. Die Gebührensatzung - sagt die Stadt. Der Eigenbetrieb Sportstätten- und Bäderbetrieb sei an seine Handlungsgrundlagen gebunden, Ausnahmen von dieser Kostenerhebungspflicht gibt es grundsätzlich nicht, lautet die Antwort auf Nachfrage der SZ. Detlef Georgy hat die Absage noch nicht schriftlich. Gleichzeitig betont er, dass er keinen Streit mit der Stadt suche, die die Bürgerinitiative unterstützt. Im zuständigen Ortsamt Prohlis heißt es auf Anfrage, dass das Problem der Yogagruppe bekannt sei, nach einer einvernehmlichen Lösung werde gesucht.
Yogatrainerin Meister atmet tief durch. Hauptsache, ihre Gruppe lernt, wie sie das Luftholen auch außerhalb der Yogamatte richtig anwendet. „Es geht um den Ausgleich zwischen Körper und Seele“, sagt sie und entspannt sich.