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Zurück in die Zukunft

Nach heftiger Kritik reagiert die Formel 1 und schafft vor dem Rennen in Spa die Starthilfen ab. Das soll nur ein Anfang sein.

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Von Thomas Weitekamp

Nach seinem beängstigenden Reifenplatzer bei höchster Geschwindigkeit winkte Nico Rosberg noch mal kurz den Fans zu und musste dann den Schrecken erst einmal verdauen. „Das war ein Schock“, gab der Mercedes-Pilot nach dem Horrormoment im Freien Training zum Formel-1-Rennen in Belgien zu. Auf einmal bei mehr als 300 Kilometern in der Stunde die Kontrolle zu verlieren, „ist nicht gut“, meinte Rosberg. „Ich hatte Glück, dass ich nicht in die Mauer gekracht bin. Das war definitiv kein Spaß.“

Rund 25 Minuten vor Ende der zweiten Einheit platzte der rechte Hinterreifen an seinem Silberpfeil. Der gebürtige Wiesbadener fing den Wagen auf dem Kurs in Spa-Francorchamps aber noch gekonnt ab und bewahrte sein Auto vor weiterem Schaden. Trotz des besorgniserregenden Zwischenfalls sicherte sich Rosberg die Tagesbestzeit vor seinem Stallrivalen Lewis Hamilton.

Reifenhersteller Pirelli und die Techniker bei Mercedes rätseln noch über die Ursachen, mit der ab Spa geltenden Regeländerung hat der Unfall aber gewiss nichts zu tun. Den deutlichsten Satz zum heftig diskutierten Thema sprach mal wieder Bernie Ecclestone. Seine Formel 1 gelte „mittlerweile als Serie, in der man auch dressierte Affen ins Auto setzen kann“, sagte der Chefpromoter kürzlich, die Boliden seien „fast ferngesteuert“.

Ab dem Großen Preis von Belgien gibt die Hightech-Serie daher nun freiwillig einen Teil ihrer technischen Errungenschaften auf, nicht nur die Fans wollten es so: Für einen schnellen Start sind die Fahrer von nun an wieder selbst verantwortlich, die elektronischen Hilfen an der Ampel sind ab sofort verboten.

„Damit drehen wir erstmals die Technologie zum Wohle des Entertainments runter“, sagt Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff, „die Piloten sollen wieder mehr Verantwortung tragen.“ Was selbstverständlich klingt in der Königsklasse des Motorsports – die Fahrer bewegen die Autos – ist durchaus ein großer Schritt für die Formel 1. Im Zuge der heftigen Kritik an Langeweile in der Rennserie hatten die Macher das neue Startreglement vor wenigen Wochen im Eilverfahren durchgesetzt. In der kommenden Saison sollen weitere Technikhilfen schrittweise abgeschafft werden.

Zunächst fällt nun aber der voreingestellte Start weg, die Fahrer müssen wieder mehr tun, als reagieren und Gas geben. „Es ist wie beim Kavalierstart mit dem Golf an der Ampel: Ich muss den Punkt finden, wo die Kupplung greift, wo mit dosiertem Gas begonnen wird“, erklärt RTL-Experte Christian Danner.

Chaos beim Start?

Wolff begrüßt den Schritt, hält aber auch Chaos zum Rennstart für möglich. „Bringt es uns nie gekannte Abwechslung am Start oder nie gekanntes Drama?“, fragte er: „Vielleicht müssen wir uns das noch einmal anschauen. Niemand von uns will völlig unvorhersehbare Starts, die das Qualifying entwerten.“

Die meisten Hauptdarsteller halten solche Szenarien allerdings für übertrieben. „Ich verstehe nicht ganz, was wir zu erreichen versuchen“, sagt etwa Ferrari-Pilot Sebastian Vettel: „Ich denke nicht, dass es viel ändern wird. Es gibt eine Menge schlaue Menschen in der Formel 1, die Fahrer sollten in der Lage sein, viele Dinge zu machen.“

Glücklich über die Regeländerung dürfte auch der Fernsehsender RTL sein, der zuletzt sinkende Quoten verzeichnen musste. RTL überträgt die Formel 1 auch 2016 und 2017 – und lässt sich das nach Informationen der Bild-Zeitung rund 25 Millionen Euro pro Jahr kosten. (sid)

TV-Tipp: RTL überträgt am Sonntag ab 14 Uhr