"Zurzeit hat meine Frau den schwereren Job"

Die Studiogäste der mdr-Plauderstunde am späten Freitagabend sind auf Abstand. Vorbildlich nach Corona-Regeln sitzen sie meterweit auseinander. Und gleich zu Beginn legt Michael Kretschmer stolz auf sein Beistell-Tischchen ein Bündel mit grünen Stoff-Masken. „So geht Sächsisch“, der Werbe-Slogan des Freistaats ist darauf zu lesen. „Ich habe für jeden eine mitgebracht“, hält der Ministerpräsident ein Exemplar stolz in die Kamera. „Wir haben es uns ein bisschen schön gemacht.“
Da hat Kretschmer mit seinen Kabinettskollegen gerade wenige Stunden zuvor die strengen Corona-Regeln in Sachsen ab Montag ein wenig gelockert. Dafür wird eine Maskenpflicht in Bus, Bahn und beim Einkaufen eingeführt. Nun nutzt Kretschmer die Talkshow, um noch einmal zu erklären, für Verständnis zu werben, warum eine Rückkehr zur Normalität für alle noch länger warten muss.
Mit der Maskenpflicht wolle man versuchen, trotz einiger Lockerungen – so öffnen ab Montag wieder zahlreiche Läden und ältere Schüler kehren zurück – auf der anderen Seite ein bisschen mehr Schutz zu gewinnen. „Was wir uns jetzt vorgenommen haben, ist auf keinen Fall zu wenig“, verteidigt Kretschmer den sächsischen Sonderweg in der Corona-Krise – das Land ist bundesweit das erste mit einer Mundschutz-Pflicht.
„Es ist eine Grenze, die man wirklich nicht überschreiten darf“, hofft Kretschmer weiterhin auf die Disziplin seiner Landsleute, gerade was Kontaktverbot und Reise-Beschränkungen angehen. So dürfen ab nächster Woche zunächst die Schüler der Prüfungsjahrgänge wieder zurück in den Unterricht. „Aber auch das sind in Sachsen eben rund 60.000 Schüler. Und 800 Quadratmeter Ladenfläche, das sind nahezu alle Einzelhandelsgeschäfte – das wird viel Bewegung, viele Kontakte mit sich bringen. Und deswegen müssen wir jetzt Maßhalten“, fordert Kretschmer.

Er verstehe auch diejenigen, die sich wünschten, dass auch Museen und große Möbelhäuser wieder öffnen. „Aber wir mussten eine Grenze setzen.“ Nun müssten alle erstmal die nächsten zwei Wochen abwarten, wie sich die Infektionszahlen entwickeln. „Wenn wir vernünftig und diszipliniert sind, können wir danach über weitere Lockerungen reden“, verspricht Kretschmer. Aber so lange es keinen Impfstoff gebe, habe sich „noch nichts geändert“. Abstandhalten und Mundschutz, das bleibe momentan der einzige Schutz.
Kretschmer kritisiert scharf den Aufwind, den etliche Verschwörungstheoretiker derzeit aus der Corona-Krise ziehen. „Es wäre doch alles gar nicht so schlimm, sagen einige. Da sage ich ganz klar: Diese Verantwortung im Umgang mit einem tödlichen Virus kann ein Einzelner gar nicht tragen“ Weltweit hätten nahezu alle Länder ähnliche Strategien zur Bekämpfung von Corona beschlossen. Sollte es zu einem großen Ausbruch kommen wie in Italien – und dies sei auch in Deutschland durchaus möglich – müsse die Politik in Bund und Ländern in enger Absprache Gegenmaßnahmen diskutieren und entscheiden.
"Es geht nur langsam in die Normalität zurück"
„Wir haben dafür gesorgt, dass das Land ein Stück weit stillsteht, damit sind die Infektionszahlen massiv zurückgegangen“, sagt Kretschmer. „Jetzt geht es eben nur langsam, Schritt für Schritt in die Normalität zurück.“ Er wolle demnächst mit den Hoteliers und Gastronomen reden, damit auch für sie ein „Stufenplan“ entwickelt werden könne. Zoos und Museen könnten vielleicht schon Anfang Mai wieder öffnen. Schwimmhallen müssten wohl noch länger warten.
Ob der Baggersee im Sommer denn eine Chance habe, fragt Moderator Jörg Kachelmann. „Alles eine Frage der Disziplin“, antwortet Kretschmer. Und die lebt er auch mit seiner eigenen Familie. Aus Sorge lasse er seine Kinder derzeit nicht zu den Großeltern. „Jeder muss sich doch fragen, ob das jetzt wirklich klug ist, diesen Kontakt zu ermöglichen?“ Stattdessen telefoniere er und die Kinder viel mit den Großeltern, schicke Nachrichten. „Wir haben auch so viel Spaß miteinander. Aber ich möchte mir diesen Vorwurf nicht machen müssen, dass die Großeltern krank geworden sind, weil wir da gewesen sind“, sagt Kretschmer ernst.
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Es sei ihm auch bewusst, was viele Eltern derzeit in Homeoffice und zugleich beim Unterricht für ihre Kinder zuhause leisteten. „Zurzeit hat meine Frau den schwereren Job von uns beiden“, findet Kretschmer. Das merke er derzeit manchmal, wenn er nachhause komme. „Da blicke ich dann zurzeit meist in sehr angespannte Gesichter“, erzählt Kretschmer. „Ich bin dann immer sehr sensibel und muss da auch schon ein bisschen diplomatisch und besser vorsichtig sein, wenn ich nachfrage, wie ihr Tag so war“, lächelt Kretschmer vieldeutig. „Meine Frau sieht diese Sendung.“
Wie Paare mit der Dauer-Corona-Krise und dem „Aufeinanderhocken“ zuhause auch umgehen, da hört sich Kretschmer dann sichtlich amüsiert die unterhaltsame Paar-Beichte von Schauspielerin Simone Thomalla und Handballer Silvio Heinevetter an, die aus Berlin zugeschaltet sind – in Schlumper-Klamotten auf dem Sofa sitzend, aber mit einer erfrischenden Portion Selbstironie.
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Ein entspanntes Wochenende wird Kretschmer übrigens auch nicht haben. Die Zimmer der Kinder sollen renoviert und gestrichen werden, erzählt der Ministerpräsident. Da hilft es ihm auch nicht, dass er selbst dafür gesorgt hat, dass Baumärkte erst am Montag wieder öffnen: Die Farbe wurde schon vor ein paar Wochen gekauft, erzählt Kretschmer. „Da kann ich mich nicht länger durchmogeln.“ Aber vielleicht hilft die körperliche Arbeit auch ein wenig gegen das „Corona-Bäuchlein“, das Moderator Kachelmann bei Sachsens Ministerpräsident unter dem Jackett gesehen haben will.
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