Von Andreas Kirschke
D ann sahen wir diesen wunderbaren Kindergarten in Muschelwitz. Da ist etwas erwacht bei meiner Frau. Eine alte Tradition aus der Kindheit“, sagt Timo Muster. Seine Frau, gebürtige Schleiferin und Sorbin, und er, gebürtiger Berliner und Deutscher, vertrauten Sohn Pascal der Witaj-Gruppe an. In Bisolds Scheune, zur Vorstellung der Broschüre „Pøedskok z dwìmaj rìèomaj“ (Vorsprung mit zwei Sprachen), schildert der Vater seine Erfahrungen mit Zweisprachigkeit.
„Wir setzen immer gleich auf die Methode. Und zu wenig auf die Motive“, meint Mitautor Jan Bart nachdenklich. „Bevor wir Zweisprachigkeit vermitteln, müssen wir die Sehnsucht danach wecken. Den Traum.“ Lausitzweit haben sich rund 600 Elternhäuser für Witaj entschieden. Die einen aus Tradition und Verbundenheit zur Nachbarkultur. Andere aus Gespür für die Schönheit der sorbischen Sprache. Wieder andere im Vertrauen in die wissenschaftlichen Erkenntnisse. „Es gibt viele Wege in die Zweisprachigkeit“, sagt Bart. „Doch der günstigste ist die Sprachenteilung. In der Familie. Wenn der sorbische Partner sorbisch, der deutsche Partner deutsch mit dem Kind spricht.“ Eben jene Mischehen soll die Broschüre ermutigen. Sie regt an zum Austausch von Erfahrungen. Nimmt doch der Trend zu Mischehen zu. „Liebe geht dorthin, wo sie hinfällt“, sagt der Mitautor. „Diese Eltern brauchen nicht nur Motivation. Sie brauchen notwendiges Wissen. Die Erfahrungen anderer Familien.“
Austausch zu vermitteln
Ein Austausch untereinander ist bislang nicht systematisch vermittelt worden. Die Broschüre gilt als Anfang. Als erster Versuch. Gemeinsam mit Logopädin Wanda Wokowa und Dr. Jana Šo³æina, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Sorbischen Institut und in der Sektion Sorabistik der Uni Leipzig, hat er sie erstellt. Eine Reihe von Fragen werfen die drei auf. Kann Zweisprachigkeit dem Kind schaden? Lernt ein Kind zwei Sprachen in gleicher Qualität? Wie lässt sich gute Qualität auch der deutschen Sprache sichern? Wie sprachliche Fehler korrigieren? „Wir legen die Erfahrungen der Eltern zugrunde“, sagt Bart. Und Timo Muster erzählt frei heraus. Sohn Jesco (4) erwirbt jetzt ebenfalls Sorbisch im Muschwitzer Kindergarten. Pascal (9) lernt in Klasse 3 der Grundschule Crostwitz. Ein Wagnis am Anfang. „Packt er es? Wie wird er sich wohl an die Sprache gewöhnen“, entsinnt sich der Vater an Ängste. Er suchte das Gespräch mit Schulleiter Merko Šmit. Der reagierte offen, kam auf ihn zu. „Was ich am meisten schätze: Pascal spricht eine Sprache, die er tagtäglich anwendet. Den Vorteil hatte ich als Kind leider nicht“, schildert der Vater. Seine Frau redet mit Pascal sorbisch. Auch, wenn sie bei Timo Musters Eltern in Berlin sind. Als tolerant spürt der Vater den Umgang Pascals mit der Religion in Crostwitz. Ging er doch zur Einschulung mit in die Kirche. „Auch darüber sollten Eltern miteinander reden“, findet der Vater. „Es hat etwas mit Miteinander zu tun.“
Was er an Pascal sieht, hätte er sich nicht träumen lassen. Wenn nicht seine Frau diesen Traum geweckt hätte. Die erste Phase, ein halbes Jahr, sprach der Junge daheim gar kein Sorbisch. Heute hat er sich in die Sprache gut eingefunden. „Mein Problem ist oft: wie reagiert die Außenwelt“, erzählt der Vater. „Oft wird negiert, dass Sorbisch eine Sprache ist. Es wird herunter gespielt. Das ärgert mich permanent. Hier wird etwas negiert, was man nicht negieren kann.“ Witaj allein, so Jan Bart, kann Sorbisch als Sprache nicht aufwerten. Entscheidende Grundlage sind stabile Familien. „Und das auf eine ganz natürliche Weise“, fügt Jana Šo³cina, die selbst einen deutschen Ehemann hat, hinzu. „Die Spracheinstellung des Partners ist wichtig. Nicht nur, indem er mich zur sorbischen Sprache ermutigt und akzeptiert. Sondern indem er es auch fördert.“