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Zweites Flüchtlingsheim am Bahnhof im Gespräch

Der Besitzer des Hotels Saxonia hat dem Landratsamt die Immobilie zur Miete angeboten.

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Von Stefan Lehmann und Britta Veltzke

Auf der Suche nach weiteren Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge ist das Landratsamt Meißen offenbar an der Riesaer Bahnhofstraße fündig geworden. Das Hotel Saxonia könnte zum Asylbewerberheim umfunktioniert werden, wie die Pressesprecherin des Landkreises, Kerstin Thöns, auf Anfrage der Sächsischen Zeitung bestätigte. Derzeit sei das Angebot des Besitzers an den Landkreis in der Prüfung. Eine Einigung werde vermutlich erst Anfang Oktober zustande kommen. Sollten Landkreis und Saxonia-Besitzer einen entsprechenden Vertrag abschließen, würde der Kreis das Gebäude anmieten. In dem Hotel an der Bahnhofstraße könnten dann nach den Plänen des Landratsamts 80 Asylbewerber untergebracht werden.

Wenn es zu einer Einigung kommt, wäre das eine schlechte Nachricht für den jetzigen Pächter. Seit Februar betreibt Stefan Reitz aus Röderau im Saxonia eine Pension mit Gaststätte. Reitz, der auch in Röderau eine Pension hat, wollte das markante Gebäude in Bahnhofsnähe zu einer Art „Museumshotel“ für Bahn-Enthusiasten umgestalten. Gegenüber der Sächsischen Zeitung bestätigte Reitz lediglich, dass sich bereits Mitarbeiter des Landratsamtes in dem Gebäude umgesehen hätten. Darüber hinaus wollte er sich gestern noch nicht zur möglichen Zukunft des Hauses oder seiner Pension äußern.

Umbau der Zimmer wäre notwendig

Ehe das Saxonia bezogen werden könnte, wären voraussichtlich ohnehin noch Umbauarbeiten notwendig, erklärt der zuständige Landkreis-Dezernent Ulrich Zimmermann: „Sollte es zu einem Vertrag kommen, müssen Forderungen unter anderem nach Kochgelegenheiten erfüllt werden. Die Asylbewerber versorgen sich selber.“

Über die genauen Kosten für eine mögliche Unterbringung wird nach SZ-Informationen noch verhandelt. Der Landkreis gibt diese mit 6,50 Euro bis etwa zehn Euro pro Einwohner und Tag an. „Der Preis richtet sich natürlich nach Ausstattung, Nebenkosten und auch nach der aktuellen Marktsituation“, sagte Landkreis-Sprecherin Kerstin Thöns.

Auch der Riesaer Stadtverwaltung sind die Pläne des Landratsamts mit dem ehemaligen Hotel bekannt. Die Bündelung von zwei Flüchtlingsunterkünften in Bahnhofsnähe bezeichnet Riesas Oberbürgermeister Marco Müller (CDU) als „nicht glücklich“. Neben der Unterkunft im Saxonia ist bereits Am Birkenwäldchen ein Heim geplant. Hier sollen einmal 130 Asylbewerber untergebracht werden. Aus Sicht des Oberbürgermeisters ist das keine Wunschlösung. „Aber wir haben in Sachen Flüchtlingsunterkünfte als Stadt ja leider kein Mitspracherecht“, sagt Marco Müller. „Die Verhandlungen führt der Kreis direkt mit den Immobilienbesitzen vor Ort.“

Wann das Asylbewerberheim Am Birkenwäldchen letztlich eröffnen kann, ist ebenfalls noch offen. „Hier gibt es wohl Probleme mit dem Bau“, erklärt Landkreis-Sprecherin Thöns. „Die Details kennen wir nicht.“ Es liege die Vermutung nahe, dass die Bausubstanz maroder ist als ursprünglich angenommen. „Das Haus steht ja seit vielen, vielen Jahren leer.“

Müller mahnte eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge im Landkreis an. Während einige Kommunen noch weit vom Aufnahme-Soll entfernt seien, habe Riesa diese Grenze inklusive der geplanten neuen Einrichtungen am Bahnhof bald überschritten. Gemessen an den Einwohnerzahlen soll jede Kommune im Landkreis ein Prozent Asylbewerber aufnehmen. Riesa wäre demnach verpflichtet, etwa 300 Flüchtlinge aufzunehmen. Ob die Ein-Prozent-Regel Bestand haben wird, scheint aber unsicher. „Die Landesregierung hat die Zahlen nach oben korrigiert“, erklärte Kerstin Thöns gestern. Alleine am gestrigen Tag habe es in Sachsen 268 Neuankömmlinge mit der Bitte um Asyl gegeben.

„Wir hoffen, dass vor allem jene Asylbewerber zu uns kommen, die ein Bleiberecht haben. Aber wenn es tatsächlich 600 000 Asylbewerber in diesem Jahr sind, müssen auch im Landkreis Meißen mehr Menschen untergebracht werden.“ Landrat Arndt Steinbach hatte bereits Ende Juli in einem Interview mit der Sächsischen Zeitung die offiziellen Prognosen von 689 Asylbewerbern für den Landkreis Meißen als unrealistisch bezeichnet. Er meinte, dass es in diesem Jahr eher 800 bis 1000 sein würden. Auch deshalb prüfe das Landratsamt laut Kerstin Thöns noch weitere Immobilien im Altkreis, die sich möglicherweise als Flüchtlingsunterkünfte nutzen ließen. Derzeit leben in Riesa laut Dezernent Ulrich Zimmermann 184 Asylbewerber.