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Zwischen Freiberg und Katar

Der Solarworld-Konzern kann sich von hohen Schulden befreien – aber längst nicht von allen Sorgen.

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© dpa

Von Georg Moeritz

Bonn/Dresden. Solarworld-Chef Frank Asbeck hat seinen Mit-Aktionären gestern nur wenig zu essen hingestellt – anders als bei früheren Treffen. Dennoch hielten sie lange aus und stimmten erst nach vielen Reden über den Sanierungsplan ab. Am Abend erließen sie dem Unternehmen hohe Schulden. Doch auch danach hat Solarworld noch 426 Millionen Euro zu tilgen, und der Wettbewerb bleibt hart.

Hat Solarworld jetzt eine Chance gegen die China-Konkurrenz?

Asbeck sagte gestern, Solarworld habe eine Zukunft und sei wettbewerbsfähig. Nach seinen Angaben sind die Produktionskosten in Deutschland kaum höher als in China. Vor zwei Jahren hat Solarworld seine eigene Produktion in Asien beendet: ein Gemeinschaftsunternehmen in Südkorea. Laut Asbeck kommt es in dieser Branche kaum auf Lohnkosten an, sie machten nur etwa ein Zehntel der Gesamtkosten aus. Aber China hat riesige Fabriken gebaut und muss seine Produkte loswerden. Allein der Weltmarktführer Yingli Solar stellt fast dreimal so viel her wie Solarworld. Aus China kommen nicht nur Billigprodukte – in Chinas Fabriken stehen deutsche Maschinen, etwa von Roth & Rau aus Sachsen. Solarworld muss deshalb weiter versuchen, Besonderheiten herauszustellen: „Made in Germany“, ständige technische Verbesserungen, Komplettpakete aus Solardach, Akku und Fernsteuerung.

Welche Fehler haben die deutschen Manager gemacht?

Zwar hat der Solarworld-Chef schon vor Jahren vorausgesagt, dass nur ein Teil der deutschen Firmen überleben wird. Doch zugleich setzte er wie seine deutschen Konkurrenten lange auf hohe Verkaufspreise, die aus China unterboten werden konnten. Die Hoffnung auf Schutzzölle war trügerisch. Zugleich sammelte Solarworld Schulden fast in Milliardenhöhe an. Wolfgang Hummel vom Zentrum für Solarmarktforschung hält auch eine wichtige Solarworld-Strategie seit zwei Jahren für überholt: fast alle Teile selbst herzustellen. Es sei billiger, Komponenten einzukaufen.

Unternimmt der Staat etwas zum Schutz der deutschen Hersteller?

Laut Asbeck führt China einen „Industriekrieg“ mit unfair niedrigen Preisen unter Herstellungskosten – dank staatlicher Subventionen. Allerdings hat Solarworld auch in Sachsen von Subventionen profitiert. Dazu sagte Asbeck in einem Interview: „Wir schulden dem deutschen Staat nichts. Über unsere Steuern haben wir alles zurückgezahlt.“ Die EU hat China mit Strafzöllen auf Solarexporte gedroht, daraufhin erwog China Zölle auf europäischen Wein. Es kam zum Kompromiss: Strafzölle, wenn Chinesen ihre Module für weniger als 56 Cent pro Watt in Europa anbieten. Asbeck findet diesen Preis zu niedrig: Die EU habe „Panda-Kissing gemacht“. Soll heißen: Man war zu freundlich zu China.

Welche Pläne hat Katar als neuer größter Anteilseigner?

Das arabische Emirat Katar ist künftig der wichtigste Besitzer: 29 Prozent der Solarworld-Aktien gehören nach dem Sanierungsplan dem Unternehmen Katar Solar. Die Firma gibt außerdem 50 Millionen Euro Kredit. Sie gehört zu einer Stiftung in Katar, die das Emirat bei Wissenschaft und Entwicklung voranbringen soll – die Araber wissen, dass sie auf Dauer nicht nur vom Öl leben. Auch an Volkswagen ist ein staatliches Unternehmen aus dem Emirat beteiligt. Katar Solar hat in seinem Heimatland bereits Geschäfte mit Solarworld gemacht: Ein Gemeinschaftsunternehmen wurde gegründet, um in Katar Silizium herzustellen – Rohstoff für Solarmodule. An dieser Firma ist Solarworld nach früheren Angaben zu 29 Prozent beteiligt.

Wie wichtig ist die Solarworld-Fabrik in Freiberg?

Die Zentrale der Solarworld AG ist in Bonn – dort hat Hobbyjäger Asbeck sein Büro mit Fuchsfellen an der Wand, dort arbeiten rund 300 Angestellte. Doch die größte Fabrik steht in Freiberg in Sachsen, eine kleinere in den USA. 1.300 feste Mitarbeiter hat das Unternehmen in Freiberg, in mehreren Tochterfirmen wie Deutsche Solar und Deutsche Cell. Im Süden Freibergs hat die Produktion begonnen, später kam eine neue Fabrik am Ostrand dazu. Das wachsende Werk übernahm Experten aus der Pleite-Chipfabrik Qimonda in Dresden und aus kurzlebigen Solarfabriken. Asbeck kaufte auch das Ballhaus Tivoli in der Stadt. In Freiberg begann Solarworld mit dem Recycling 25 Jahre alter Solarmodule aus Belgien, und in Freiberg steht auch das Forschungszentrum – mit Aufgaben wie Ausschuss reduzieren, Wirkungsgrad steigern. Doch vor zwei Jahren wurden ältere Anlagen stillgelegt, 500 Stellen von Leiharbeitern wurden gestrichen, später 250 von eigenen Angestellten. Die Fabrik hat nach eigenen Angaben den „höchsten Automatisierungsgrad weltweit“. In Sachsen lässt Solarworld außerdem nach Lithium für Batterien bohren – die Suche in Zinnwald soll auch in diesem Sommer weitergehen.

Wie geht es dem Dresdner Konkurrenten namens Solarwatt?

Das Dresdner Unternehmen Solarwatt heißt zwar ähnlich wie die Asbeck-Firma, ist aber wesentlich kleiner und war nie an der Börse. Doch im vorigen Jahr rief Solarwatt ebenfalls aus Geldnot Gläubiger zu einer Versammlung: Besitzer einer Solarwatt-Anleihe mit festem Zins stimmten in Dresden zu, auf den größten Teil ihres Geldes zu verzichten. Im Werk wurden 200 Stellen gestrichen, es blieben 333. Die jüngste Produktionsanlage von 2010 wurde stillgelegt, obwohl sie hoch automatisiert war. Künftig sollen mit mehr Handarbeit neuartige Module aus stabilen Doppelglasscheiben hergestellt werden. Besitzer Stefan Quandt, Milliardär und BMW-Aufsichtsrat, kündigte an, Solarwatt werde sich abheben „von Billiganbietern, die nicht halten, was sie versprechen“.

Gibt es noch einige nennenswerte Solarfabriken in Deutschland?

Die derzeit größte deutsche Fabrik für Fotovoltaik-Technik steht vor der Schließung: Bosch Solar hat angekündigt, sein Werk Arnstadt in Thüringen mit 1.800 Beschäftigten Anfang des Jahres stillzulegen. Dann ist Solarworld in Freiberg die größte Fabrik. First Solar in Frankfurt (Oder) mit 1.200 Stellen schloss voriges Jahr. In Bitterfeld bei der ehemaligen Fabrik Q-Cells will der koreanische Käufer Hanwha die meisten der 750 Stellen erhalten. In Sachsen sind drei kleinere Fabriken wenige Jahre nach dem Start geschlossen worden: in Großröhrsdorf, Bischofswerda und Mochau bei Döbeln. In Betrieb sind aber Solarwerke in Torgau, Chemnitz und Zwenkau bei Leipzig mit zusammen etwa 800 Beschäftigten sowie die Pilotanlage von Heliatek in Dresden. Sie könnte die Solartechnik der Zukunft liefern: billige Produktion in einer Art Druckverfahren auf Folien. (mit dpa)