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„Der A4-Ausbau löst nicht die Probleme"

Das Verkehrsproblem werde man auch mit mehr Spuren nicht beheben können, sagt Sachsens Umweltminister Wolfram Günther im Podcast "Politik in Sachsen".

Von Annette Binninger
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Sachsens Umweltminister Wolfram Günther
Sachsens Umweltminister Wolfram Günther © Jürgen Lösel

Dresden. Zweifel an der Sinnhaftigkeit des A4-Ausbaus hat Sachsens Umweltminister Wolfram Günther (Grüne) geäußert. "Das Verkehrsproblem wird man nicht lösen können mit immer mehr Spuren", sagt Günther in der neuesten Ausgabe des Podcasts "Politik in Sachsen". Man habe sich zwar im Koalitionsvertrag mit CDU und SPD auf den sechsspurigen Ausbau der Autobahn zwischen Dresden-Nord und Bautzen-Ost geeinigt. "Deswegen werden wir nicht dagegen anarbeiten", so Günther. "Aber die Lösung der Probleme ist es nicht." Die Verlagerung von Schwerlastverkehr auf die Schiene sei vielmehr ein Lösungsansatz. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hatte sich erst kürzlich für den Ausbau - trotz fehlender Kohle-Gelder - ausgesprochen.

Der sechsspurige Ausbau der Autobahn sei ohnehin "eine Frage von Jahrzehnten, eh der kommt", warnt Günther vor allzu hohen Erwartungen an eine schnelle Verkehrs-Besserung auf der stark befahrenen und unfallträchtigen Strecke. "Die Frage ist doch: Investiere ich jetzt in ein System, von dem ich jetzt schon weiß, dass es eigentlich falsch ist und immer mehr und mehr dort hinein. Oder investiere ich mal langsam in die Systeme, die tatsächlich die Probleme an der Wurzel greifen", sagt Günther.

Dazu gehöre für ihn ein anderes Mobilitäts-, Logistik- und Fertigungssystem. Ein nachhaltigeres System sei gefragt. "Vieles, was da von A nach B hin- und hergekurvt wird, müsste vielleicht gar nicht von A nach B, quer durch Europa im Zickzack gekurvt werden, sondern es geht auch darum, wie wir bestimmte Wertschöpfungsketten in der Wirtschaft wieder regionalisieren können", fordert Günther, auch den Klimaschutz zu berücksichtigen. "Das wird dann langfristig den Menschen helfen, die dann vielleicht mal wirklich staufrei mit ihrem Pkw diese Autobahn benutzen wollen."

Schwarz-grüne Koalition denkbar

Seinem Empfinden nach würden die Grünen in Deutschland und auch in Sachsen zunehmend als "Problemlöser" wahrgenommen. Von den Grünen werde erwartet, Lösungen zu suchen und anzugehen für Probleme, die "jahrzehntelang ausgesessen, nicht angegangen" worden sind. "Wo wir immer die Botschaft bringen müssen, dass so ein schwerer Tanker, sich nicht von heute auf morgen in eine andere Richtung bewegen lässt."

Die gemeinsame Arbeit in der "Kenia"-Koalition bezeichnete Günther als "ordentlich". Es gebe natürlich "verschiedene Blickwinkel". "Diese Koalition ist vor allem eine Arbeits-Koalition", sagte Günther. Er könne sich durchaus eine schwarz-grüne Koalition in Sachsen und auf Bundesebene vorstellen. "Es geht um Themen, ich bin froh, dass das Lager-Denken vorüber ist", sagte Günther. Die kürzlich von Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) öffentlich geäußerte pauschale Grünen-Kritik, wies Günther als Griff in die "Mottenkiste" zurück. "Wie kann denn jemand, der jahrelang bestimmte Themen wie die Energiewende schlichtweg ausbremst, sich jetzt beschweren, dass einer das Thema beherzt angreift", so Günther. "Diese Stereotypen funktionieren nicht mehr."

Streitfall Abschiebung

Zum koalitionsinternen Streitfall um die nächtliche Abschiebung einer neunköpfigen georgischen Familie aus Pirna bekräftigte Günther seine Kritik am Vorgehen in diesem Fall. "Wir stehen nicht nur für ein weltoffenes Sachsen, sondern für einen bis ins Letzte menschlichen Umgang miteinander", sagt der stellvertretende Ministerpräsident. Dies sei auch im Koalitionsvertrag festgeschrieben. "Wir leben in einem Rechtsstaat, aber neben formal-juristischen Dingen, gibt es da noch eine menschlich Komponente."

Ob er für die nach Tiflis ausgeflogene Familie Imerlishvilli noch eine Chance auf baldige Rückkehr nach Sachsen sieht? "Das sehe ich eher sehr skeptisch", sagt Günther. Er könne auch nicht ausschließen, dass weitere Familien auf diese Weise aus Sachsen abgeschoben werden. Wichtig sei aber, dass es mehr Lösungsmöglichkeiten geben müsse für Familien, die so gut integriert sind wie die georgische Großfamilie. "Denn eigentlich suchen wir hier doch händeringende solche Leute", sagt Günther.

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