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Blackout und Bürgerkrieg: Prozess um geplante Lauterbach-Entführung

Geplante Minister-Entführung, Stromausfälle und ein Umsturz. Was über die Pläne von fünf Angeklagten bekannt ist und welche Rolle ein verdeckter Ermittler dabei spielt.

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Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sollte von einer Gruppe entführt werden, gegen die bald der Prozess wegen Terrorismus beginnt.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sollte von einer Gruppe entführt werden, gegen die bald der Prozess wegen Terrorismus beginnt. © Bernd von Jutrczenka/dpa (Symbolbild)

Koblenz. Es klingt wie ein Drehbuch für einen Thriller, war aber ein Plan für das reale Leben: Ein Gruppe namens "Vereinte Patrioten" wollte laut Anklage der Bundesanwaltschaft Deutschland ins Chaos stürzen. Dafür sollen sie einen Stromausfall und die Entführung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplant haben. Am kommenden Mittwoch (17.5.) beginnt der Prozess am Oberlandesgericht (OLG) Koblenz.

Rückblick: Vier Männer im Alter zwischen 44 und 56 Jahren waren im April 2022 an verschiedenen Orten in Deutschland festgenommen worden. Bei bundesweiten Durchsuchungen wurden Schusswaffen und Munition, Bargeld, Goldbarren, Silbermünzen und Devisen sichergestellt. Eine 75-jährige pensionierte Lehrerin wurde Mitte Oktober 2022 in Sachsen festgenommen. Alle sitzen in Untersuchungshaft.

Die mutmaßlichen Mitglieder tauschten sich nach früheren Angaben der Ermittler in einer Chatgruppe des Internet-Dienstes Telegram aus. Seit den Festnahmen ist einiges über ihre Pläne bekannt geworden - auch weil sich zwei der Männer bei den Vernehmungen "geständig eingelassen" hätten. Der "Aktionsplan" der Gruppe reicht vom Stromausfall bis zum Staatsstreich.

Laut Anklage sollte zunächst ein längerer bundesweiter Stromausfall, ein "Blackout", herbeigeführt werden. Unter dem Namen "Klabautermann" habe die Gruppe zudem die Entführung von Lauterbach aus einer Live-Talkshow geplant. Dieser solle, "gegebenenfalls nach Tötung seiner Personenschützer", gewaltsam entführt werden.

Angeklagte hatten zentrale Rolle in neuer Führung im Sinn

In den dann ausgelösten "bürgerkriegsähnlichen Zuständen" habe die Gruppe in Berlin eine konstituierende Versammlung etablieren wollen, die die bisherige Regierung absetzen sollte. Angedacht war unter anderem, den Bundespräsidenten oder Kanzler live im Fernsehen durch einen Schauspieler imitieren zu lassen - um die Absetzung bekanntzugeben. In der neuen Führung hätten sich vier der Angeklagten dann zentrale Funktionen zugedacht.

Juristisch klingt das in der Anklage der Bundesanwaltschaft so: Die vier Männer und die Frau seien verdächtig, eine terroristische Vereinigung gegründet oder darin Mitglied gewesen zu sein. Sie wirft ihnen zudem die Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gegen den Bund vor. Drei der Männer und die Frau sollen in der Gruppe Rädelsführer gewesen sein. Zwei der Männer sollen eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet haben.

Die Gruppe habe zum Ziel gehabt, "mittels Gewalt sowie zumindest unter Inkaufnahme von Todesopfern in Deutschland bürgerkriegsähnliche Zustände auszulösen und damit den Sturz der Bundesregierung und der parlamentarischen Demokratie herbeizuführen", schreibt die Bundesanwaltschaft in der Anklage. Die Vereinigung habe sich in zwei verschiedenen Bereichen organisiert, heißt es in einer Mitteilung des OLG: dem operativen "militärischen Zweig" und dem "administrativen Zweig". Zwei Männer sollen spätestens seit Oktober 2021 in verschiedenen Telegram-Chatgruppen, danach bei persönlichen Treffen, nach Unterstützung gesucht haben.

Gedankenwelt dreht sich um Ideen der "Reichsbürger"

Bei der Festnahme der Männer spielte ein verdeckter Ermittler eine zentrale Rolle, wie aus einem im November veröffentlichten Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) hervorging. Er sei monatelang "im unmittelbaren Umfeld der Beschuldigten" eingesetzt gewesen.

So abstrus die Pläne auf den ersten Blick wirken mögen, sie geben Einblicke in die mutmaßliche Gedankenwelt der Angeklagten. Laut Bundesanwaltschaft folgen sie einer Ideologie, nach der das Deutsche Reich auf Grundlage der Verfassung von 1871 weiter existiere. Das deckt sich mit den Ansichten sogenannter Reichsbürger, die der Bundesrepublik Deutschland die Legitimität absprechen. Der ehemaligen Lehrerin war aufgrund ihres "Reichsbürger"-Gedankenguts das Ruhegehalt aberkannt worden, wogegen sie sich vergeblich juristisch zur Wehr setzte.

In dieser Szene ist Bundesgesundheitsminister Lauterbach schon länger ein beliebtes Feindbild. Der Medizinprofessor und Epidemiologe hatte sich schon vor seiner Ernennung zum Minister im Dezember 2021 als Corona-Experte einen Namen gemacht. Er wurde damit zur Hassfigur in extremistischen Kreisen, die staatliche Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung in Deutschland ablehnen.

Lauterbach steht nach eigenen Angaben rund um die Uhr unter Personenschutz, wie er Anfang Mai in einem Interview mit "Zeit Online" sagte. "Wenn man mir vor 10 oder 15 Jahren gesagt hätte, dass ich mich mit Reichsbürgern herumschlagen muss, es zur Debatte steht, ob wir erschossen oder gekidnappt werden - dann hätte ich das für undenkbar gehalten." (dpa)