Update Politik
Merken

Ministerpräsidenten fordern leichtere Abschiebungen - Kretschmer sieht Einigkeit

Die Länderchefs verhandeln in Berlin über den Umgang mit steigenden Flüchtlingszahlen. Sachsens Ministerpräsident Kretschmer will seltene Länder-Einigkeit erkennen.

 4 Min.
Teilen
Folgen
Die MInisterpräsidenten Stephan Weil (Niedersachsen, SPD) Malu Dreyer (Rheinland-Pfalz, SPD) und Hendrik Wüst (NRW, CDU) kommen zu einer Pressekonferenz im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz.
Die MInisterpräsidenten Stephan Weil (Niedersachsen, SPD) Malu Dreyer (Rheinland-Pfalz, SPD) und Hendrik Wüst (NRW, CDU) kommen zu einer Pressekonferenz im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz. © dpa

Berlin. Die Bundesländer dringen angesichts gestiegener Flüchtlingszahlen auf eine leichtere Abschiebung von Menschen ohne Bleiberecht in Deutschland. In einem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) vom Donnerstag in Berlin heißt es, der Bund solle seine Anstrengungen intensivieren, Verträge mit den Herkunftsländern über eine Rücknahme ihrer Staatsbürger zu schließen.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) erklärte, bisher verweigerten es die Herkunftsstaaten häufig, Menschen ohne Bleiberecht wieder bei sich aufzunehmen. Daher solle es in einer Bund-Länder-Runde am 10. Mai mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nicht nur um die Finanzierung der Flüchtlingskosten gehen, sondern auch um die Frage, "wie kann es gelingen, dass weniger Menschen zu uns kommen, die am Ende des Tages kein Recht dazu haben".

Der Bund soll die Hälfte der Kosten tragen

In dem MPK-Beschluss heißt es weiter, auf europäischer Ebene seien weitere Anstrengungen nötig, um die Kontrolle und den Schutz der EU-Außengrenzen wirksamer auszugestalten. Ziel müsse ein solidarisches Verteilungssystem in Europa sein. Thüringen erklärte in einer Protokollnotiz, die europäische Flüchtlings- und Migrationspolitik müsse dringend so weiterentwickelt werden, dass eine legale und geordnete Migration möglich wäre, ohne Menschenleben zu gefährden.

Weil betonte das Grundrecht auf Asyl in Deutschland. "Aber wir müssen auch in der Lage sein, mit dieser Herausforderung tatsächlich fertig zu werden", sagte der SPD-Politiker. "Die Kommunen sind wirklich in echten Problemen, was die Unterbringung angeht." Während die Leistungen der Länder an die Kommunen zuletzt stark gestiegen seien, seien die Zuwendungen des Bundes gesunken. "Vom Bund muss mehr kommen", forderte Weil. Das gelte für die Unterbringung von Asylbewerbern ebenso wie für die von Menschen aus der Ukraine.

Sowohl Weil als auch sein nordrhein-westfälischer Amtskollege Hendrik Wüst (CDU) forderten, der Bund solle die Hälfte der Kosten tragen, die aus der Aufnahme der Asylbewerber und Ukrainer entstehen.

Kretschmer kritisiert Annalena Baerbock

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sieht die Bundesländer mit ihren Forderungen auf einer Linie. "In alle Ruhe, aber auch in aller Klarheit haben gerade 16 Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten deutlich gemacht: So geht es nicht weiter. Die Anzahl der Menschen, die nach Deutschland kommt, muss sich drastisch reduzieren. Und das kann nur die Bundesregierung klären", sagte Kretschmer am Rande der Konferenz.

Die Bundesregierung müsse aufhören, in Brüssel und in Europa eine Einzelposition zu vertreten. Natürlich müsse die Grenze zwischen Bulgarien und der Türkei gesichert werden - "auch mit Zäunen."

"Frau Baerbock muss aufhören, durch die Welt zu fahren und freiwillige, zusätzliche Aufnahmeprogramme zu vereinbaren, die dann von Ländern und Kommunen abgearbeitet werden müssen. Das geht so nicht weiter", sagte Kretschmer an die Adresse von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) gewandt.

Zudem müsse man über die Finanzen für die Unterbringung von Flüchtlingen und Rückführungsabkommen für abgelehnte Asylbewerber sprechen. Auch hier sei der Bund in der Pflicht. Man brauche ein Gegensteuern. In den Kommunen fehle Wohnraum für Betroffene, außerdem fehle Personal für die Integration. "Deswegen muss der Bund jetzt handeln."

Die weiteren MPK-Themen im Überblick

Infrastruktur - Deutschland muss schneller werden bei allen Fragen der Planung", sagte Wüst. Dass der mit dem Bund vereinbarte Pakt für Planungsbeschleunigung seit Mai nicht vorangekommen sei, sei "grotesk". Nur mit schnelleren Genehmigungen auch bei Energieprojekten könne Deutschland seine Klimaziele erreichen.

"Wir sind in Deutschland gerade im Infrastrukturbereich zu kompliziert und deswegen zu langsam. Wir müssen einfacher werden, und wir müssen schneller werden", kritisierte auch Weil. Im MPK-Beschluss fordern die Länder den Bund auf, den geplanten Pakt für schnellere Verfahren jetzt schnellstmöglich voranzubringen.

Energie - Die nach wie vor hohen Strom- und Gaspreise bedrohen nach Ansicht der Länder die internationale Wettbewerbsfähigkeit energieintensiver Unternehmen. "Mittel- und langfristig ist das Schreckgespenst Deindustrialisierung wirklich real", sagte Wüst. Der Bund soll laut MPK-Beschluss daher rasch einen wettbewerbsfähigen Industriestrompreis ermöglichen. Die Länder dringen zudem auf eine bessere Absicherung des Energiehandels, insbesondere für Stadtwerke und kleinere Versorger.

Medien - Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sollen künftig strengere und einheitliche Regelungen in Sachen Transparenz, Gremienkontrolle und regelgerechtes Verhalten gelten. Die Länderchefs reagieren damit auf die Krisen bei den ARD-Anstalten Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) und Norddeutscher Rundfunk (NDR). Als Beispiel für mehr Transparenz nannte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) als Vorsitzende der Rundfunkkommission die Offenlegung der Kosten für Produktionen oder der Gehälter von Führungskräften.

Die Länderchefs einigten sich zudem auf einen Nachfolger für Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) im ZDF-Verwaltungsrat. Söders Platz in dem Kontrollgremium wird Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) übernehmen. (dpa)