Wie Armin Laschet um die Stimmen der Sachsen buhlt

Nur nicht so schüchtern“, ermuntert Armin Laschet eine Doktorandin aus China. Die junge Frau steht in respektvollem Abstand neben ihm. Fürs Gruppenbild sollten doch alle ein bisschen näher an ihn heranrücken, fordert der Kanzlerkandidat die umstehenden Mitarbeiter des Dresdner Werks von Globalfoundries auf. Ein Pulk von Kamera-Teams, Fotografen und aus Berlin mitgereisten Journalisten steht ihnen gegenüber. Jeder trägt Maske, hinter der jedes potenzielle Lächeln verschwindet.
Die Dresdner CDU-Bundestagskandidaten drängen sich dicht an Laschet. Nur so, eng neben ihm, hat man die Chance, auf jedes Foto zu kommen. Eine seltene Gelegenheit, noch fehlt die Bundesprominenz in diesem Wahlkampf, wenn man überhaupt schon von Wahlkampf sprechen kann. Auch das Laschet-Team tut es nicht an diesem Donnerstagmorgen in Dresden. „Sommertour“ sind die hektischen Reise-Tage überschrieben, in der ein durch aktuell schlechte Umfrage-Werte aufgescheuchter Kanzlerkandidat hektisch durch die Lande fährt und fliegt.
Eigentlich sollte die Tour bereits in der vergangenen Woche beginnen. Doch die Hochwasser-Katastrophe hatte die Pläne davongespült. Fotos von einem auf einem Waldlehrpfad wanderndem Kandidaten oder weintrinkend beim Winzer? Passt gerade schlecht zu den Katastrophen-Bildern aus der Heimat des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten.
Laschet verspricht schnellere Entscheidungen
Seit Mittwoch nun tourt Laschet nach und nach die einzelnen Schwerpunkte des Unions-Programms ab. Sie sollen bebildert und damit forciert werden. Heute steht Technologie, Wissenschaft und Halbleiter über der Tages-Etappe. Da passt das Vorzeige-Werk des Dresdner Chip-Riesen genau ins Bild. „So viel Presse hatten wie noch nie“, raunt eine Mitarbeiterin. Während der CDU-Wahlkampf-Bus geduldig auf dem Parkplatz des riesigen Werksgeländes in Dresden-Wilschdorf wartet und ein übergroßer Armin Laschet gütig von ihm herablächelt.
Jeder dritte Chip in Europa kommt mittlerweile von Globalfoundries aus Dresden. Das Unternehmen hat jüngst angekündigt, seine Produktion in Dresden weiter auszubauen. Rund eine Milliarde US-Dollar sollen bis 2022 in den Standort fließen. Und es soll noch mehr werden: Angesichts des weltweit enorm ansteigenden Chip-Bedarfs wolle Globalfoundries seine Kapazitäten um das zwei- bis zweieinhalbfache ausbauen, bekräftigt Werkschef Manfred Horstmann bereits bekannte Pläne.
Für ein neues Fertigungsmodul könnten bis 2030 noch mal vier Milliarden Dollar dazukommen. Aber es geht nur mit staatlicher Unterstützung, hängt aber nicht nur davon ab. Das Wunsch-Tempo des Wachstums scheint derzeit durch bürokratische Verwaltungsprozessen ausgebremst zu werden, deutet Horstmann vorsichtig an. Er nehme die Aufgabe mit, verspricht Laschet öffentlich. Er werde für „schnellere Entscheidungen und Plan-Feststellungsverfahren“ sorgen.
Keinen leichten Stand im Osten
Keine Frage, dass sich ein Unions-Kanzlerkandidat Laschet für den weiteren Ausbau des Dresdner Chip-Werkes ausspricht. „Wir wollen, dass es hier weitergeht“, bekennt er öffentlich. Jedes Wort ist ein verbales Schulterklopfen. „Der Wille der Bundesregierung ist da.“ Er sei sich des harten internationalen Wettbewerbs in der Halbleiter-Industrie bewusst, sagt Laschet. Europa müsse mithalten, brauche „Chip-Autonomie“. „Wenn wir die Halbleiter-Technologie in Europa halten wollen, dann machen wir das in Dresden“, lobte er das Ende der 90er Jahre erbaute und ständig modernisierte und erweiterte Chip-Werk.
Es sei „eine weitsichtige und sehr richtige Entscheidung“ bereits unter Bundeskanzler Helmut Kohl und Alt-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf gewesen, die Kompetenz, die es bereits vor der Wiedervereinigung in Sachsen gab, unmittelbar zu nutzen und mit öffentlicher Unterstützung die Halbleiter-Industrie am Standort zu halten und auszubauen. Kohl und Biedenkopf – die Namen „ziehen“ in Sachsen, weiss Laschet. Jedes Wort ist der Versuch eines verbalen Schulterklopfens.
Armin Laschet hat keinen leichten Stand im Osten, schon gar nicht in Sachsen. Nicht einmal bei den eigenen Parteifreunden im Freistaat. Viele von ihnen sind noch immer doppelt enttäuscht – erst hatten sie sich Friedrich Merz als Parteichef gewünscht, dann Söder als Kanzlerkandidaten. Bekommen haben alle Laschet.
Kandidaten belauern sich gegenseitig
Der weiß, dass er in den nächsten Wochen kräftig „nachlegen“ muss, wenn er selbst im Vorzeige-Industrieland Sachsen eine Chance haben will. Und so bemüht sich Laschet auch bei dieser Stippvisite in Dresden, im Korsett eines äußerst eng gedrängten Kurz-Programms in Dresden trotz aller Widrigkeiten möglichst klar, locker und freundlich rüberzukommen. Wer ist denn hier alles aus Aachen oder hat dort studiert“, fragt er in die zuvor arrangierte Mitarbeiter-Runde. Es wirkt unsicher, ein wenig unbeholfen, irgendwie eckig.
Er habe sich ganz bewusst dafür entschieden, zu Beginn seiner „Sommertour“ eine Station im Osten zu besuchen, sagt Laschet, kurz bevor er aufbricht zum nächsten Termin in Torgau, wo er am Donnerstag Helfer des Technischen Hilfswerkes trifft. Wann der Wahlkämpfer nochmal wiederkommt und wohin in Sachsen – das stehe noch nicht fest, heißt es von der CDU, die zum Dresdner Termin auch erst zwei Tage davor eingeladen hatte.
Doch auch die Termine von Grünen-Kontrahentin Annalena Baerbock und SPD-Konkurrent Olaf Scholz in Sachsen sind noch nicht bekannt. Es wirkt, als würde man sich gegenseitig belauern und die Schachzüge der Anderen abwarten, um zu reagieren. Keiner will sich in die Karten blicken lassen. Nur ein Besuch der Kanzlerin gilt bereits als sicher. Angela Merkel (CDU)wird am 9. September zu ihrem voraussichtlich letzten Besuch in diesem Amt nach Sachsen kommen, aber nur, um eine Ausstellung zu eröffnen. Wahlkämpfen muss Laschet alleine.