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Bei der Union träumt niemand mehr von Jamaika

Beim Deutschlandtag der Jungen Union in Münster wird deutlich: Die Union stellt sich auf Opposition ein. Schonungslose Kritik und kämpferische Töne sind zu hören.

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"Den Wahlkampf, die Kampagne habe ich zu verantworten und sonst niemand." Armin Laschet, CDU-Bundesvorsitzender und Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, beim Deutschlandtag der Jungen Union in Münster.
"Den Wahlkampf, die Kampagne habe ich zu verantworten und sonst niemand." Armin Laschet, CDU-Bundesvorsitzender und Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, beim Deutschlandtag der Jungen Union in Münster. © Marcel Kusch/dpa

Münster. Drei Wochen nach der historischen Wahlniederlage der Union haben Spitzenpolitiker von CDU und CSU ihre Partei auf einen Neuanfang in der Opposition eingeschworen. Unionskanzlerkandidat und CDU-Chef Armin Laschet übernahm die alleinige Verantwortung für das miserable Abschneiden der Union bei der Bundestagswahl. "Wir haben ein bitteres Ergebnis erzielt", sagte er am Samstag beim Deutschlandtag der Jungen Union (JU) in Münster. "Nichts lässt sich schön reden. Die Verantwortung trage ich als Vorsitzender und Kanzlerkandidat." Und: "Den Wahlkampf, die Kampagne habe ich zu verantworten und sonst niemand." Die JU als Nachwuchsorganisation machte den Mutterparteien Dampf.

Laschet zeigte deutlich, dass er die Union in einer Oppositionsrolle im Bund sieht. In der Opposition sei es besonders wichtig, "gemeinsam und einheitlich aufzutreten" und "klug und intelligent den Finger in die Wunde zu legen", wenn eine künftige Regierung Fehler mache. CSU-Generalsekretär Markus Blume rief die Union zu einer starken Oppositionsarbeit auf. "Wir müssen jetzt die Realität anerkennen: Wir sind Opposition. Aber wir sind eine starke Opposition." Nachdem die Spitzen von SPD, Grünen und FDP für Koalitionsverhandlungen plädiert hatten, stehen die Zeichen in Berlin nun auf Ampel.

Friedrich Merz (l), früherer CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender im Bundestag, bedankt sich neben Tilman Kuban, Vorsitzender der Jungen Union (JU), für das Paar Sneaker, das er beim Auftakt des Deutschlandtages der Jungen Union bekam.
Friedrich Merz (l), früherer CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender im Bundestag, bedankt sich neben Tilman Kuban, Vorsitzender der Jungen Union (JU), für das Paar Sneaker, das er beim Auftakt des Deutschlandtages der Jungen Union bekam. © Bernd Thissen/dpa

Beim Deutschlandtag stand eine Erneuerung nach dem Absturz auf 24,1 Prozent im Mittelpunkt. Mehrere jüngere Umfragen sehen die Union aktuell sogar bei unter 20 Prozent. Die CDU will ihren Parteivorstand bei einem Sonderparteitag neu wählen. Laschet mahnte auch mit Blick auf mehrere anstehende Landtagswahlen, es müsse wieder gegen den politischen Gegner gehen und "nicht gegeneinander in der Unionsfamilie". Er will eigene politische Ambitionen zurückstellen. Die Delegierten zollten Laschet Respekt für seine selbstkritische Analyse. JU-Chef Tilman Kuban sprach von "brutaler Ehrlichkeit", von "wahrer Größe". Der Deutschlandtag setze nun einen "Kernimpuls des Neuanfangs".

CSU-Chef Markus Söder hatte kurzfristig abgesagt, was viele Delegierte kritisierten. Söder war im internen Ringen um die Kanzlerkandidatur unterlegen gewesen und hatte immer wieder gegen Laschet gestichelt. In der "Welt am Sonntag" warb er nun für ein neues Miteinander der beiden Schwestern. "In Stil und Inhalt sollten wir wieder enger zusammenrücken, anstatt öffentlich übereinander zu reden", meinte Söder. Die CSU werde, wenn es gewünscht sei, mithelfen, die Union zu stabilisieren. Auf die Frage eines Delegierten, warum Söder sich in Münster nicht einer Aussprache stelle, antwortete Blume, Söder sei vor einer Woche bereits bei der JU Bayern gewesen - und zu inhaltlicher Analyse und Klartext bereit.

Gesundheitsminister Jens Spahn bemängelte Misstrauen und Zerrissenheit. Er räumte ein: "Es war ein beschissenes Wahlergebnis und die Lage ist es auch." Die Union werde eine konstruktive Opposition sein. Zugleich gab er sich kämpferisch: "Die CDU ist nicht erledigt." Spahn rief zu Teamgeist statt "Schaulaufen" auf. "Es geht hier doch nicht um Armin, Friedrich, Jens, Ralph oder wen auch immer", rief er unter großen Beifall in der Halle. "Die Union ist größer als jeder von uns." Als Anwärter für die Nachfolge Laschets werden Spahn, der Wirtschaftsexperte Friedrich Merz, Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus oder der Außenpolitiker Norbert Röttgen genannt.

"Die CDU ist nicht erledigt." Jens Spahn (CDU), Bundesminister für Gesundheit, in Münster.
"Die CDU ist nicht erledigt." Jens Spahn (CDU), Bundesminister für Gesundheit, in Münster. © Marcel Kusch/dpa

Brinkhaus dankte Angela Merkel (CDU) für 16 Jahre Kanzlerschaft. "Deutschland wurde in den vergangenen 16 Jahren besser regiert als die meisten anderen Länder der Welt." Die Partei brauche nach dem "vernichtenden" Wahlergebnis wieder Zuversicht. "Wir haben eine Wahl verloren, sollten aber unseren Stolz nicht verlieren." Das Sondierungspapier von SPD, Grünen und FDP nannte Brinkhaus am Sonntag "die strammste Linksagenda, die wir seit Jahrzehnten gehabt haben". Als Ziel gab er aus: "Die wieder aus dem Bundeskanzleramt rauszuhauen."

Merz hatte seine Partei zu Beginn der Tagung am Freitag aufgefordert, nicht Personalfragen in den Mittelpunkt zu stellen, sondern die inhaltliche Aufstellung. "Wir sollten uns ausschließlich mit der Frage beschäftigen, wie kommen wir da wieder raus?" Laschet wies trotz aller Selbstkritik Merz' Darstellung zurück, die Union sei ein "insolvenzgefährdeter schwerer Sanierungsfall". NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann warf seiner Partei vor, die Wähler-Bedürfnisse aus dem Blick verloren zu haben. "Wo bleibt da die Lebenswirklichkeit der Leute, die einen ganz normalen Job haben?", fragte der CDU-Politiker.

Laschets designierter Nachfolger für seine Ämter als NRW-Ministerpräsident und Landesparteichef, Hendrik Wüst, appellierte: "Wir haben die Bundestagswahl verloren, ja. Und nach Lage der Dinge haben wir auch die Regierungsbeteiligung verloren, ja. Aber wir dürfen nicht auch noch unsere Haltung, unser Benehmen und unsere Selbstachtung verlieren." Um die Landtagswahl in NRW im Mai 2022 zu gewinnen, müsse die Partei wieder die politische Mitte zurückerobern, stellte Verkehrsminister Wüst klar. Laschet hatte ihn kürzlich als seinen Nachfolger in Nordrhein-Westfalen vorgeschlagen.

Ralph Brinkhaus (r), Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, gab das Ziel aus, "Die (SPD, Grüne und FDP - Anm. d. Red.) wieder aus dem Bundeskanzleramt rauszuhauen."
Ralph Brinkhaus (r), Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, gab das Ziel aus, "Die (SPD, Grüne und FDP - Anm. d. Red.) wieder aus dem Bundeskanzleramt rauszuhauen." © Bernd Thissen/dpa

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak übernahm Mitverantwortung für das Wahldebakel. Die CDU habe in allen Bereichen verloren. Eine Ursache sei mangelndes Profil. Eine Volkspartei brauche klare Antworten - etwa bei Fragen wie Mindestlohn oder Migration. "Rumlabern hilft nicht." Die Delegierten gingen in schonungsloser Debatte auch mit den Generalsekretären hart ins Gericht.

Wirtschaftspolitiker Carsten Linnemann meinte, nach dem Abstieg der Union von der ersten in die zweite Liga gehe es jetzt um "Demut, um Haltung, aber auch um Zukunft." Er sprach sich "in dieser ganz besonderen Situation" für einen Mitgliederentscheid zum Parteivorsitz aus. "Wir müssen wieder eine Mitgliederpartei werden." Laschet zeigte sich dagegen skeptisch. Die Vorsitzende der Gruppe der Frauen in Unions-Bundestagsfraktion, Yvonne Magwas, plädierte für eine paritätisch besetzte CDU-Doppelspitze.

Viel Zuspruch bekam der JU-Vorschlag, als "belastbare Brücke" zwischen CDU und CSU einen Unionsrat als neues Gremium zu schaffen, der auch die Kanzlerkandidatenkür künftig vorbereiten solle. Der Bundesvorstand rechnete in einem Antrag mit den Mutterparteien ab. "Armin Laschet konnte die Herzen der Menschen leider nicht erreichen. Ganz im Gegenteil: Viele Wähler haben der Union wegen des Personalangebots die Stimme nicht gegeben", hieß es dort. "Eine solche Kandidatur ist aber keine One-Man-Show." Nur wenige im Bundeskabinett seien im Wahlkampf hilfreich gewesen. Auch die Spitzen von CDU und CSU hätten "keine gute Figur abgegeben". Und: "Wir haben aus eigener Schwäche verloren, nicht wegen der Stärke der anderen." (dpa)