Karlsruhe/Magdeburg. Das höchste Verfassungsgericht in Deutschland hat übernommen. Der Machtpoker in Sachsen-Anhalt zwischen Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), seinen eigensinnigen Christdemokraten, den Koalitionspartnern SPD und Grünen und angepeitscht durch eine starke AfD in der Opposition ist vom Zankapfel Rundfunkbeitrag nun losgelöst. Es geht um die Frage, ob Haushalte tiefer in die Tasche greifen sollen und einen um 86 Cent höheren Rundfunkbeitrag ab dem 1. Januar 2021 zahlen: 18,36 Euro statt 17,50 Euro.
Das Bundesverfassungsgericht könnte Aufschluss geben, wie die Blockade Sachsen-Anhalts vor einer Woche gegen das Beitragsplus zu deuten ist. Magdeburg setzte sich über den Willen der anderen Länder hinweg, die 86 Cent mittragen. Es müssen alle Länder Ja sagen, deshalb liegt das Vorhaben auf Eis. Die Richter könnten noch im Dezember eine Entscheidung zu einem Eil-Antrag der Sender treffen, in dem Hauptverfahren wird es erst später ein Urteil geben. Eine Anhörungsfrist für die Länder in der Eil-Sache lief am Mittwoch ab. Was das alles für die Geldbeutel der Bürger bedeuten wird? Unklar.
Die regierende CDU hätte im Landtag in Magdeburg mit der AfD eine Mehrheit gegen 18,36 Euro bilden können und damit das Auseinanderbrechen von Schwarz-Rot-Grün riskiert. Ministerpräsident Haseloff zog die Reißleine und nahm den Gesetzentwurf zum Staatsvertrag wenige Tage vor der Abstimmung zurück. ARD, ZDF und Deutschlandradio klagten in Karlsruhe.
Öffentlicher Rundfunk als komplexes System
Am zähen Magdeburger Krach wurde abseits der politischen Dimension auch deutlich, wie komplex das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem ist. Die Länder sind auf der einen Seite: Sie steuern die Medienpolitik und beauftragen die Sender, greifen aber nicht ins Programm ein – Prinzip Staatsferne. Neben dem Auftrag wird auch dessen Finanzierung festgelegt: der Rundfunkbeitrag.
Auf der anderen Seite stehen ARD, ZDF und Deutschlandradio. Sie sind für Programminhalte samt Haushalt mit Personalkosten, Investitionen und konkrete Sparvorhaben in ihren Häusern zuständig.
In Sachsen-Anhalt wurde der Streit um 18,36 Euro so hochgejazzt, dass es mitunter Verwischungen bei dieser Rollenaufteilung gab. Aus der CDU tauchte etwa die Frage auf: Braucht es so viele Programme? Das ist in Staatsverträgen zum Sender-Auftrag geregelt – die Politik richtete die Frage quasi an sich selbst und das überdies zu einem Zeitpunkt, als es bereits um die Beitragshöhe für den Auftrag ging. Die Koordinatorin der Länder-Rundfunkkommission und rheinland-pfälzische Medienstaatssekretärin, Heike Raab (SPD), machte diese Woche klar: „Wir sind uns darin einig, dass die Entscheidung über die Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht mit medienpolitischen Forderungen verquickt werden darf.“ Die Länder unterstützen bis auf Sachsen-Anhalt die Verfassungsbeschwerden in Karlsruhe.
Die öffentlich-rechtlichen Sender haben in Deutschland hohe Marktanteile. Beim älteren Publikum sind sie höher als beim jüngeren. Zugleich stehen ARD, ZDF und Deutschlandradio immer wieder in der Kritik. Der Rundfunkbeitrag ist die Haupteinnahmequelle der Sender. 2019 kamen rund acht Milliarden Euro zusammen, die Haushalte, Firmen und Institutionen aufbrachten. Für die nächsten vier Jahre wurde eine Finanzlücke von 1,5 Milliarden Euro prognostiziert - so kommen die 86 Cent Rundfunkbeitragsplus zusammen. Es wäre die erste Erhöhung seit 2009. (dpa)