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KSK: Krankenstand besorgniserregend hoch

Die Vorfälle in der Eliteeinheit schlagen politisch hohe Wellen - und gehen auch vielen Soldaten an die Nieren. In Sachsen wird ein Fall vor Gericht verhandelt.

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Fast ein Drittel des Kommandos Spezialkräfte war oder ist in Behandlung. Laut einem Sprecher ist die Abteilung aber dennoch einsatzbereit.
Fast ein Drittel des Kommandos Spezialkräfte war oder ist in Behandlung. Laut einem Sprecher ist die Abteilung aber dennoch einsatzbereit. © Kay Nietfeld / dpa (Archiv)

Der Krankenstand im Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr ist nach Extremismus-Vorfällen und öffentlicher Debatte um den Zustand der Einheit besorgniserregend hoch. "Rund 100 der zirka 1.600 Angehörigen des Verbandes bekommen zur Zeit Unterstützung. Diese reicht vom Gespräch mit dem Standortpfarrer bis zur klinischen Behandlung", sagte ein Sprecher des Heeres am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. "Hier spielen Ängste um die Auflösung des Standortes und Anfeindungen aus dem zivilen und privatem Umfeld eine Rolle." Er versicherte, dass das Kommando Spezialkräfte weiterhin einsatzbereit sei.

Über die gesundheitliche Lage hatte am Freitag zunächst das Magazin "Focus" berichtet. Nach diesen Angaben war fast ein Drittel der Kommandosoldaten in Behandlung. Ein behandelnder Facharzt für Psychiatrie sagte dem "Focus", ein Großteil der erkrankten Soldaten leide unter der seelischen Störung "Moral Injury". Dieser aus der angelsächsischen Militärmedizin stammende Fachbegriff beschreibe unter anderem den Verlust der moralischen Identität, hervorgerufen durch ständige Schuldzuweisungen aus der Öffentlichkeit und Vertrauensentzug militärischer Vorgesetzter.

Der Sprecher des Heeres sagte, zu weiteren Details der Zahlen äußere sich die Bundeswehr aus Gründen der "operativen Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland" nicht. Die seelische und körperliche Gesundheit der Soldaten habe aber oberste Priorität. "Jeder erkrankte Kamerad, jede erkrankte Kameradin bekommt professionelle Hilfe. Die aktuelle Diskussion um das Kommando Spezialkräfte wirkt sich natürlich auf das innere Gefüge des Verbandes aus", sagte der Sprecher. "Auch sehen viele Angehörige 25 Jahre nach der Aufstellung des KSK ihr Lebenswerk in Gefahr."

Offizier räumt Unregelmäßigkeiten bei Übungen ein

Im Prozess um das Waffenversteck eines KSK-Soldaten aus Sachsen räumte ein Offizier am Freitag Unregelmäßigkeiten bei der Munitionsausgabe während Gefechtsübungen des Kommandos ein. Es habe Schießen gegeben, bei denen die vorgeschriebene Trennung zwischen dem Leitenden der Übung und dem Ausgeber der Munition augenscheinlich nicht erfolgt sei, sagte ein Oberstleutnant des KSK als Zeuge vor dem Landgericht Leipzig. Bei speziellen Gefechtsübungen, die über Stunden und auch Tage gingen, habe sich jeder Soldat so viel Munition genommen, wie er zu brauchen glaubte.

Das System habe auch auf Vertrauen basiert und in der Verantwortung des Leitenden der Schießübungen gelegen, der sich an die Vorschriften zu halten habe. Alle Soldaten seien aber darüber belehrt worden, dass Verstöße mit Freiheitsstrafen geahndet werden können. Geheime Munitionskisten habe es seiner Kenntnis nach nicht gegeben, betonte der 44-Jährige, der aber erst seit 2019 in der Einheit tätig ist.

Ein 46 Jahre alter Elitesoldat der Spezialeinheit muss sich wegen Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, das Waffengesetz und das Sprengstoffgesetz verantworten. Bei einer Durchsuchung seines Grundstücks in Collm (Landkreis Nordsachsen) hatten die Ermittler im vergangenen Mai unter anderem zwei Kilogramm professionellen Sprengstoff sowie Schriften mit rechtsextremen Inhalten entdeckt. Zudem hatte der Soldat im Garten mehrere Tausend Stück Gewehr- und Pistolenmunition, ein Sturmgewehr AK47, eine Armbrust, eine Nebelhandgranate sowie Schusswaffen und Waffenteile vergraben. Der Angeklagte war jahrelang Leitender bei Schießübungen des KSK.

Kommandeur droht Disziplinarverfahren

Der Zeuge - als Offizier beim KSK für Waffenbewirtschaftung zuständig - betonte, dass die Gefechtsübungen beim KSK deutlich komplexer gewesen seien als bei herkömmlichen Schießübungen der Bundeswehr. So sei sehr viel mehr Munition verschossen worden, bei einwöchigen Übungen auch schon mal im sechsstelligen Bereich. Anschließend sei nicht überprüft worden, wie viel jeder einzelne Soldat verschossen hatte. Der Oberstleutnant betonte, dass ihm keine geheimen Munitionskisten bekannt seien.

Der Fall ist auch politisch brisant, nachdem bekannt geworden war, dass die Elitesoldaten von März bis Mai vergangenen Jahres gehortete oder womöglich auch gestohlene Munition abgeben konnten, ohne dass Konsequenzen drohten. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) prüft wegen der Unregelmäßigkeiten im Umgang mit Munition beim KSK ein gerichtliches Disziplinarverfahren gegen den Kommandeur. Dieser hatte die straffreie Sammelaktion für Munition am 1. April 2020 nach dem Stand der Untersuchung eigenständig durch mündlichen Befehl angeordnet.

Nach Angaben des Oberstleutnants vom Freitag wurden dabei mehr als 50.000 Munitionsartikel abgegeben. Erkenntnisse, woher diese stammen, gebe es aber nicht. Zudem seien die abgelieferten Artikel zuvor beim KSK nicht als Differenz aufgetaucht und somit nicht vermisst worden. Ein großer Anteil der Munition sei auch alt gewesen. (dpa)