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Rufe nach Auflösung der Werte-Union - Otte lässt Vorsitz ruhen

Nachdem der CDU-Politiker Otte eine Bundespräsidenten-Kandidatur auf AfD-Ticket angekündigt hat, zog seine Partei die Reißleine.

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Max Otte, Vorsitzender der konservativen Werte-Union schließt nicht aus, für die AfD als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten anzutreten.
Max Otte, Vorsitzender der konservativen Werte-Union schließt nicht aus, für die AfD als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten anzutreten. © Kay Nietfeld/dpa (Archiv)

Berlin. Nach der Aufstellung des Chefs der erzkonservativen Werte-Union, Max Otte, als Bundespräsidenten-Kandidat der AfD wird der Ruf nach einer Auflösung des Vereins laut. Ottes Vorgänger Alexander Mitsch sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND), Otte habe "mit der Kandidatur eine rote Linie überschritten". Nach der Wahl von Friedrich Merz zum CDU-Vorsitzenden "sollte sich die Werte-Union nun geordnet auflösen".

Otte kündigte an, er werde sein Vorsitzendenamt und alle anderen parteipolitischen Aktivitäten "aus Respekt vor dem Amt des Bundespräsidenten und seiner Würde" bis nach der Bundesversammlung am 13. Februar ruhen lassen.

Die CDU-Spitze hatte dem 57-Jährigen am Vortag als Konsequenz aus seiner Kandidatur für die AfD mit sofortiger Wirkung seine Mitgliedsrechte entzogen. Zudem wurde ein Verfahren zum Ausschluss Ottes aus der Partei eingeleitet.

Der Deutschen Presse-Agentur in Berlin teilte Otte mit, er habe die Entscheidung des CDU-Vorstands zur Kenntnis genommen. Zugleich erklärte er: "Sollte die CDU noch einen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten nominieren, der sich aktiv dafür einsetzt, die Spaltung des Landes zu überwinden, ziehe ich meine Kandidatur zurück." Die CDU hat sich entschieden, keinen eigenen Kandidaten aufzustellen, sondern bei der Bundesversammlung Amtsinhaber Frank-Walter Steinmeier zu unterstützen.

Zu der Sondersitzung des CDU-Bundesvorstands am Dienstag waren auch der Kreisvorsitzende des Kreisverbands Köln und der nordrhein-westfälische CDU-Landesverband zugeschaltet. Der 57-jährige Otte hatte zuvor einen Austritt aus der CDU abgelehnt.

Otte trat am Dienstagnachmittag gemeinsam mit AfD-Chef und Co-Fraktionschef Tino Chrupalla und Co-Fraktionschefin Alice Weidel im Bundestag vor die Kameras. "Ich sehe es nicht als Provokation an. Es ist mir ernst", sagte er zu seiner Kandidatur. Er wolle Gräben zuschütten. "Wenn man vorgeschlagen wird für das höchste Staatsamt, was über den Parteien steht, ist das in meinen Augen keine Zusammenarbeit. Es ist eine individuelle Entscheidung, ob ich diesen Vorschlag annehme oder nicht", sagte Otte.

Laschet und Merz für Partei-Ausschlussverfahren

Chrupalla nannte ihn einen "honorigen Politiker". Weidel sagte, man habe mit Otte einen ehrwürdigen Bundespräsidentenkandidaten. Dem Vernehmen nach gab es innerhalb der AfD auch eine gewisse Freude darüber, die CDU mit dem Schritt düpiert zu haben.

Der noch amtierende CDU-Chef Armin Laschet und sein Nachfolger Friedrich Merz hatten sich für die rasche Einleitung eines Parteiausschlussverfahrens gegen Otte ausgesprochen. "Es gibt einen sehr harten und klaren Schnitt", sagte Merz nach Teilnehmerangaben in einer Online-Sitzung der Unionsfraktion im Bundestag. Otte habe sich schon lange weit von der Union entfernt. "Wir werden ihm heute Abend zeigen, dass wir sehr schnell und sehr eindeutig handeln", sagte Merz.

Laschet wurde aus Teilnehmerkreisen mit den Worten zitiert: "Dieser Otte und auch die Werte-Union ist uns jahrelang auf der Nase herumgetanzt." Jeder wisse, wie schwer ein Ausschlussverfahren sei. "Jetzt ist eine Schwelle überschritten."

Maaßen und Patzelt wollen aus Werte-Union austreten

Für die CDU-Spitze und Merz könnten die Entwicklungen eine Chance sein, Kante zu zeigen. Merz hatte im "Spiegel" angekündigt, mit ihm werde es "eine Brandmauer zur AfD geben". Von der Werte-Union ist die CDU-Führung seit Jahren genervt. Im Bundestagswahlkampf musste sich Kanzlerkandidat Laschet wegen der Bundestagskandidatur des früheren Verfassungsschutzchefs Hans-Georg Maaßen, bisher Mitglied der Werte-Union, immer wieder vorhalten lassen, sich nicht ausreichend gegen Rechtsaußen abzugrenzen.

Maaßen verkündete am Dienstag seinen Austritt aus der Gruppierung. "Es ist nicht akzeptabel, dass sich ein Unionsmitglied als Bundespräsidentenkandidat von der AfD aufstellen lässt", sagte er der Deutschen Presse-Agentur zur Begründung.

Auch der Dresdner Politikwissenschaftler Werner Patzelt, der Ende 2019 der Werte-Union beigetreten ist, erklärte auf Facebook, dass er aufgrund Ottes Kandidatur für die AfD aus der Werte-Union austreten will. "Das jetzt schon eingetretene Ergebnis dieser ohnehin erfolglos bleibenden Kandidatur ist der völlige Einflussverlust der WerteUnion bei der schwierigen Aufgabe, die CDU wieder auf einen politischen Erfolgskurs zu bringen." Zudem würden sich jetzt all jene in ihrem Urteil bestärkt fühlen, welche die Werte-Union ohnehin nur als Hilfstruppe der AfD ausgegeben hätten, schreibt Patzelt weiter.

Otte nimmt an einer Pressekonferenz der AfD mit Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende der AfD, teil.
Otte nimmt an einer Pressekonferenz der AfD mit Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende der AfD, teil. © dpa

Die Reaktionen von CDU-Größen auf Ottes Kandidatur waren einhellig. Laschet schrieb bei Twitter: "Von der AfD als Präsidentschaftskandidat nominiert zu werden, ist keine Ehre, sondern eine Schande." Wer dies als Christdemokrat überhaupt erwäge, schädige das Ansehen der Union, verletze ihre Werte und habe in der CDU nichts verloren. "Das, was ich von Herrn Otte wahrnehme, hat nichts mit der CDU zu tun", sagte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst der "Rheinischen Post". "Er hat bei uns nichts verloren." Nach Angaben aus Ottes Kölner Kreisverband wurde die Einleitung eines Ausschlussverfahrens in Absprache mit dem nordrhein-westfälischen Landesverband und der Bundespartei bereits vereinbart.

„Seit seiner Wahl zum Bundesvorsitzenden im Mai 2021 hat Prof. Dr. Max Otte, unterstützt durch einen willfährigen Bundesvorstand, den WerteUnion-Bundesverband durch Radikalisierung in die politische Isolation und Bedeutungslosigkeit geführt. Insofern können wir nur begrüßen, falls Max Otte mit einer Kandidatur für die AfD nun endlich sein wahres Gesicht zeigt", teilte Ulrich Link, Vorsitzender der Sächsischen Werte-Union, mit.

Parteiausschlussverfahren können zäh sein. Das hatte die SPD zuletzt bei Thilo Sarrazin erlebt, mit dem sie sich jahrelang über dessen Bücher unter anderem über Migration herumgestritten hatte. Es dauerte lange bis die Partei ihn schließlich rauswerfen durfte. Otte sagte dem "Spiegel": "Freiwillig werde ich aus der CDU nicht austreten." Er sehe die AfD klar auf dem Boden des Grundgesetzes. Deswegen "wäre ein CDU-Ausschlussverfahren gegen mich nicht nur nicht nachvollziehbar, sondern auch unvereinbar mit den demokratischen Grundsätzen."

Chancen auf das Amt des Bundespräsidenten hat er praktisch nicht. Amtsinhaber Frank-Walter Steinmeier kandidiert mit Unterstützung der Regierungsparteien und der Union für weitere fünf Jahre. Vor gut zwei Wochen hatte die Linke den Mainzer Sozialmediziner Gerhard Trabert als weiteren Kandidaten nominiert. Die Bundesversammlung tritt am 13. Februar zur Wahl des Bundespräsidenten zusammen. (dpa/SZ)