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AfD-Politiker verteidigt seinen Auftritt in russischer Talkshow

Der AfD-Bundestagsabgeordnete Steffen Kotré hat seinen Auftritt bei einem russischen Propagandasender verteidigt. Parteichef Chrupalla weicht einer Bewertung aus.

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Der AfD-Bundestagsabgeordnete Steffen Kotré (r) war zu Gast in der Sendung des russischen TV-Propagandisten Wladimir Solowjow (l).
Der AfD-Bundestagsabgeordnete Steffen Kotré (r) war zu Gast in der Sendung des russischen TV-Propagandisten Wladimir Solowjow (l). © Screenshot

Berlin/Moskau. Der Talkshow-Auftritt eines AfD-Bundestagsabgeordneten beim russischen Chefpropagandisten Wladimir Solowjow und eine gemeinsame Kranzniederlegung von AfD-Chef Tino Chrupalla mit dem russischen Botschafter am Jahrestag der Schlacht von Stalingrad haben nicht nur im Netz Diskussionen ausgelöst. Auch in der AfD wird darüber debattiert. Kritiker warfen Chrupalla hinter vorgehaltener Hand vor, sich "dem russischen Aggressor anzubiedern".

Am Donnerstag hatte sich der Berliner Bundestagsabgeordnete Steffen Kotré in der Talkshow von Solowjow zuschalten lassen, dieser verbreitete einen Mitschnitt später auch auf seinem Telegram-Kanal. Solowjow wird in seiner Sendung oft laut, beschimpft die deutsche Regierung, streut deutsche Wörter ein und imitiert dabei eine schroffe Nazi-Aussprache. Zuletzt hatte er Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) als "Miss Ribbentrop" bezeichnet. Joachim von Ribbentrop war deutscher Außenminister unter Adolf Hitler.

Im Ausland bliebe das wahrscheinlich vielen verborgen, würden nicht Journalisten, wie die Amerikanerin Julia Davis mit ihrem "Russian Media Monitor" oder der BBC-Journalist Francis Scarr regelmäßig Ausschnitte dieser Sendungen über Twitter verbreiten.

Kotré sagte im Gespräch mit Solowjow, dass ein großer Teil der Deutschen gegen die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine sei. Den Auftritt verteidigte er am Freitag bei Twitter: Er gebe jedem ein Interview und würde auch mit Außenministerin Baerbock sprechen, die Russland den Krieg erklärt habe. "Ich sage: trotz Krieg: Diplomatie und miteinander reden - alle Kanäle nutzen".

Der 51-Jährige hatte innerparteilich schon im Frühjahr Kritik auf sich gezogen, als er von einer "Mitschuld des Westens" am Krieg gegen die Ukraine sprach. Der stellvertretende AfD-Fraktionschef Norbert Kleinwächter hatte ihm "widerliche Putin-Propaganda" vorgeworfen.

"Wenn ein AfD-Abgeordneter den öffentlichen Schulterschluss mit dem Mann sucht, in dessen Sendung seit Wochen das Existenzrecht und Legitimität des deutschen Staates in Frage gestellt werden, spricht das jedenfalls für sich", sagte der stellvertretende Bundestagspräsident und FDP-Vize Wolfgang Kubicki RTL/ntv.

AfD-Co-Chef Tino Chrupalla sagte der Sendergruppe, Kotré habe in der Sendung "seine persönliche Meinung zum Ausdruck" gebracht. Der Deutschen Presse-Agentur sagte er auf die Frage, ob das Talkshow-Interview mit ihm oder Fraktion und Partei abgesprochen gewesen sei: "Jeder gewählte Abgeordnete entscheidet und verantwortet zu führende Interviews in erster Linie selbst."

Chrupalla: "Deutschland befindet sich nicht im Krieg mit Russland."

Derweil zog Chrupalla selbst mit einer Aktion am selben Tag Kritik auf sich. Der AfD-Chef präsentierte sich am Donnerstag Seite an Seite mit Wladimir Putins hochrangigstem Diplomaten in Deutschland, Botschafter Sergej Netschajew. In der Gedenkstätte Seelower Höhen in der Nähe der polnischen Grenze in Brandenburg legten beide gemeinsam Kränze nieder. Chrupalla und auch die russische Botschaft verbreiteten das auf ihren Internetkanälen. Hintergrund war der 80. Jahrestag der Schlacht von Stalingrad.

Rund um Seelow etwa 50 Kilometer vor Berlin fanden im Frühjahr 1945 schwere Kämpfe zwischen deutschen und sowjetischen Soldaten statt. Laut Gedenkstätte war es die größte Schlacht des Zweiten Weltkrieges auf deutschem Boden mit mehr als 100.000 Toten unterschiedlicher Nationen.

Auf die Frage, wie er den Auftritt mit dem Botschafter vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine begründe, sagte Chrupalla der dpa: "Die leichtfertigen Äußerungen von Außenministerin Baerbock, wir befänden uns im Krieg, können und müssen eingeordnet werden. Wir müssen deeskalieren und diplomatisch die Hand reichen. Deutschland befindet sich nicht im Krieg mit Russland."

In Teilen der AfD - bei Vertretern aus dem Westen - stieß die Aktion auf Kritik. Offen äußerte diese am Freitag niemand, aber hinter vorgehaltener Hand: "Zielsicher trifft Chrupalla ins Schwarze, wenn es darum geht, Programm und Ausrichtung der AfD zu ignorieren, sich dem russischen Aggressor anzubiedern und dabei vor allem eins zu verraten: die Interessen unseres Landes und der Bürger, die uns gewählt haben", hieß es aus Parteikreisen. Chrupalla habe sich von der russischen Botschaft instrumentalisieren lassen.

Kubicki sagte mit Blick auf generelle Haltung der AfD zum Thema Russland, er habe in dieser Frage keinerlei Erwartung oder Hoffnung an die AfD-Führung. Die Partei sei nur "der billigen Fassade nach patriotisch". (dpa)