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Ein Ledermantel als Instrument der Volksverhetzung?

Die Polizei ermittelt jetzt gegen Roger Waters, weil er beim Berliner Konzert im Kostüm einer Kunstfigur aus den 80ern auf der Bühne erschienen ist.

Von Andy Dallmann
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Pink-Floyd-Mitbegründer Roger Waters hat zum Abschluss seiner Deutschland-Tour aufs Tragen der Diktator-Uniform verzichtet, wegen der die Berliner Polizei gegen ihn ermittelt.
Pink-Floyd-Mitbegründer Roger Waters hat zum Abschluss seiner Deutschland-Tour aufs Tragen der Diktator-Uniform verzichtet, wegen der die Berliner Polizei gegen ihn ermittelt. © dpa

Natürlich ist Roger Waters in dem, was er öffentlich sagt, mindestens umstritten. Sein Bekenntnis zur israelkritischen, in Teilen sogar feindlichen Bewegung Boycott, Divestment and Sanctions (BDS) lässt viele, die den Mitgründer von Pink Floyd einst verehrten, inzwischen von ihm abrücken. Proteste gegen Konzerte von Waters sind also verständlich. Meinungsfreiheit auf der einen, Kunstfreiheit auf der anderen Seite – das ergibt eine komplizierte Situation für Behörden, die mehrfach erfolglos versuchten, die Shows des britischen Musikers abzublasen.

Doch in Berlin wurde jetzt definitiv übers Ziel hinausgeschossen. Nach den Konzerten am 17. und 18. Mai in der Mercedes-Benz-Arena sah sich die Polizei veranlasst, aufgrund von in sozialen Medien kursierenden Videos, einzugreifen und gegen Waters wegen des Verdachts der Volksverhetzung zu ermitteln.

Protest gegen das Konzert von Roger Waters am Sonntag in Frankfurt am Main.
Protest gegen das Konzert von Roger Waters am Sonntag in Frankfurt am Main. © dpa

Der 79-Jährige hatte – wie bei Hunderten Auftritten zuvor – beim Interpretieren von „In The Flesh“ vom legendären Album „The Wall“ einen schwarzen Ledermantel samt roter Armbinde getragen. In der „The Wall“-Verfilmung aus dem Jahr 1982 glaubt Pink, die von Bob Geldof gespielte Titelfigur, im Drogenrausch ein faschistischer Diktator zu sein. In einer Art SS-Uniform samt Armbinde steht er vor einem jubelnden Publikum wie Joseph Goebbels bei seiner Sportpalastrede vom 18. Februar 1943, dem Aufruf zum „totalen Krieg“.

Auch Pink hetzt zu heftig wummernden Rock-Klängen gegen Schwule, Juden, Menschen mit Pickeln. Was jedoch durch Überblendungen gebrochen, im weiteren Verlauf aufgelöst und in den 80ern wie noch viele Jahre später als Gesellschaftskritik gelesen wurde. Jetzt steht das Kostüm plötzlich für Volksverhetzung.

Selbst Waters, der sich bislang stets gegen Antisemitismus-Vorwürfe gewehrt und seine Positionen vollmundig verteidigt hatte, war angesichts der polizeilichen Ermittlungen offensichtlich verwirrt. Am vergangenen Sonntag ließ er beim Abschluss seiner Deutschland-Tour das Kostüm gleich weg. Weil er die Geschichte der Frankfurter Festhalle kenne, verzichte er darauf, sich im zweiten Teil seiner Show „als Demagoge“ zu verkleiden, sagte Waters zu Beginn seines gut zweieinhalbstündigen Konzerts. In eben dieser Halle waren im Zuge der Pogromnacht 1938 mehr als 3.000 jüdische Männer zusammengetrieben, festgehalten und misshandelt worden, um schließlich deportiert zu werden.

Waters sagte, er fühle das Leid, das den Menschen an diesem Ort widerfahren sei. Er wisse, dass ihm viele Menschen vorwerfen, ein Antisemit zu sein. „Das bin ich nicht“, so Waters unter dem Jubel der Zuschauer. Kurzzeitig brach der Musiker in Tränen aus.

Parolen gegen Kapitalismus, Krieg, Militarismus

Bei Konzerten hatte Waters häufig Ballons in Schweineform mit einem Davidstern aufsteigen lassen. Auch in Frankfurt gab es am Sonntagabend einen solchen Ballon, aber wie bei den anderen bisherigen Deutschland-Konzerten ohne Davidstern. In Videosequenzen ließ Waters jedoch politische Parolen gegen Kapitalismus, Krieg, Militarismus laufen. Mehrfach ergriff er das Wort und gab selbst politische Statements ab. Bereits vorm Frankfurter Konzert hatte er sich gegen den Verdacht der Volksverhetzung gewehrt.

„Die Elemente meines Auftritts, die infrage gestellt wurden, sind ganz klar ein Statement gegen Faschismus, Ungerechtigkeit und Bigotterie in all ihren Formen.“ Genauso waren sie bislang verstanden worden. Man darf gespannt sein, zu welcher Deutung jetzt die Berliner Polizei kommt. (mit dpa)