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Lehrermangel: Vorschläge sind Affront gegen Sachsens Lehrer

Experten erwarten noch 20 Jahre lang einen Lehrermangel und machen Vorschläge zur Entspannung der Lage. Die werden von den Berufsverbänden heftig kritisiert.

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Das Problem des Lehrermangels wird wohl in den kommenden 20 Jahren bestehen bleiben.
Das Problem des Lehrermangels wird wohl in den kommenden 20 Jahren bestehen bleiben. © Dietmar Thomas

Dresden. Der Sächsische Lehrerverband hat den Empfehlungen einer Expertenkommission gegen den dramatischen Lehrermangel in Deutschland eine strikte Abfuhr erteilt. Sie seien ein Affront gegen die sächsischen Lehrer, die seit Jahren an der Belastungsgrenze und darüber hinaus arbeiteten, kritisierte der Verband am Sonntag. "Statt weiterer Repressalien sind spürbare wertschätzende Maßnahmen und bessere Arbeitsbedingungen jetzt angebracht", mahnte der amtierende Landeschef Michael Jung. "Ansonsten wird der Lehrerberuf weiter an Attraktivität verlieren."

Die Ständige Wissenschaftliche Kommission, ein Beratergremium der Kultusministerkonferenz, hatte am Freitag Vorschläge zur kurz- und mittelfristigen Entspannung der Lage vorgestellt. Demnach sollte ein höheres Unterrichtspensum für Lehrer und Lehrerinnen geprüft, weniger Teilzeitmöglichkeiten eingeräumt und gegebenenfalls auch größere Klassen gebildet werden. Nach Ansicht der Fachleute wird das Problem des Lehrermangels wohl in den kommenden 20 Jahren bestehen bleiben.

Die Maßnahmen sollen laut Kommission zeitlich befristet werden. Das ist für den Lehrerverband aber kein Trost. Denn 30 Prozent der Lehrkräfte in Sachsen, die jetzt 57 Jahre und älter seien, müssten trotzdem bis zum Renteneintritt "weiter am Limit oder darüber hinaus arbeiten", kritisiert der Verband. Zudem wird davor gewarnt, dass die Mehrbelastungen zu mehr krankheitsbedingten Ausfällen führen.

Auch die Gewerkschaft GEW kritisierte die Stellungnahme der Bildungsforscher. Viele der Vorschläge seien in Sachsen längst Praxis oder würden sich angesichts der aktuellen Belastungssituation in den Schulen schlichtweg verbieten. "Es ist realitätsfern zu glauben, personelle Spielräume entstünden, wenn man etwa der großen Gruppe der älteren Lehrkräfte Teilzeit verweigert, Altersermäßigungen streicht und gleichzeitig die Unterrichtsverpflichtung erhöht", sagte die Landesvorsitzende Uschi Kruse.

Verunglimpfung der Teilzeitkräfte

Der Philologenverband sprach von einer "Verunglimpfung" der in Teilzeit arbeitenden Lehrkräfte und kritisierte, dass die Experten die Realität an den Schulen außer Acht ließen. "Die Ursache für den eklatanten Lehrermangel liegt nicht im reduzierten Beschäftigungsumfang, sondern in der verfehlten Personalpolitik der vergangenen Jahrzehnte", sagte Thomas Langer, der Vorsitzende des Berufsverbandes der Gymnasiallehrer. Dass die erste Empfehlung ausgerechnet die Erhöhung des Drucks auf die Lehrkräfte sei, ignoriere nicht nur die bestehende Überlastung, sondern führe zu mehr Personalausfällen. "Weil immer mehr Kolleginnen und Kollegen einfach nicht mehr können."

Stattdessen forderten die Verbände mehr Gesundheitsförderung sowie Entlastungen für Lehrer. Die GEW unterstützt die Empfehlung einer umfassenden Aufgabenkritik, die Entlastung von Organisations- und Verwaltungsaufgaben und die Bereitstellung von verlässlich unterstützendem Personal.

Abhilfe beim Lehrermangel könnten auch mehr Abordnungen schaffen. Neu eingestellte Lehrer sollten stärker in Regionen und Schularten gelenkt werden, in denen die Lücke besonders groß sei, so der sächsische Lehrerverband. Das ist auch eine Empfehlung der Kommission – in Sachsen sind nur etwa zehn Prozent der verbeamteten und der angestellten Lehrkräfte abgeordnet. Dazu zählen neben dem Einsatz an einer anderen Schulart auch Tätigkeiten in der Verwaltung und der Lehrerausbildung.

Auch müsse die Lehrerausbildung stärker regionalisiert werden. "Außenstellen der Universitäten in Westsachsen und Ostsachsen müssen endlich eingerichtet werden, um mehr sächsischen Abiturienten ein Lehramtsstudium unweit ihrer Heimatorte zu ermöglichen", forderte Jung. (dpa, SZ/sca)