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Bildungsministerin lädt zum Gipfel - Piwarz verteidigt Absage und übt Kritik

Am Dienstag beginnt der zweitägige „Bildungsgipfel 2023“. Doch Ministerin Stark-Watzinger wird den mehr oder weniger ohne die Bildungsminister der Länder bestreiten. Sachsens Kultusminister verteidigt die Absage und übt scharfe Kritik.

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Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) muss bei ihrem Bildungsgipfel auf Sachsens Kultusminister Christian Piwarz (CDU) verzichten.
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) muss bei ihrem Bildungsgipfel auf Sachsens Kultusminister Christian Piwarz (CDU) verzichten. © dpa; Paul Glaser

Von Karin Christmann

Berlin. An großen Worten aus dem Haus von Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) fehlt es nicht. Am Dienstag beginnt der zweitägige „Bildungsgipfel 2023“, und die Ziele sind hoch gesteckt: Von einer „neuen Kultur der Zusammenarbeit“ aller Verantwortlichen und einer „gemeinsamen Kraftanstrengung“ ist die Rede.

Die Kultusministerinnen und -minister aus den Ländern aber reisen bis auf zwei Ausnahmen erst gar nicht an. Die Verärgerung über die Bundesministerin ist gewaltig. „Zum so genannten Bildungsgipfel gab es lediglich eine lapidare Einladung, keinerlei inhaltliche Vorbereitung und Abstimmung im Vorfeld“, sagt zum Beispiel Sachsens Kultusminister Christian Piwarz (CDU). „Eine wirkliche Ernsthaftigkeit bei der Problemlösung kann ich nicht erkennen. Von einer Bundesbildungsministerin erwarte ich mehr, als eine Krise herbeizureden. Wenn es ihr wirklich so ernst mit dem Bildungssystem ist, wundere ich mich, dass sie sich für ein Gespräch mit der Kultusministerkonferenz in dieser Woche wieder nur eine Stunde Zeit nimmt."

Piwarz stellte klar, dass er Stark-Watzinger vor mehr als einem Jahr nach Sachsen eingeladen habe, um mit ihr inhaltlich ins Gespräch zu kommen. Leider habe der Besuch bis heute nicht geklappt. "Ich bin sehr an einem intensiven Austausch mit dem Bund zu anstehenden Themen und Problemen im Bildungsbereich interessiert. Aber das muss auf Augenhöhe geschehen, und die Länder müssen umfangreich einbezogen werden. Das kann ich bislang in den vor allem medialen Äußerungen nicht erkennen. Dass die angemaßte Bildungskompetenz des Bundes zumindest zu hinterfragen ist, hat der dortige Umgang mit Schulen während der Corona-Pandemie gezeigt."

Von einer „völlig ungeeigneten Showveranstaltung“ spricht seine Parteikollegin Karin Prien, Kultusministerin in Schleswig-Holstein. Die Länderministerinnen und -minister aus Ampelparteien äußern sich weniger explizit, lassen aber ebenfalls keinen Zweifel daran, dass sie die Veranstaltung für Zeitverschwendung halten.

Nur Hamburgs Schulsenator Ties Rabe und Berlins Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (beide SPD) sind dabei. Und selbst Busse, derzeit Präsidentin der Kultusministerkonferenz, sagt: „Ich gehe ohne allzu große Erwartungen dorthin.“

Zu besprechen gäbe es genug

Dabei gäbe es so viel zu besprechen. Bundesweit fehlen immer mehr Lehrkräfte, Studienergebnisse bescheinigen deutschen Schulkindern massive Defizite, und viele Schulgebäude sind marode. Ministerin Stark-Watzinger selbst diagnostizierte am Wochenende in einem Interview eine „tiefe Krise“ des Bildungssystems. Die Kultusministerinnen der Länder planen neue Regeln fürs Abitur, die Bundesministerin plädiert für eine Bezahlung von Lehrkräften nach Leistung.

Mit gutem Grund wurde sogar im Koalitionsvertrag vereinbart, einen Bildungsgipfel einzuberufen. „Wir hatten eine bestimmte Erwartung, nämlich einen richtigen Gipfel“, sagt Christiane Gotte, Vorsitzende des Bundeselternrats. „Man steigt tief in eine inhaltliche Bildungsdebatte ein und geht dann mit einer Vereinbarung heraus. Aber nun wird nur eine oberflächliche Plattform geschaffen, um sich auf zwei Panels kurz öffentlich auszutauschen.“

Am Dienstag und Mittwoch findet die umstrittene Veranstaltung in Berlin statt. Auf dem Programm stehen vor allem Vorträge und Talkrunden, live ins Internet gestreamt.

Elternsprecherin ist unzufrieden mit Ministern

Am Format des Gipfels aber hält das Bundesministerium fest. „Der Gipfel ist bewusst so angelegt, dass nicht alle Ergebnisse im Vorfeld hinter verschlossenen Türen verhandelt wurden und anschließend eine Einigung verkündet wird“, sagt ein Sprecher. Vielmehr solle die Veranstaltung der „Auftakt zu einem strukturierten und ergebnisorientierten Prozess“ sein. Von einer unzureichenden Vorbereitung könne keine Rede sein.

Das wird aber sogar in der Koalition anders gesehen. Nina Stahr, Sprecherin der grünen Fraktion für Bildung, sagt, die Grünen hätten sich einen „anderen Gipfel“ gewünscht, „bei dem die Ministerpräsident*innen sich auf klare Ziele verständigt hätten“. Aus ihrer Sicht wäre eine vorbereitende Arbeitsgruppe von Bund, Ländern und Kommunen nötig gewesen – „wie im Koalitionsvertrag festgeschrieben“. Eine „Talkshow ohne Ergebnis“ erwartet Thomas Jarzombek, bildungspolitischer Sprecher der Unionsfraktion.

Mit allen Akteuren unzufrieden ist Elternsprecherin Gotte. „Die einen kommen einfach nicht, weil sie die Vorbereitung schlecht finden. Die anderen ziehen sich darauf zurück, dass sie doch immerhin einen Gipfel organisiert haben“, sagt sie. „An diesem Hin und Her krankt das gesamte System.“ Und so ist vor dem Gipfel eigentlich nur eines klar: dass auch danach noch viel zu bereden sein wird. (mit dpa)