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Habeck verspricht früheren Kohleausstieg nur bei Versorgungssicherheit

Wirtschaftsminister Robert Habeck wirbt in Cottbus für einen Umbau des Energiesystems. Der Kohleausstieg im Osten soll dabei nur unter einer Bedingung vorgezogen werden. Die Ost-Regierungschefs kritisieren die Pläne erneut scharf.

Von Nora Miethke
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Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, war auf der zweiten Infrastrukturkonferenz des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. live zugeschaltet.
Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, war auf der zweiten Infrastrukturkonferenz des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. live zugeschaltet. ©  Patrick Pleul/dpa

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will den Kohleausstieg in Ostdeutschland nur vorziehen, wenn die Energieversorgung trotzdem sicher bleibt. „Wir werden nichts machen, was die Versorgungssicherheit in Deutschland gefährden wird“, versicherte der Grünen-Politiker am Mittwoch auf der Konferenz zur Infrastrukturentwicklung im Lausitzer und Mitteldeutschen Revier in Cottbus. Habeck war online live zugeschaltet.

Sollten sich der Ausbau der erneuerbaren Energien und der Stromnetze wegen Mangels an Handwerkern, an Material oder aus anderen Gründen verzögern, „dann werden wir immer die Reserve halten und weiter in der Verstromung bleiben“, betonte Habeck. Er geht allerdings davon aus, dass die Verstromung der Braunkohle wegen der steigenden Preise für CO2-Emissionszertifikate teurer werden wird und sich damit nicht mehr rechnet. Die Gaspreise würden wieder sinken und Gaskraftwerke könnten schon ab den Jahren 2026/2027 wirtschaftlicher sein als Braunkohlekraftwerke. Und darauf müsste man sich gemeinsam vorbereiten und Vereinbarungen treffen. „Niemand hetzt uns ja, wir können Schritt für Schritt gehen“, bemühte sich der Bundeswirtschaftsminister um Beruhigung der verunsicherten Bevölkerung in den Kohleregionen.

Denn die Ampel-Koalition in Berlin hatte vereinbart, den Kohleausstieg „idealerweise“ von 2038 auf 2030 vorzuziehen. Für das rheinische Revier ist dies inzwischen so festgelegt. Für die ostdeutschen Kohlereviere will Habeck auch die Beschleunigung erreichen.

Ost-Regierungschefs erneuern Kritik am vorzeitigen Kohleausstieg im Osten

In den betroffenen Bundesländern Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt wird dies allerdings kritisch gesehen. Mit scharfen Worten haben die Ministerpräsidenten Brandenburgs, Sachsens und Sachsen-Anhalts ihre Kritik zu Plänen der Bundesregierung für einen vorgezogenen Kohleausstieg bekräftigt. "In Berlin wird kräftig an dem Ast gesägt, auf dem wir alle sitzen", sagte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) am Mittwochabend in Cottbus. Es gehe um Versorgungssicherheit und da sei Deutschland nach wie vor auf fossile Energieträger wie die Braunkohle angewiesen. Deutschland sei gut beraten, bezahlbare Strompreise anzubieten, sagte Woidke.

"Wenn wir jetzt dieses Tal des Todes organisieren, dann werden wir sehr viel an Wirtschaftskraft einbüßen", warnte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer mit Blick auf einen angedachten Kohleausstieg 2030 auch im Osten. "Wir erleben, dass die Grundlagen unseres Wohlstandes gefährdet sind." Es brauche eine neue Vereinbarung, wie die Energiepolitik Deutschlands aussehen solle.

Sachsens-Anhalts Ministerpräsident Reiner Erich Haseloff (CDU) mahnte zu mehr Realismus bei der Energiepolitik. "Diese politischen Ziele sind nicht umsetzbar, aus rein technischen und praktischen Gründen", sagte der CDU-Politiker. Die Bundesregierung müsse die eigenen Ziele auf den Prüfstand stellen. "Der Kohleausstieg 2038 ist ein Gesetz und jede Diskussion außerhalb dieses Gesetzes ist nicht legitim." Dafür müssten aber Mehrheiten her und das Gesetz geändert werden.

Abschöpfung der Übergewinne kann auslaufen

Explizit bedankte sich Habeck bei den Vertretern und Vertreterinnen der Kohlekraftwerksbetreiber, namentlich der Leag, dafür, wie sie bereits stillgelegte Kraftwerksblöcke wieder ans Netz holten. Leag-Mitarbeiter hätten dafür ihren Ruhestand verschoben. „Die Energieversorger haben 2022 gezeigt, dass sie sich in die Pflicht nehmen lassen“, so Habeck.

Er kündigte an, dass Ende des Jahres der Bau neuer Gaskraftwerke ausgeschrieben werden soll, die später auf Wasserstoff umgestellt werden können. Insgesamt müsste durch den Kohleausstieg eine Leistung von 25 Gigawatt ersetzt werden. Es wird ein Bieterverfahren sein, „aber die Wahrscheinlichkeit ist nicht schlecht, dass ein Zuschlag in die Lausitzer Region geht“, betonte Habeck mit Blick auf die Leag. Für ihn habe ein erfolgreicher Strukturwandel im Lausitzer Revier absolute Priorität. "Wenn Halbleiter-, Batteriezellen- oder Solarprojekte bei mir auf dem Schreibtisch liegen, denken wir die Region immer mit", so Habeck.

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Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BdEW), der die Konferenz zum Strukturwandel zum zweiten Mal ausrichtete, verwies auf den enormen Zeitdruck bei der Energiewende. Bis 2030 gehe es um eine Verdoppelung der Windkraft an Land und eine Vervierfachung der Solarenergie, sagte BDEW-Chefin Kerstin Andreae. Sie forderte Planungssicherheit für Investitionen und kritisierte EU-Pläne, die Abschöpfung von sogenannten Übergewinnen der Energieunternehmen zu manifestieren.

Aus Habecks Sicht kann die deutsche Abschöpfung Mitte dieses Jahres auslaufen, da die Märkte sich beruhigt hätten und es aufgrund gesunkener Preise nicht mehr abzuschöpfen geben. „Ein bürokratisches Instrument, das keinen Effekt mehr hat, brauchen wir auch nicht mehr“, so der Politiker. Dieses Instrument war vergangenes Jahr zur Finanzierung der deutschen Gas- und Strompreisbremsen eingeführt worden. Sie gilt seit 1. Dezember und nach jetzigem Stand bis 30. Juni, könnte aber bis Ende April 2024 verlängert werden. (mit dpa)