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Ist die Energiewende noch zu schaffen?

TU-Dresden-Professor Dominik Möst forscht seit 20 Jahren zum Thema Energie. Doch jetzt rechnen seine Modelle Kernkraft und grünen Strom neu.

Von Jana Mundus
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Wie werden wir künftig Strom produzieren - mit Atomkraft, Kohle oder Wind?
Wie werden wir künftig Strom produzieren - mit Atomkraft, Kohle oder Wind? © dpa

Dominik Möst ist aktuell ein gern zitierter Gesprächspartner. Als Experte für Energiewirtschaft bekommt der Professor der TU Dresden gerade viele Medien-Anfragen auf den Tisch. Sein Wissen ist derzeit sehr begehrt, schließlich kennt er sich aus mit den Energiesystemen in Deutschland und der Welt.

Seit über 20 Jahren beschäftigt er sich beruflich mit den Fragen, wie Strom umweltschonend produziert werden kann, welche Technologien dafür notwendig sind und welche wirtschaftlichen Aspekte dabei eine Rolle spielen. Er und sein Team bestücken dafür modernste Computermodelle mit unzähligen Daten. Sie zeigen, welche Zukunft uns in Sachen Energieversorgung bevorstehen könnte.

Das Thema Energie faszinierte Möst schon während seiner Schulzeit. Die Physik reizte ihn, die Technik dahinter und wie über weit verzweigte Netze Strom bei den Verbrauchern landet. „Für mein Studium habe ich mich dann für die Kombination von Technik und Ökonomie mit dem Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen entschieden“, erinnert er sich. Im Studienprogramm spielte, anders als heute, Energie nur eine geringe Rolle. Doch das Interesse für die Materie ließ ihn nicht los. „Für meine Abschlussarbeit suchte ich nach einem Schwerpunkt, der mathematisch anspruchsvoll ist und der mich begeistert.“ Das Thema Energie fand ihn endlich und lässt ihn seitdem nicht mehr los.

Drei Aspekte seien in der Energiewirtschaft im sogenannten Zieldreieck in Einklang zu bringen, erklärt Möst: die Versorgungssicherheit, die Umweltverträglichkeit und die Wirtschaftlichkeit. Fokus seiner Arbeit und der Entwicklungen der vergangenen Jahre war der Umweltaspekt. Deutschland wollte CO₂ einsparen, erneuerbare Energiequellen standen im Mittelpunkt des Interesses. Viel sei auf diesem Gebiet schon passiert. „Strom aus Fotovoltaikanlagen war anfangs fast 30-mal teurer als Strom aus konventioneller Produktion“, führt er aus. Seitdem seien im ganzen Land viele Solaranlagen installiert worden, die Kosten sanken weltweit, der Weg hin zu einer umweltverträglichen Stromproduktion war geebnet.

Ein Szenario, mit dem keiner rechnete

Mit dem Krieg in der Ukraine hat sich der Fokus verschoben. Das Thema Versorgungssicherheit, die lange als gegeben galt, steht nun an erster Stelle. Dicht gefolgt von der Frage, was Energie eigentlich kosten darf und soll. Eine Herausforderung auch für die Computermodelle von Möst und seinem Team. „Um unterschiedliche unsichere Entwicklungen abzubilden, erstellen und rechnen wir dafür immer verschiedene Szenarien“, erklärt der Inhaber der Professur für Betriebswirtschaftslehre und Energiewirtschaft. Nun seien in kurzer Zeit Dinge eingetreten, die zwar bei Zukunftsszenarien berücksichtigt und deren Konsequenzen aufgezeigt wurden. Allerdings galt die Eintrittswahrscheinlichkeit dafür als gering, und sie wurden von Entscheidern kaum berücksichtigt.

„Die Abhängigkeit von russischem Gas war natürlich lange bekannt, aber es war eben preiswert zu haben“, sagt Möst. Das kam letztlich den Verbrauchern zugute, die dadurch geringe Kosten hatten. Die herrschende politische Meinung sei viele Jahre gewesen, dass der wirtschaftliche Austausch mit Russland für eine stabile Beziehung ausreiche. Der plötzliche Ausfall der russischen Erdgaslieferungen macht die selbst gewählte Abhängigkeit nun schmerzhaft deutlich. Denn Gas braucht Deutschland nicht nur für die Wärme-, sondern auch zur Stromproduktion. Die aktuelle Krise führt zu deutlichen Änderungen, besonders beim Preisniveau der fossilen Energieträger. Die neuen Erwartungen müssen die Forscher auch in ihren Computermodellen berücksichtigen, denn für die Szenarien sind immer Annahmen zu möglichen zukünftigen Entwicklungen zu treffen.

Dominik Möst von der TU Dresden ist als Energieexperte aktuell gefragt.
Dominik Möst von der TU Dresden ist als Energieexperte aktuell gefragt. © TU Dresden/Amac Garbe

Möst und seine Kollegen haben die Modellierung immer weiter perfektioniert. „Als wir anfingen, gab es manche Daten noch gar nicht digital.“ Informationen über Kraftwerke oder Übertragungsleitungen mussten sie händisch aus Büchern mit Listen oder Kartenmaterial suchen und ins System einpflegen. Heute ist das einfacher, auch wenn manche Daten immer noch schwierig zu bekommen sind. An Informationen zur russischen Energiewirtschaft, zum Beispiel zur Charakteristika einzelner Förderfelder, gelangen die Wissenschaftler nur schwer. „Letztlich geht es uns aber um das große Bild und darum, relevante Einflussgrößen zu erkennen“, macht er deutlich. Das sei auch ohne manche Details möglich.

Erneuerbare Energien werden nicht reichen

Ist die Energiewende überhaupt noch zu schaffen und wie sieht die Energieversorgung in Zukunft überhaupt aus? „Was uns die momentane Krise zeigt: die weiterhin extreme Abhängigkeit von fossilen Energieträgern und die geringe Möglichkeit, diese kurzfristig zu ersetzen.“ Ausgedrückt auch durch die vorhandene hohe Nachfrage bei teuren Preisen. Das hohe Preisniveau sei aber auch ein Treiber für den Ausbau erneuerbarer Energien. Sie und ihre effiziente Nutzung dürften künftig eine noch größere Rolle spielen.

„Auch mit Blick auf die vergangenen Jahre läuft der Ausbau erneuerbarer Energien hierzulande aber zu langsam, um die Klimaschutzziele zu erreichen“, macht Möst deutlich. Aktuell wird diskutiert, zur Überbrückung Kernkraftwerk länger am Netz zu lassen. Einerseits brauche Deutschland im Sinne des Klimaschutzes die zeitnahe Abkehr von fossilen Energien. „Andererseits ist die Nachfrage nach Energie hoch und derzeit nur aus erneuerbaren Quellen nicht machbar.“

Die Prognose von Möst auf kurze Sicht ist deshalb eindeutig: Weltweit wird der CO₂-Ausstoß auch in den nächsten Jahren steigen, weil die Nachfrage nach Energie global so stark wächst, dass dieser Anstieg allein aus erneuerbaren Energien nicht bedient werden kann. Als Konsequenz steigt der Bedarf an fossilen Energieträgern ebenfalls weiter.

Die Transformation des Energiesystems sei eine immense Herausforderung, die die Menschen auf der ganzen Welt noch mehrere Jahrzehnte lang beschäftigen wird. „Ich gehe aber davon aus, dass wir langfristig weltweit auf konventionelle Energien verzichten werden“, beschreibt Möst seine Vision. Erneuerbare Energien und Wasserstoff als Energieträger dürften dann hoffentlich Normalität sein. „Dafür müssen wir beim Ausbau von Solar- und Windkraftanlagen aber schon jetzt deutlich schneller werden.“