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Kritik aus Sachsen an Grünen-Plänen zu früherem Kohleausstieg

Bis spätestens 2038 soll in Deutschland mit der Stromerzeugung durch Kohle Schluss sein. Die Grünen machen weiter Druck, es früher zu schaffen. In den ostdeutschen Braunkohleländern stößt das auf Widerstand.

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Die Grünen wollen auch im Osten Deutschland einen früheren Kohleausstieg erreichen. Aus den ostdeutschen Bundesländern kommt Widerspruch.
Die Grünen wollen auch im Osten Deutschland einen früheren Kohleausstieg erreichen. Aus den ostdeutschen Bundesländern kommt Widerspruch. © Patrick Pleul/dpa

Berlin/Dresden. Der Generalsekretär der sächsischen CDU, Alexander Dierks, hat Pläne der Grünen-Fraktion im Bundestag für einen früheren Kohleausstieg scharf kritisiert. Ein Vorziehen des Ausstiegs aus der Braunkohle auf 2030 würde den Kohlekompromiss auch für Ostdeutschland aufkündigen, sagte er am Samstag in Dresden. "Das ist acht Jahre früher, als von allen Beteiligten ausgehandelt."

Damit würden die Planungssicherheit für die Kohleregionen zerstört und ein erfolgreicher Strukturwandel gefährdet. "Dieses Handeln ist ideologiegetrieben und zerstört Vertrauen in demokratische Entscheidungen."

Torsten Herbst, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, erinnerte an die klaren Zusagen im Rahmen des Kohleausstiegsgesetzes. "Erst muss der Strukturwandel erfolgreich anlaufen, dann erfolgt der Kohleausstieg schrittweise bis 2038", schrieb der sächsische Abgeordnete in einer Mitteilung.

Von positiven Entwicklungen des Strukturwandels, neuen Unternehmensansiedlungen und neuer Verkehrsinfrastruktur sei kaum etwas zu sehen. "Daher wäre ein einseitiges Vorziehen des Kohleausstiegs auch ein massiver Vertrauensbruch gegenüber den Menschen in den Kohleregionen Ostdeutschlands."

Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hatte vom Bund Verlässlichkeit beim Kohleausstieg angemahnt. Es gelte am ursprünglichen Ausstiegsdatum 2038 festzuhalten, sagte er am vergangenen Freitag bei einem Treffen mit jungen Beschäftigten des Energieunternehmens Leag und mit Gewerkschaftern im Kraftwerk Boxberg.

Grüne: Früherer Kohleausstieg bringt "mehr Planungssicherheit"

Die Grünen-Fraktion im Bundestag hat vorher öffentlich gemacht, dass sie anpeilt, den Kohleausstieg auf 2030 auch im Osten des Landes vorzuziehen. In einer Beschlussvorlage für die Klausurtagung der Fraktion in der kommenden Woche heißt es, dies sei ein "notwendiger Schritt, um die Klimaziele zu erreichen". Das ARD-"Hauptstadtstudio" und die "Süddeutsche Zeitung" hatten zuerst darüber berichtet.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) bezeichnete einen früheren Kohleausstieg am Samstag als "völlig illusorisch" - nicht zuletzt wegen des Wegfalls von russischem Pipeline-Gas im Zuge von Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine.

Ein früherer Kohleausstieg mache nicht nur klimapolitisch Sinn, sondern bringe angesichts neuer Entwicklungen auch Planungs- und Investitionssicherheit für die Menschen und Regionen vor Ort, heißt es in dem Papier der Grünen-Fraktion, die sich von Dienstag bis Donnerstag in Weimar trifft. Die Annahme, dass die Kohleverstromung bis zum Jahr 2038 wirtschaftlich sei, habe sich überholt.

Im Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP vereinbart, den Kohleausstieg "idealerweise" um acht Jahre auf 2030 vorzuziehen. Für das Rheinische Revier im Westen wurde dies im Herbst bereits vereinbart. Das Vorziehen des Ausstiegs aus der Braunkohle im Osten sei der nächste Schritt, hatte Grünen-Co-Fraktionschefin Katharina Dröge gesagt. Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sprach sich dafür aus, versichert aber, dass dies im Konsens vereinbart werden müsse. Ob die Ampel-Partner SPD und FDP mitspielen, ist offen.

Hoffnungen werden in Wasserstoff gesetzt

In den betroffenen Bundesländern Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt wird ein früherer Ausstieg kritisch gesehen. Es werde "schlicht und einfach nicht erklärt, wie wir eine autarke Energieversorgung hinbekommen wollen", sagte Sachsen-Anhalts Regierungschef Haseloff der Deutschen Presse-Agentur am Rande einer Medientagung im bayerischen Tutzing mit Blick auf die Pläne der Grünen-Fraktion.

Das Szenario eines vorgezogenen Kohleausstiegs sei "völlig illusorisch", nachdem mit dem russischen Pipeline-Gas ein entscheidender Baustein als Brückentechnologie weggefallen sei, was auch die Voraussetzung für das ursprüngliche Ziel 2038 gewesen sei.

Als Alternative zu Braunkohlekraftwerken ist im Papier der Grünen-Fraktion die Rede von "Wasserstoff-ready Gaskraftwerken", also von Kraftwerken, die zunächst durch Gasverbrennung, später aber auch aus Wasserstoff Strom erzeugen können. Es sei absehbar, dass Ostdeutschland zur Erzeugerregion für grünen Wasserstoff werde. "Dort, wo heute noch Braunkohle verbrannt wird, kann die Erfahrung und Netzinfrastruktur genutzt werden. Dieser Einstieg sichert unzählige Arbeitsplätze im Kraftwerksbereich."

Doch auch daran gibt es Zweifel. Es würde noch Jahre dauern, bis Kraftwerke grünen Wasserstoff herstellen können, sagte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke dem ARD-Hauptstadtstudio. Mit Blick auf moderne Gaskraftwerke sagte der SPD-Politiker: "Es werden also erstmal Kraftwerke gebaut, die zumindest in den nächsten Jahren Gas verbrennen", sagte Woidke. Das würde die deutsche Abhängigkeit vom Ausland - "und zwar egal von welchem Ausland" - weiter erhöhen.

In der Energiewende werden große Hoffnungen in Wasserstoff gesetzt, der aus erneuerbaren Energien erzeugt wird. Er könnte in Zukunft auch für die Herstellung von Strom genutzt werden. Derzeit ist der aus Ökostrom hergestellte Energieträger aber knapp und relativ teuer. (dpa)