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Neue Gaskraftwerke – ja, aber dann als Speicherkraftwerke!

Die Energiewende bedeutet nicht nur Kosten, sondern birgt vor allem Chancen für innovative Lösungen aus Sachsen. Ein Gastbeitrag von Johann Harter.

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Dr. Johann Harter arbeitet als Unternehmensberater.
Dr. Johann Harter arbeitet als Unternehmensberater. ©  privat

Wir stehen vor gewaltigen Herausforderungen. Es gilt, unsere Energie- und Wassernutzung so zu verändern, dass wir unseren Beitrag leisten, den Klimawandel zu begrenzen. Das wird Auswirkungen für jeden von uns im täglichen Leben haben. Wie bei allen großen Umbrüchen wird es Verwerfungen geben, schöne Gewohnheiten werden nicht mehr funktionieren, Anpassungen an Neues ist nötig. Der ganze Medienlärm erzeugt verständlicherweise Angst bei vielen Menschen. Man versteht ja nicht alle Details, nur dass sich vieles Gewohnte ändern soll. Gerade in den neuen Bundesländern weckt das auch ungute Erinnerungen an die Wende - Menschen wurden mit falschen Versprechungen beruhigt, von windigen Geschäftemachern betrogen und vieles ohne die notwendige Transparenz zerstört. Wie immer in solchen Phasen, versuchen (politische) Gruppierungen daraus für ihre Zwecke Kapital zu schlagen, indem sie durch gefärbte, laute und wiederholte Aussagen diese Angst weiter schüren. Bei anderen herrscht „Goldgräberstimmung“ – Beispiel - der Hype um die Wasserstofftechnologie. Jeder will dort jetzt mitmachen (und Fördergelder abfassen!).

Während die chemische und die Stahlindustrie Wasserstoff als Ersatz für Erdgas benötigen, ist die für die Energieversorgung verfolgte Wasserstoff-Strategie abwegig. Tatsachen belegen: (1) Wasserstoff hat eine viel geringere Energiedichte als Erdgas, so dass keine der bisher mit Erdgas betriebenen Anlagen mit Wasserstoff betrieben werden kann. (2) für die Wasserstoff-Erzeugung werden Unmengen von Wasser gebraucht sowie (3) viel überschüssiger Grünstrom, was wir alles nicht haben und nicht haben werden.

Der einzig machbare effiziente Weg der zukünftigen Energieversorgung ist nur eine Stromstrategie – weg von der seit Urzeiten betriebenen Verbrennungstechnik.

Es fehlt an großen Stromspeichern

Es gilt, sich auf unsere Stärken zu besinnen und unsere Fähigkeit zum Wandel zu zeigen und etwas zu tun. Ich möchte das an einem aus meiner Sicht sehr schönen Beispiel erläutern: Unser Ziel ist ja die Umstellung der Stromerzeugung auf erneuerbare Energien wie Wind und Solar. Diese Quellen liefern aber nicht gleichmäßig oder steuerbar Strom. Es gibt witterungsbedingt Zeiten, in denen Strom im Überfluss ansteht oder Defizit herrscht. Es fehlt schlicht an richtig großen Stromspeichern. Bei der gegenwärtig praktizierten Lösung werden viele fossile Kraftwerke in Reserve gehalten, bzw. es sollen ca. 80 neue Gaskraftwerke gebaut werden, um auch in den gefürchteten „Dunkelflauten“ ausreichend Strom zur Verfügung zu haben.

Bei Stromüberfluss aus Windkraftanlagen und Fotovoltaikanlagen wird die Stromerzeugung in den Anlagen bis auf null abgeregelt! Die Betreiber von Windkraftanlagen werden dafür entschädigt. Allein im Jahr 2021 wurden geschätzte mehr als einer Milliarde Euro als Ausgleichszahlungen geleistet, Geld, das wir Verbraucher über den Strompreis bezahlen müssen!

Dabei haben Dresdner Ingenieure eine sehr interessante Lösung für dieses Problem entwickelt – das erste Gaskraftwerk der Welt, als multi-GWh-Speicherkraftwerk“ (eine weitere Gigafactory aus Dresden) ! Es handelt sich um einen Projektvorschlag. Zunächst wird mit überschüssigem Strom Wasserstoff und Sauerstoff erzeugt, der Wasserstoff dann zusammen mit gespeichertem CO2 in Methan umgewandelt und der Sauerstoff gespeichert. Dieses Methan wird im bestehenden Methan-Erdgas-Netz zwischengespeichert. Bei einem Strom-Defizit/ einer Dunkelflaute wird das Erdgas dann in einer konventionellen Gasturbine mit dem gespeicherten Sauerstoff und CO2 anstelle von Stickstoff gemischt, verbrannt und dabei Grün-Strom erzeugt. Das entstehende Wasser und CO2 werden gespeichert und im System wiederverwendet.

Vorteile dieses Systems:

1. Alle vorgeschlagenen und notwendigen Anlagen sind Stand der Technik und verfügbar, es könnten zum Beispiel bestehende Gaskraftwerke sofort ergänzt werden

2. Es werden keine schädlichen Abgase erzeugt, alle verwenden Medien werden im Kreislauf geführt – das Kraftwerk ist richtig „grün“!

3. Der elektrische Wirkungsgrad erreicht zwar „nur 40 Prozent“- aber das sind immerhin 40 Prozent einer Energiemenge, die sonst überhaupt nicht nutzbar wäre – das wäre so, als würde man Photovoltaik nicht nutzen wollen, weil der Wirkungsgrad dort ja auch nicht höher als 25 Prozent ist!

4. Der im Prozess auftretende Energieverlust ist grüne Wärme mit einem hohen Nutzungspotential für industrielle und Heizungsanwendungen.

5. Das Wasser für die Elektrolyse kommt aus dem Prozess selbst.

6. Wir müssen weder Erdgas noch teures LNG mehr kaufen. Wir werden erdgasfrei in der Energieversorgung!

Klaren Plan für die Energiewende vorlegen

Politik und Wirtschaft müssen einen gemeinsamen Plan erarbeiten und diesen mit den Menschen in Deutschland klar und transparent diskutieren: 1. Wo wollen wir 2040 sein? 2. Welche Maßnahmen müssen dazu umgesetzt werden? 3. Welche Probleme werden erwartet und wie werden diese angegangen? 4. Welche sozialen Verwerfungen können entstehen und wie werden diese abgefangen?

Die Menschen im „Osten“ haben gezeigt, dass sie solche Veränderungen umsetzen können. Wir können und wollen es wieder tun für eine bessere Zukunft für uns alle, insbesondere für unsere Kinder und Enkel!

"Menschen können zu verändernden Handlungen nur motiviert werden, wenn sie Hoffnung haben. Und sie können nur Hoffnung haben, wenn es eine Vision gibt; und sie können nur dann eine Vision haben, wenn man ihnen Alternativen zeigt. Solche Alternativen aber gibt es nur auf Grund enormer Anstrengung von Denken und Vorstellungsvermögen und nicht, wenn sich alle Energien auf Protest und Entrüstung konzentrieren.” (Erich Fromm, Ethik und Politik, 1990)

Der Autor, Dr. Johann Harter, war Chief Operating Officer der Activ Solar GmbH (Bau von großen Freiflächensolaranlagen), die im Zuge der Ukraine-Krise 2013 insolvent ging. Seitdem arbeitet er als Unternehmensberater. Harter hat langjährige Berufserfahrungen im Management von Halbleiterfabriken bzw. der Technologieentwicklung, unter anderem in der Standortleitung Infineon Technology Dresden