Solaranlagen schießen allerorts wie Pilze aus dem Boden. Auch in und um Weißkeißel ist das so – oder zumindest beabsichtigt. „Uns überrollt die Geschichte in diesem Jahr“, beschrieb der wiedergewählte Bürgermeister Andreas Lysk (parteilos) in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats die Situation. Fasst man alle (geplanten) Aktivitäten zusammen, wäre die Gemeinde von Solaranlagen geradezu eingekreist. Auf dem Flugplatz Sagar sowie angrenzend an Weißkeißel auf der Gemarkung Boxberg soll mit Photovoltaik (PV) grüner Strom erzeugt werden. Vor einigen Wochen hatten sich Projektentwickler von Energie Baden-Württemberg (EnBW) im Gemeinderat vorgestellt. Der Konzern peilt in Weißkeißel auf 70 Hektar Fläche eine Mega-Anlage an. Und nun gibt es noch einen Interessenten.
Überschaubares Projekt geplant
Für Andreas Lysk ist die Sache schon „ein bisschen ambivalent“. Denn dabei müsse man die Einnahmen für die Gemeindekasse betrachten. Im gleichen Atemzug erklärte er jedoch klipp und klar, dass man ohne die Einwilligung der Eigentümer um eine solche PV-Anlage herum nichts entscheiden werde. Durch Kopfnicken signalisierten die Räte allgemeine Zustimmung.
Im Weißkeißeler Ortsteil Haide möchte die Budissa AG Solarstrom erzeugen. Über die Pläne dazu sprach Vorstand Dr. Udo Weber jetzt vor den Gemeinderäten. In Haide besitzt das Unternehmen eine vier Hektar große Fläche, die seit Jahren stillliegt. „Wir würden dort eine kleine PV-Anlage von drei Megawatt errichten wollen und drum herum mit Heckenpflanzungen und anderen Dingen noch etwas für die Natur tun“, erklärte er. Eine große Präsentation habe er nicht vorbereitet, „da das Vorhaben überschaubar ist“, wie er sagte. In der Budissa AG, die im Bauernverband organisiert ist, kenne man durchaus auch diverse Großprojekte. Weber bezeichnete sie schlichtweg als „Wahnsinn“. Erst recht, wenn dafür noch Kilometer weit Kabel bis zum nächsten Einspeisepunkt verlegt werden müssten. „Das wollen wir nicht, aber solche kleinen Anlagen wie in Haide, die würden für uns Sinn machen“, betonte er. Zumal nach einer Online-Abfrage ganz in der Nähe ein Einspeisepunkt möglich wäre.
Investor ist regional verwurzelt
Die Budissa Agrarprodukte AG Niederkaina bei Bautzen entstand kurz nach der Wende. Zur Gründung hätten sich seinerzeit 1.175 Menschen im Krone-Saal in Bautzen getroffen. 2.000 Aktionäre seien es damals gewesen, heute noch halb so viele. Den bestimmenden Großaktionär gibt es nach den Worten von Udo Weber nicht. „Wir sind wie ein großer Familienbetrieb. Keiner hat mehr als ein Hektar Land“, sagte er. Alle Eigentümer kämen aus der Region. Vielfach seien es schon die Enkel. Das landwirtschaftliche Unternehmen beschäftigt 250 Mitarbeiter.
Auf 9.200 Hektar Ackerflächen werden unter anderem Weizen, Gerste, Raps und Kartoffeln angebaut. Die einstmals 6.000 Kühe habe man auf 1.500 reduziert. Das Unternehmen investiert über eine Million Euro in Melkroboter in Kleinbautzen, weil man für die Landwirtschaft kaum noch Leute finde. Damit verbunden seien erhebliche Umweltauflagen. Hinzu kämen die Beschränkungen wegen der Afrikanischen Schweinepest. Deshalb habe man vor zwei Wochen die Schweinemastanlage in Klix geschlossen. Die Landwirtschaft stehe unter einem massiven Kostendruck. Die Erhöhung des Mindestlohns um einen Euro pro Stunde bedeute für die Budissa AG 700.000 Euro zusätzlich. Auch die Kosten für Energie und neue Landtechnik seien extrem teuer geworden. Viele seiner Studienkollegen hätten deswegen schlaflose Nächte.
Vom Landwirt zum Energiewirt
In der Budissa AG versucht man gegenzusteuern. Bereits seit den 2000-er Jahren, so Udo Weber, seien Landwirte zu Energiewirten geworden. Das Unternehmen betreibt vier Biogasanlagen, deren Bau war seinerzeit gefördert worden. Quasi über Nacht aber seien durch Beschlüsse die Hürden so hoch angesetzt worden, dass es in der Branche kaum noch Erweiterungen gibt.
Auf ihren eigenen Dächern hat die Budissa AG PV-Anlagen installiert. Das Unternehmen verbraucht vier bis fünf Millionen Kilowattstunden, erzeuge aber selber 14 bis 16 Millionen. Eng arbeite man seit Jahren mit der Solar direct Group zusammen. Das in Burkau ansässige Unternehmen mit 30 Mitarbeitern kennt die Gegebenheiten in der Oberlausitz genau. Das sei umso wichtiger, da es in der Branche „viele Schwarze Schafe“ gibt, wie Udo Weber weiß. Die Solar direct Group würde auch das Projekt in Haide begleiten.
Wenn die Anwohner dort das Vorhaben befürworten, könnte es recht schnell mit den konkreten Planungen losgehen. „Aber wir rufen die Leute nicht an und werden niemanden terrorisieren“, versicherte Budissa-Vorstand Udo Weber, der es selber auch ganz anders kennt. Bürgermeister Andreas Lysk bekräftigte noch einmal, dass man nichts gegen den Willen der Bürger tun werde. Er regte an, dass Weber das Vorhaben in einer Veranstaltung mit Anwohnern besprechen solle. Der Gemeinderat werde sich damit befassen, stellte er in Aussicht. Nur sei jetzt erst mal Sommerpause.