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Zu große Risiken: Verfassungsschutz warnt vor Tiktok

Bei der Kurzvideo-App hat der chinesische Staat zu großen Zugriff, warnt die deutsche Behörde. Auch wenn es hierzulande keine Grundlage für ein Verbot gibt, warnt sie vor der App-Nutzung.

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Die Kurzvideo-App TikTok ist sehr beliebt, steht aber nicht nur hierzulande wegen des möglichen Einflusses durch den chinesischen Staat in der Kritik.
Die Kurzvideo-App TikTok ist sehr beliebt, steht aber nicht nur hierzulande wegen des möglichen Einflusses durch den chinesischen Staat in der Kritik. © APMichael Dwyer/AP/dpa (Archiv)

Washington. Das Bundesamt für Verfassungsschutz sieht erhebliche Risiken bei der Verwendung der Kurzvideo-App Tiktok. "Wenn Sie sich Umfang der Daten, der Metadaten, der Inhalte bei Tiktok anschauen auf der einen Seite, und wenn Sie sich dann auch anschauen, welche Einflussmöglichkeiten staatliche Stellen auf solche Unternehmen haben, dann kann das nur Bauchschmerzen auslösen. Und die habe ich", sagte der Vizepräsident des Inlandsgeheimdienstes, Sinan Selen, am Donnerstag in Berlin am Rande einer Veranstaltung zu Spionage, Sabotage und Cyberrisiken für die deutsche Wirtschaft.

"Wir sind im Ausmaß dessen, worauf staatliche Stellen, gerade in China Zugriff nehmen können, nicht klar genug - ich glaube, das ist das Kernproblem bei der ganzen Sache", fügte er hinzu. Unternehmen wie Tiktok seien nicht im Stande, sich einer solchen Einflussnahme zu entziehen. Wenn man das mit im Blick habe, komme man zu dem Schluss, dass Sicherheitsfragen stärker betont werden müssten.

In der Debatte um den Kurzvideo-Dienst sieht Innenministerin Nancy Faeser für Deutschland keine Grundlage für ein generelles Verbot der App. Man müsse jedoch verstärkt darüber aufklären, dass es sich bei Tiktok um eine Firma handele, bei der "die Daten natürlich abfließen können", sagte die SPD-Politikerin Faeser am Mittwoch (Ortszeit) in Washington. In den USA wird derzeit über ein Verbot des vor allem bei Jugendlichen beliebten Dienstes diskutiert. Weltweit hat Tiktok mehr als eine Milliarde Nutzer.

China könnte Nutzerdaten sammeln und ausnutzen

Tiktok steht zunehmend unter politischem Druck, weil die Plattform zum aus China stammenden Bytedance-Konzern gehört. Am Donnerstag sollte sich Firmenchef Shou Zi Chew Fragen von US-Abgeordneten im Kongress stellen. Themen der Anhörung im Handelsausschuss des Repräsentantenhauses sind die Sicherheit der Daten sowie der Schutz von Kindern. In den USA hat der Dienst mehr als 150 Millionen Nutzer. Auch in Deutschland ist er weit verbreitet.

Tiktok ist die einzige auch im Westen erfolgreiche Online-Plattform, die nicht aus den USA stammt. In den USA und Europa gibt es zunehmend Sorge, dass chinesische Behörden und Geheimdienste damit Informationen von Nutzern sammeln oder Nutzer beeinflussen könnten. Die US-Regierung fordert nach Medienberichten den Ausstieg chinesischer Anteilseigner.

Tiktok weist solche Vorwürfe zurück und betont, man sehe sich nicht als Tochter eines chinesischen Unternehmens. Bytedance sei zu 60 Prozent im Besitz westlicher Investoren. Der Firmensitz liege auf den Cayman-Inseln in der Karibik. Kritiker kontern, dass die chinesischen Gründer bei einem Anteil von 20 Prozent die Kontrolle dank höherer Stimmrechte hielten und Bytedance eine große Zentrale in Peking habe.

In der App kann man sich von einem kurzen Video zum nächsten scrollen. Ein entscheidender Faktor für den Erfolg ist der Software-Algorithmus, der Clips für jeden Nutzer individuell auswählt und ständig an ihre Vorlieben anpasst. Dabei wird berücksichtigt, ob man ein Video bis zum Schluss angeschaut oder sofort weitergeblättert hat. Am Ende hat die Software eine gute Vorstellung von den Interessen der Nutzer. Eine der Sorgen im Westen ist, dass dieser Datenschatz missbraucht werden könnte.

Regierungen weltweit verbieten Tiktok auf Dienst-Handys

In den USA, Kanada und Großbritannien ist die App auf Dienst-Handys von Regierungsmitarbeitern verboten, auch bei der EU-Kommission. Im US-Kongress ist zudem ein Gesetz in Arbeit, das Präsident Joe Biden die Vollmachten für ein komplettes Verbot der App geben könnte. Schon Bidens Vorgänger Donald Trump hatte versucht, mit einer Verbotsdrohung einen Verkauf des internationalen Geschäfts von Tiktok zu erzwingen. Er wurde jedoch von US-Gerichten gestoppt, die eine mangelhafte rechtliche Grundlage für das Vorgehen sahen.

Tiktok betont, man habe nie Datenanfragen von der chinesischen Regierung bekommen und würde solchen auch nicht nachkommen, weil es dafür keine rechtliche Grundlage gebe. Der Dienst versucht, die Bedenken mit Versprechen von mehr Transparenz auszuräumen. So sollen Daten europäischer Nutzer in drei Rechenzentren in Europa gespeichert werden. Bisher lagern sie in Singapur und die USA. Auch werde ein unabhängiger Partner den Datenfluss und den Zugang zu Informationen überwachen. In den USA lässt Tiktok den Softwarecode seiner App in einer ähnlichen Struktur vom Software-Konzern Oracle prüfen.

Faeser will allgemein gegen staatliche Einflussnahme aus China vorgehen. "Wir kommen gerade aus einer starken Abhängigkeit von Russland in der Energieversorgung. Wir wollen nicht weitere Abhängigkeiten schaffen", sagte die SPD-Politikerin. Man achte sehr darauf, dass man staatliche Einflussnahme durch China möglichst frühzeitig erkenne, betonte sie mit Blick auf Tiktok. Sie wolle bei ihrem Besuch in den USA auch über die Einflussnahme durch Desinfomationskampagnen sprechen, die von Russland und China gesteuert würden. (dpa)