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Innenministerin Faeser: Wir haben vieles besser gemacht als 2015

Mit dem Wechsel von Horst Seehofer zu Nancy Faeser an der Spitze des Bundesinnenministeriums gab es einen Generationswechsel. Im Interview erklärt die erste Frau im Amt, warum sie die Heimat-Abteilung beibehalten hat.

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Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin für Inneres und Heimat, im Interview.
Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin für Inneres und Heimat, im Interview. © Christophe Gateau/dpa

Berlin. Die einst auf Drängen der CSU geschaffene Heimat-Abteilung im Bundesinnenministerium erhält unter der neuen Hausherrin Nancy Faeser eine andere Ausrichtung. Im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur erzählt die ehemalige SPD-Landtagsfraktionschefin aus Hessen außerdem, wie kurzfristig ihr Wechsel nach Berlin eingetütet wurde und warum die Bekämpfung des Rechtsextremismus für sie auch eine Herzensangelegenheit ist.

Faesers Umzug von der Oppositionsbank im hessischen Landtag an die Spitze des Bundesinnenministeriums im Dezember 2021 kam überraschend: Viele Beobachter hatten auf die heutige Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) als erste Frau in diesem Amt getippt.

Auf Spekulationen, Faeser könnte vorzeitig aus dem Kabinett ausscheiden, um 2023 Spitzenkandidatin der hessischen SPD zu werden, ist die 51-Jährige bisher nicht eingegangen.

Was macht eigentlich die von der CSU geschaffene Heimat-Abteilung im Bundesinnenministerium?

Die habe ich umgebaut und verstärkt. Ich habe aus der Heimatabteilung eine Abteilung gemacht zur Stärkung unserer Demokratie, zur Prävention gegen jede Form von Extremismus und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Mal zurückgeschaut zu den Koalitionsverhandlungen: Da waren Sie ja schon eingebunden, dennoch kam Ihre Ernennung zur Bundesinnenministerin für viele überraschend. Wie viel Bedenkzeit hatten Sie, als Olaf Scholz Sie gefragt hat, ob Sie das machen wollen?

Ich hatte nicht viel Bedenkzeit. Olaf Scholz hat mich sonntags angerufen, und montags stand ich vor der Kamera. Für mich ist es eine sehr schöne Aufgabe, weil ich ja vorher 15 Jahre lang Innenpolitik gemacht habe und jetzt die Dinge auch umsetzen kann. Innere Sicherheit ist für mich eine Frage der sozialen Gerechtigkeit.

Es geht mir darum, dass alle Menschen frei und sicher in unserer Gesellschaft leben, ganz gleich, wo ihre Familien einmal herkamen, woran sie glauben, wen sie lieben und wie viel Geld sie haben. Ich bin mit vollem Herzen und ganzer Leidenschaft Bundesinnenministerin – in schwierigen Zeiten.

Sie haben schon bei Amtsantritt die Bekämpfung des Rechtsextremismus als Priorität benannt. Hat das auch persönliche Gründe?

Ja, der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke durch einen Neonazi ist mir sehr nah gegangen. Ich kannte ihn gut. Und der rechtsextremistische Anschlag in Hanau hat mich sehr geprägt, weil ich die Familien der Opfer so gut kennengelernt habe und mich ihre Schicksale bis heute bewegen.

Ich habe aber auch andere Formen des Extremismus erlebt. Bei den Aktionen gegen den Autobahnbau im Dannenröder Forst in Hessen habe ich mich sehr scharf gegen den gewalttätigen Linksextremismus gewandt. Da wurden Drähte gespannt, quer durch den Wald, in Kopfhöhe von Polizeibeamtinnen und -beamten. Und als Bundesinnenministerin beschäftigt mich natürlich auch die weiterhin akute Bedrohung durch islamistischen Terrorismus.

Wie präsent dieser in Europa weiter ist, haben wir erst am vergangenen Wochenende an der furchtbaren Tat in Oslo gegen die queere Community sehen müssen.

Wie kann dem frühzeitig begegnet werden?

In der Extremismusprävention brauchen wir einen sehr vielfältigen Ansatz. Das fängt an mit einer guten Sozialpolitik. Ungeheuer wichtig ist zudem, schon in Kitas und Schulen Respekt füreinander und demokratische Werte zu vermitteln. Das sind die wirksamsten Projekte, die sehr frühzeitig ansetzen. Prävention ist extrem wichtig. Deswegen werden wir auch gesellschaftliches Engagement sehr viel stärker unterstützen.

Dafür bringe ich zusammen mit Familienministerin Lisa Paus bis Ende des Jahres das Demokratiefördergesetz auf den Weg. Damit bekommen die vielen großartigen demokratischen Initiativen in unserem Land endlich mehr Planungssicherheit. Wir wollen politische Bildung und gesellschaftliches Engagement umfassend und verlässlich fördern.

"Ich spekuliere nicht über mein Amt, ich fülle es aus"

Wie haben Sie die Bundestagsdebatten zum Ukraine-Krieg empfunden, was hat Sie da womöglich auch gestört?

Es gab natürlich am rechten Rand den plumpen Versuch, jede Krise für Spaltung und Menschenverachtung zu missbrauchen. Aber das verfängt nicht. Ebenso wenig verfängt die russische Propaganda und Desinformation. Da wird zum Beispiel behauptet, es gebe massenhaft Angriffe auf Menschen mit russischen Wurzeln in Deutschland. Das ist falsch. Wir haben immer klargestellt seit Beginn des Krieges, dass es Putins Krieg ist. Es ist nicht der Krieg der Menschen mit russischem Migrationshintergrund, die in Deutschland leben. Solche Narrative ärgern mich.

Die Aufnahme der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine war eine Herausforderung – bewältigt Deutschland sie?

Zu Beginn des Krieges hat mich geärgert, dass es viel Diskussion über die Frage gab, was man hinkriegt und was man nicht hinkriegt. Währenddessen haben unglaublich viele Bürgerinnen und Bürger und die staatlichen Stellen angepackt und bis heute mehr als 850.000 Geflüchtete – vor allem Frauen und Kinder – aufgenommen und versorgt. Wir haben vieles sehr viel besser gemacht als bei der letzten großen Fluchtbewegung 2015.

Die Aufnahme ukrainischer Kriegsflüchtlinge hier in Deutschland und auch in anderen EU Staaten läuft vergleichsweise unbürokratisch, auch was den raschen Zugang zu Leistungen der Grundsicherung angeht und zu den Beratungsangeboten der Jobcenter. Es gibt jetzt Forderungen, so müssten alle Schutzsuchenden künftig behandelt werden. Wie stehen Sie dazu?

Es ist ein historischer Erfolg, dass es uns gelungen ist, in der ganzen EU Geflüchteten aus dem furchtbaren Krieg in der Ukraine unmittelbaren Schutz zu gewähren – in allen Staaten, schnell und unbürokratisch. Das war eine große Leistung, und zwar einstimmig. Es war schwierig, das hinzubekommen. Gerade wir haben uns dafür sehr, sehr eingesetzt.

Ich bin auch sehr froh, dass es uns jetzt gelungen ist, auch für andere Geflüchtete auf der europäischen Ebene einen Schritt weiterzukommen. Wir werden unserer humanitären Verantwortung gerecht.

Was heißt das?

Wir öffnen auch die Integrationskurse in Deutschland für alle Menschen, sofort nach ihrer Ankunft. Unsere Werte und unsere Sprache zu vermitteln, ist immer wichtig, auch wenn Menschen nur vorübergehend hier in Deutschland sind. Für Afghaninnen und Afghanen habe ich das ganz kurz nach meinem Amtsantritt schon geändert.

Wir schaffen jetzt das Chancen-Aufenthaltsrecht, das wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben. Damit geben wir Menschen, die schon längst gut in unsere Gesellschaft integriert sind, endlich eine sichere Perspektive. Wir beenden die bisherige Praxis der Kettenduldungen – und damit auch die Bürokratie und die Unsicherheit, die damit verbunden war.

Von Kritikern wird gesagt, das hätte einen Pull-Effekt (Sog-Effekt). Das ist Unsinn. Denn es geht ja nur um gut Integrierte, die schon fünf Jahre hier leben. Es geht um Menschen, die sich einbringen wollen. Ich habe bisher noch niemanden getroffen, der in dem Bereich tätig ist, auch in den Ausländerbehörden, der das nicht absolut richtig findet.

Insbesondere die Städte und Gemeinden haben sich ein Chancen-Aufenthaltsrecht schon lange gewünscht. Ich erfahre da sehr positive Rückmeldungen. Und selbst bei der Union gibt es einige, die mich da unterstützen. Beispielsweise der hessische Ministerpräsident Boris Rhein hat meine Initiative ausdrücklich begrüßt.

Mit Franziska Giffey und Manuela Schwesig gab es schon zwei SPD-Politikerinnen, die erst Bundesministerinnen waren und dann in einem Land Regierungschefin wurden. Ist das der Königsweg für SPD-Politikerinnen?

Beide sind starke Ministerpräsidentinnen, die ihren Weg gegangen sind. Wenn Sie mich damit ansprechen wollen: Ich bin mit Leib und Seele Bundesministerin des Inneren und für Heimat. Meine volle Kraft gilt diesem Amt.

Gesetzt den Fall, sie sollten nicht bis zum Ende der Legislaturperiode Innenministerin sein, sondern vielleicht eine andere Aufgabe finden, wäre es dann automatisch so, dass es wieder eine Frau sein müsste, so wie beim Wechsel im Familienministerium?

Das ist eine Frage, die sich überhaupt nicht stellt. Mit mir trägt erstmals eine Frau die Verantwortung für die innere Sicherheit in unserem Land, dafür wurde es Zeit. Ich spekuliere nicht über mein Amt, ich fülle es aus. (dpa)