Wirtschaft
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Warum die ostdeutsche Wirtschaft jetzt stärker wächst

Die Energiekrise hat die Firmen weniger gebremst als erwartet. Der neue Ost-Vorsprung beim Wirtschaftswachstum hat vor allem zwei Ursachen, die sehr verschieden sind.

Von Georg Moeritz
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Die neue Autofabrik von Tesla in Grünheide hat voriges Jahr stark zum Wirtschaftswachstum in Brandenburg beigetragen - aber nicht nur sie.
Die neue Autofabrik von Tesla in Grünheide hat voriges Jahr stark zum Wirtschaftswachstum in Brandenburg beigetragen - aber nicht nur sie. © Patrick Pleul/dpa

Dresden. Es gibt Wachstum statt der befürchteten Rezession: Deutschlands führende Institute für Wirtschaftsforschung haben am Mittwoch festgestellt, dass die Unternehmen glimpflicher durch die Zeit von Corona, Energiekrise und Inflation gekommen sind als befürchtet. Die ostdeutsche Wirtschaft wird in diesem Jahr voraussichtlich stärker wachsen als die westdeutsche. Voriges Jahr war das auch schon so.

Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) rechnete vor, dass die Wirtschaft in den neuen Ländern voriges Jahr um drei Prozent wuchs, während im Westen nur 1,5 Prozent Wirtschaftswachstum zu spüren waren. Für dieses Jahr erwartet IWH-Chef Oliver Holtemöller nun ein Prozent Wachstum im Osten und 0,3 Prozent in den alten Ländern.

Der Ökonom aus Halle nannte vor allem zwei Gründe dafür, dass die neuen Länder derzeit rechnerisch stärker zulegen: Zum einen ist in Grünheide die Autofabrik von Tesla in Betrieb gegangen. Das trug maßgeblich zu den mehr als 13 Prozent Wachstum der brandenburgischen Industrie bei. Eine Rechnung ohne Brandenburg zeigt dagegen Stagnation der Industrie in West- wie Ostdeutschland während des vergangenen Jahres. Die Industrie ist aber nur ein Teil der Wirtschaft.

Mindestlohn führt zu höherem Einkommen im Osten

Zum anderen hat die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro pro Stunde zum Oktober vorigen Jahres sich im Osten stärker ausgewirkt – denn in den neuen Ländern gibt es mehr Mindestlohn-Empfänger als in den alten. Die Bruttogehälter im Osten je Beschäftigten stiegen voriges Jahr um 6,4 Prozent im Osten. Laut Holtemöller dürfen auch in diesem Jahr „die Einkommen in Ostdeutschland kräftiger expandieren als im Westen“. Im Sommer steigt die gesetzliche Rente im Osten um 5,9 Prozent, im Westen nur um 4,5 Prozent.

Eine Konjunkturprognose nur für Sachsen schreibt das Institut in Halle nicht. Die jüngste Sachsen-Vorhersage hat das Ifo-Institut im Dezember vorgelegt. Schon damals sagte der Dresdner Ifo-Forscher Joachim Ragnitz voraus, nach einer „Delle“ im Wirtschaftswachstum werde die Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte auf einen Wachstumspfad einschwenken.

Die Forscher sagen voraus, dass die Liefer-Engpässe nachlassen und Energie etwas günstiger wird. Der milde Winter habe der Wirtschaft geholfen. Einen Gasmangel im kommenden Winter können sie aber nicht ausschließen, vor allem bei großer Kälte. Die Inflationswelle dürfte ihren Höhepunkt erreicht haben, heißt es in der Gemeinschaftsdiagnose der Ökonomen. Doch es gebe noch immer einen „Nachfragesog“, auch dank der Staatshilfen. Die hohen Preise bremsen nun die Baubranche, aber der private Konsum dürfte zunehmen.