Sachsen-Koalition streitet um Einheitsfeier

Um den Festakt zum Tag der deutschen Einheit am 3. Oktober im Sächsischen Landtag ist ein Streit entbrannt. Grüne und SPD wollen nicht teilnehmen. Sie kritisieren wie die Linke, die als erste auf die Personalie aufmerksam gemacht hatte, den Festredner. Sachsens Landtagspräsident Matthias Rößler (CDU) hatte den Dresdner CDU-Bundestagsabgeordneten Arnold Vaatz eingeladen.
Rößler würdigte den Politiker, der stellvertretender Chef der Unionsbundestagsfraktion ist, als "führenden sächsischen Protagonisten" der friedlichen Revolution. Der Theologe und Mathematiker war in der DDR inhaftiert. Der Bürgerrechtler leitete den Ausschuss zur Gründung des Landes Sachsen 1990. Acht Jahre gehörte Vaatz als Minister den Kabinetten von Regierungschef Kurt Biedenkopf (CDU) an, seit 1998 sitzt er im Bundestag.
Kritiker wie Linkenfraktionschef Rico Gebhardt werfen ihm rechtspopulistische Äußerungen vor. Grünenfraktionschefin Franziska Schubert twitterte, ihre Partei halte Vaatz als Festredner für ungeeignet und werde fernbleiben. Anfang August hatte der Abgeordnete nach einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen unter anderem die Berliner Polizei kritisiert und sie mit DDR-Medien verglichen.
Er schrieb auf dem Portal Tichys Einblick: "Von Monat zu Monat lernt man mehr von der DDR. Die dreiste Kleinrechnung der Teilnehmerzahlen der Demo vom 1. August durch die Berliner Polizei entspricht in etwa dem Geschwätz von der ‚Zusammenrottung einiger weniger Rowdys‘, mit der die DDR-Medien anfangs die Demonstrationen im Herbst 1989 kleinrechneten."
Ironische Antwort der SPD
Bei einer Veranstaltung in Dresden sprach Vaatz im vergangenen Jahr von einem "Diktat der Presse in Deutschland", das er für "eine von demokratischen Prinzipien nicht gedeckte Einflussnahme auf die Politik“ halte. Sei sei "totalitär" geworden.
Die parlamentarische SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Sabine Friedel ging in der Freien Presse mit Ironie auf Distanz zu Vaatz und ordnete ihn neurechten Protagonisten zu: "Wenn Xavier Naidoo die musikalische Begleitung übernimmt, Attila Hildmann das Catering beim anschließenden Stehempfang und Uwe Steimle die Veranstaltung moderiert, dann lässt die SPD-Fraktion das Popcorn springen. Andernfalls werden wir abwesend sein."
AfD-Landtagsfraktionschef Jörg Urban geht davon aus, dass die CDU Rößler dazu drängen werde, Vaatz auszuladen: "Denn zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist es unvorstellbar, dass sich Ministerpräsident Michael Kretschmer freiwillig in eine Veranstaltung setzt, an der lediglich AfD und CDU teilnehmen.“
CDU-Fraktionschef Christian Hartmann würdigte dagegen Vaatz als einen der "Gründerväter der sächsischen Demokratie". Er sei ein "Opfer des DDR-Unrechtsstaates". Hartmann verwies auf das Engagement von Vaatz in der Dresdner Bürgerrechtsgruppe der 20 sowie bei der Besetzung der Stasi-Bezirksverwaltung.
Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) will am Festakt teilnehmen. Ursprünglich hatte er nach Darstellung seines Sprechers Ralph Schreiber die Teilnahme beim bundesweiten Festakt in Potsdam erwogen. Nun seien allerdings für den 3. Oktober weitere Termine in Sachsen dazugekommen, so dass der Regierungschef im Landtag sein werde. Vaatz selbst äußerte sich in der Leipziger Volkszeitung und ließ seine Teilnahme offen: "Ich würde der Einladung des Landtagspräsidenten gern folgen, habe mich aber noch nicht entschieden." Mit Blick auf seine Kritiker sagte er: "Ich habe es nicht nötig, mich von diesen Leuten beleidigen zu lassen."
Der Dresdner FDP-Bundestagsabgeordnete Torsten Herbst kritisierte eine "Cancel culture auf Sächsisch": "Wer unbequeme Dinge sagt, wer pointiert und auch überspitzt eine ‚falsche‘ Meinung vertritt, ist nicht erwünscht und wird nicht geduldet."
Klar ist: Der Festakt zum 30. Jubiläum des Freistaates Sachsen ist bereits jetzt politisch aufgeheizt. Landtagspräsident Rößler hat vermutlich mit Protesten gerechnet, aber wohl nicht in dieser Deutlichkeit. Selten zeigte sich die Kenia-Koalition so uneinheitlich.