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Russland gerät auch beim G20-Gipfel unter Druck

Der mächtigste Verbündete China schickt beim G20-Gipfel klare Signale an Russland. Auf uneingeschränkte Unterstützung aus Peking kann sich Kremlchef Putin nicht mehr verlassen. Wie geht er damit um?

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Nusa Dua: Die Staats- und Regierungschefs versammeln sich während des G20-Gipfels. Die Gruppe der stärksten Industrienationen und aufstrebenden Volkswirtschaften kommt für zwei Tage auf Bali zusammen.
Nusa Dua: Die Staats- und Regierungschefs versammeln sich während des G20-Gipfels. Die Gruppe der stärksten Industrienationen und aufstrebenden Volkswirtschaften kommt für zwei Tage auf Bali zusammen. © Dita Alangkara/AP Pool/dpa

Nusa Dua. Russland gerät knapp neun Monate nach Beginn seines Kriegs gegen die Ukraine auch in der G20-Runde führender Wirtschaftsmächte unter Druck. Beim Gipfel auf der indonesischen Insel Bali verzichteten bisherige Unterstützer wie China und Indien darauf, eine gemeinsame Abschlusserklärung zu blockieren. In dem am Dienstag praktisch fertig ausgehandelten Papier heißt es: "Die meisten Mitglieder verurteilten den Krieg in der Ukraine aufs Schärfste."

Auch Moskau will die Erklärung mittragen - weil darin ausdrücklich betont wird, dass nicht alle G20-Länder die Verurteilung teilen. Das Papier soll an diesem Mittwoch zum Abschluss des Gipfel von den 20 Delegationen verabschiedet werden.

Bisher hat Chinas Staatschef Xi Jinping den russischen Präsidenten Wladimir Putin nahezu uneingeschränkt unterstützt. Der Kremlchef ließ sich auf dem Gipfel von Außenminister Sergej Lawrow vertreten. Dieser blieb auch während einer Videobotschaft des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Saal.

Kanzler Scholz spricht mit Lawrow

Bundeskanzler Olaf Scholz sprach am Rande des Gipfels kurz mit dem russischen Außenminister. "Er stand in meiner Nähe und hat auch zwei Sätze gesagt. Das war das Gespräch", sagte Scholz nach den ersten beiden Arbeitssitzungen. Er wolle nicht, dass da ein falscher Eindruck von der Länge des Austauschs entstehe. Er zeigte sich zufrieden mit dem ersten Ergebnissen des G20-Treffens. "Bisher trotz der Rahmenbedingungen, die bedrückend sind, ein ganz erfolgreich verlaufender Gipfel."

Entwurf der Abschlusserklärung: Aufforderung zum Kriegsende

Konkret wird im Entwurf der Abschlusserklärung aus einer Resolution der Vereinten Nationen zitiert. Damit wird Russland aufgefordert, die Kriegshandlungen einzustellen und seine Truppen sofort aus der Ukraine abzuziehen.

Auf Russlands Position wird vor allem mit dem Satz eingegangen: "Es gab andere Auffassungen und unterschiedliche Bewertungen der Lage." Russland akzeptiert demnach auch, dass der russische Angriff als Krieg bezeichnet wird und nicht - wie von Putin vorgegeben - als "militärische Spezialoperation".

Lawrow bestätigte, dass die Arbeit praktisch abgeschlossen sei. "Unsere westlichen Kollegen haben auf jede erdenkliche Weise versucht, diese Erklärung zu politisieren, und sie haben versucht, Formulierungen reinzuschmuggeln, die eine Verurteilung der Handlungen der Russischen Föderation im Namen der ganzen G20 implizieren würden, einschließlich uns selbst", sagte er nach Angaben der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass. Der Entwurf enthalte nun sowohl die westliche als auch die russische Sichtweise auf den Krieg in der Ukraine.

Zudem steht in dem Entwurf, dass der Krieg nach Auffassung der meisten G20-Mitglieder die Probleme der Weltwirtschaft verstärkt und zum Beispiel das Wachstum schwächt und die Inflation steigen lässt. Wer die meisten G20-Mitglieder sind, wurde nicht aufgelistet.

Deutliche Worte zu atomaren Drohungen

Russland stimmt auch zu, dass in der Abschlusserklärung nicht nur der Einsatz von Atomwaffen, sondern auch die Drohung damit als unzulässig bezeichnet wird. Zuletzt hatte die völkerrechtswidrige Annexion von vier besetzten ukrainischen Gebieten Sorgen vor einem russischen Atomwaffeneinsatz geschürt. Militärisch war Russland zuletzt immer stärker unter Druck geraten - Putin musste etwa mehrere wichtige besetzte Städte räumen.

Chinas Staatschef: Kooperation statt Konfrontation

Xi Jinping rief die G20 in der Auftaktsitzung zur Einigkeit auf. Konfrontation solle durch Kooperation ersetzt werden. Die Weltwirtschaft werde angesichts etwa der Corona-Pandemie anfälliger. Das geopolitische Umfeld bleibe angespannt. Die Krisen von Ernährung und Energie verstärkten sich gegenseitig.

Xi Jinping, Präsident der Volksrepublik China, kommt beim G20-Gipfel an.
Xi Jinping, Präsident der Volksrepublik China, kommt beim G20-Gipfel an. © Kay Nietfeld/dpa

Der chinesische Staatschef hatte sich am Montag vor Beginn des G20-Gipfels auf Bali rund drei Stunden lang intensiv mit US-Präsident Joe Biden ausgetauscht. Es war das erste persönliche Gespräch seit Bidens Einzug ins Weiße Haus vor rund zwei Jahren. Zuletzt waren die Beziehungen als eisig beschrieben worden.

Peking verfolgt zwar eine harte Linie, versucht aber trotzdem, die Beziehungen zu den USA und der EU zu verbessern, um die eigene Entwicklung voranzubringen.

Selenskyj spricht über Plan für Kriegsende

Der ukrainische Präsident betonte in seiner Videoansprache an die G20, für ein mögliches Ende des Krieges seien ein Abzug der russischen Truppen und eine Wiederherstellung der territorialen Unversehrtheit seines Landes nötig. Für die Ukraine seien "effektive Sicherheitsgarantien" notwendig, sagte er laut Manuskript.

Selenskyj forderte auch eine Verlängerung des unter Vermittlung der Türkei und der UN geschlossenen Abkommens über den Export von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer. Die G20 unterstützten die Forderung im Entwurf ihrer Abschlusserklärung.

Gipfelgastgeber Widodo warnt vor Spaltung der Welt

Zu Beginn des Gipfels warnte Indonesiens Präsident Joko Widodo vor einer neuen Spaltung der Welt. "Wir dürfen nicht zulassen, dass wir in einen neuen Kalten Krieg geraten."

Beim G20-Gipfel sind neben der EU Deutschland, Argentinien, Australien, Brasilien, China, Frankreich, Großbritannien, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien, Südafrika, Südkorea, Türkei und die USA vertreten.

Indien wird am 1. Dezember die G20-Präsidentschaft von Indonesien übernehmen.