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Nato-Gipfel nimmt China in den Fokus

Die Nato richtet den Blick weit nach Osten. Denn Peking mischt die Weltordnung auf. Härter geht die Allianz mit einem anderen Gegner ins Gericht.

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Vertreter der 30 Mitgliedsstaaten stehen in Brüssel beim Gruppenfoto.
Vertreter der 30 Mitgliedsstaaten stehen in Brüssel beim Gruppenfoto. © Yves Herman/Pool Reuters/AP/dpa

Brüssel. Die Nato sieht neben Russland zunehmend auch China als strategischen Rivalen und versucht, den globalen Einfluss der neuen Großmacht unter Kontrolle zu halten. Bei ihrem Gipfel am Montag mahnten die 30 Mitgliedsstaaten die Führung in Peking zum Dialog und forderten Transparenz mit Blick auf das wachsende Atomarsenal der Volksrepublik. Ein Gegner oder Feind sei China aber nicht, stellte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg klar. Das Verhältnis der Nato zu Moskau sieht Stoltenberg hingegen auf einem Tiefpunkt.

Das transatlantische Verteidigungsbündnis fühlt sich nach den heftigen Turbulenzen mit dem früheren US-Präsidenten Donald Trump wieder geeint, zumal Trumps Nachfolger Joe Biden ein feierliches Bekenntnis zur Allianz und zur Beistandspflicht der USA für Europa ablegte. Das sei für die USA eine "heilige Pflicht", sagte Biden in Brüssel. "Ich will ganz Europa wissen lassen, dass die Vereinigten Staaten da sind." Doch steckt die Nato mitten in einer Reformdebatte, um die von ihr gesehenen neuen Herausforderungen zu meistern.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lobte die geplante Überarbeitung des Nato-Strategiekonzepts als wichtigen Beitrag zum künftigen Umgang mit Russland und China. "Ich unterstütze die Absicht, dass ein neues strategisches Konzept erarbeitet wird, das dann die Herausforderungen noch einmal klar beschreibt und die Reaktionen der Nato", sagte die Kanzlerin in Brüssel. Im bisherigen Strategiekonzept von 2010 wird China in keinem Wort erwähnt. Das neue soll 2022 fertig sein.

Bundeskanzlerin Angela Merkel im Nato-Hauptquartier.
Bundeskanzlerin Angela Merkel im Nato-Hauptquartier. © Francois Mori/Pool AP/dpa

Neben Russland und China waren der laufende Nato-Abzug aus Afghanistan sowie Cyberattacken, Desinformation und mögliche Konflikte im Weltraum Thema beim Gipfel. Zudem ging es nach Merkels Worten um die Zusammenarbeit mit der Ukraine und Georgien sowie den Umgang mit Belarus, "wo die Menschenrechte ja mit Füßen getreten werden".

Im besonderen Fokus stand jedoch erstmals China. "Der wachsende Einfluss Chinas und seine internationale Politik können Herausforderungen bergen, die wir als Bündnis gemeinsam angehen müssen", heißt es nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur in der Gipfel-Erklärung. Die Nato werde China künftig "mit Blick auf die Verteidigung der Sicherheitsinteressen des Bündnisses einbeziehen".

Sorgen über Atomwaffen und Desinformation

In der von allen 30 Mitgliedstaaten akzeptierten Schlusserklärung wird erstmals klar festgehalten, mit welchen Verhaltensweisen das Land Sorgen schürt. Dazu gehören neben dem rapiden Ausbau des Atomwaffenarsenals zum Beispiel der regelmäßige Einsatz von Desinformationen und Verstöße gegen aus Nato-Sicht grundlegende Werte. Die Nato bekundet aber Interesse an einem konstruktiven Dialog mit China auch bei Themen wie Klimaschutz.

Treibende Kraft hinter der neuen Linie der Nato zur Volksrepublik ist Biden. Er sieht das Land als den einzigen Konkurrenten, der eine nachhaltige Herausforderung für ein stabiles und offenes internationales System sein könnte. Nato-Generalsekretär Stoltenberg sagte aber: "Wir treten nicht in einen neuen Kalten Krieg ein und China ist nicht unser Gegner und nicht unser Feind." Ganz ähnlich formulierte der britische Premierminister Boris Johnson: Das westliche Bündnis wolle keinen "neuen Kalten Krieg" mit China.

US-Präsident Joe Biden während eines bilateralen Treffens mit Nato-Generalsekretär Stoltenberg
US-Präsident Joe Biden während eines bilateralen Treffens mit Nato-Generalsekretär Stoltenberg © Stephanie Lecocq/Pool EPA/AP/dpa

Härter waren die Töne von Stoltenberg und vieler Staats- und Regierungschefs gegen Russland. Der kanadische Premierminister Justin Trudeau sagte: "Russland ist jetzt schlimmer im Sinne der Kontakte mit Nato-Staaten und störender als in den vergangenen Jahrzehnten. Deshalb müssen wir zusammenstehen."

Johnson forderte Moskau auf, sein Verhalten zu ändern. "Ich weiß, dass Präsident Biden in den nächsten Tagen einige recht harte Botschaften an Präsident (Wladimir) Putin richten wird"", sagte Johnson mit Blick auf ein für Mittwoch geplantes USA-Russland-Treffen.

Trotz der neuen Einigkeit mit den USA ringt die Nato weiter um ihre innere Balance. Vor allem Frankreichs Präsident Emmanuel Macron pocht immer wieder auf eine starke Rolle Europas. "Europas Berufung ist es, in der morgigen Welt die Rolle einer ausgleichenden Macht zu spielen und sein Modell, seine Stimme, seine Methode weiterzutragen", schrieb Macron auf Twitter. Und er mahnte zum Zusammenhalt: "Lasst uns die Werte, die uns vereinen, die Regeln und Prinzipien, die unser Bündnis stützen und seine Stärke ausmachen, klar bekräftigen."

Vor dem Nato-Gipfel 2019 hatte Macron der Nato den "Hirntod" bescheinigt. Das war einer der Anlässe für die Reformdebatte und das daraus resultierende Konzept Nato 2030. Stoltenberg will unter anderem, dass das Bündnis mehr Fähigkeiten gemeinsam finanziert und sich technologisch modernisiert. Kleinere östliche Mitgliedsstaaten fordern vor allem Einigkeit. "Wir sind mit wachsenden Bedrohungen konfrontiert, insbesondere von der östlichen Seite, deshalb brauchen wir heute mehr denn je eine starke, lebensfähige und zuverlässige Nato", sagte Litauens Präsident Gitanas Nauseda der Agentur BNS. (dpa)