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Künstler begibt sich auf Putins Spuren in Dresden

Der aus Görlitz stammende Künstler Markus Draper hat sich mit Dresdens Rolle in Putins Vita befasst - und ist dabei tief in die Geschichte der Sowjetunion hineingeraten.

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Markus Draper steht vor der einstigen KGB-Villa, dem heutigen Rudolf-Steiner-Haus im Dresdner Stadtteil Radeberger Vorstadt.
Markus Draper steht vor der einstigen KGB-Villa, dem heutigen Rudolf-Steiner-Haus im Dresdner Stadtteil Radeberger Vorstadt. © dpa/Robert Michael

Dresden/Berlin. Der Künstler Markus Draper hat Dresdens Rolle im Werdegang von Russlands Präsident Wladimir Putin beleuchtet und ist dazu tief in die Geschichte der Sowjetunion eingetaucht. Ausgangspunkt des Projekts ist die Villa, in der Putin von 1985 bis 1990 arbeitete - als Agent des sowjetischen Geheimdienstes KGB.

Drapers Ausstellung "Haus in der Nähe eines großen Waldes" ist ab Karfreitag bis zum Monatsende im Künstlerhaus Bethanien in Berlin zu sehen. Der Künstler hat dort das Dresdner Grundstück ähnlich einem Modellset aufgebaut. In dieser Szenerie ist ein 40-minütiger Podcast zu hören - die Essenz seiner Recherchen.

Über die Villa in Dresden sagte Draper der Deutschen Presse-Agentur: "Es ist ein Ort, der viel mit Nebel belegt ist." Aus Erkenntnissen seiner historischen Recherchen hat er einen Film im Stil der russischen Märchen geschaffen, versetzt mit historischem Material wie Dokumente, Karte, Ansichten. Bezugnehmend auf Putins Rhetorik, in der der Gegner abfällig mit wertlosen Insekten gleich gesetzt wird, ist eine Fliege die Erzählerin. Ihr hat WDR-Hörspielsprecherin Anastasia Gubareva, eine gebürtige Moskauerin, die Stimme geliehen.

Das Märchen handelt davon, wie der Geheimdienst KGB mit den Reformbewegungen in der Sowjetunion verknüpft war - angefangen von Mitte der 1950er Jahre mit dem Werdegang des langjährigen KGB-Chefs Juri Andropow (1914-1984), langjähriger KGB-Chef.

Bedeutende geschichtliche Ereignisse neu zu betrachten, dabei Ambivalenzen herauszuarbeiten und zuzulassen, das ist ein zentrales Anliegen in Drapers Werk. Der 1969 als Markus Richter in Görlitz geborene Künstler lebt und arbeitet in Berlin. Er hat auch prägende Ereignisse der jüngeren deutschen Geschichte untersucht wie die Leipziger Montagsdemonstration am 9. Oktober 1989 oder die Enttarnung der RAF-Aussteiger in der DDR - und Arbeiten daraus gemacht.

Diesmal habe ein Geheimdienstspezialist den Inhalt geprüft, "es ist alles mit Fußnoten belegt", sagte Draper. Weil Zeitzeugen nicht hätten reden wollen oder schon gestorben sind und es in Archiven nicht einmal ein Foto gibt, hat er auch das Internet durchstreift. Als der Krieg gegen die Ukraine begonnen habe, "war das auch eine Art Abreaktion für mich, mich näher mit der Geschichte zu befassen". Er sei dann regelrecht hineingezogen worden. "Und das Spannende ist für mich, dass sich das alles so an diesem Haus manifestiert."

Putin kam auch nach seiner KGB-Zeit nach Dresden - wie hier im Jahr 2006 ) +++(c) dpa - Report+++ Foto: ITAR-TASS-
Putin kam auch nach seiner KGB-Zeit nach Dresden - wie hier im Jahr 2006 ) +++(c) dpa - Report+++ Foto: ITAR-TASS- © Itar-Tass/Dmitry Astakhov/dpa

Es wurde 1909 für einen Major gebaut, erfährt man in dem Film. 1935 bis 1943 wohnte der Dirigent und Generalmusikdirektor Karl Böhm (1894-1981) mit seiner Familie darin. "Er kam auf Wunsch von Hitler, um die Semperoper zu leiten", sagte Draper. Im Garten spielte dessen Sohn Karlheinz, der später als Schauspieler an der Seite von Romy Schneider in den "Sissi"-Filmen berühmt wurde. Nach 1945 dann sei die Rote Armee eingezogen - und mit ihr der KGB ganz in der Nähe der Bezirksverwaltung der Stasi.

Die Villa sei mit Putin verbunden, die in dieser Zeit geknüpften Kontakte und Freundschaften seien ihm später nützlich gewesen. "Und er kann Deutsch, kennt die Mentalität der Deutschen, das ist seine Stärke."

Dresdens Rolle sei auch deshalb bisher weniger präsent, weil die Bedeutung des Ortes heruntergespielt, Falschbehauptungen in die Welt gesetzt worden seien, die Agenten dort hätten sich gelangweilt. "Aber es wurde nie das Wichtige in Berlin gemacht, sondern immer in der Provinz, dort konnten die Geheimdienste in Ruhe arbeiten."

Ihm gehe es darum, ein Bild zu entwerfen, Unbekanntes zu beschreiben und die Vielschichtigkeit dessen, "was da gelaufen ist". Obwohl das Projekt Vermutungen enthält, will der Künstler so Offenheit schaffen bei der Bewertung Putins. "Was mich am meisten daran gestört hat ist, dass wenn man ihm alles zuschreibt, dadurch kriegt das etwas Dämonisches." Aber Ängste und Nichtwissen machten etwas größer, als es eigentlich sei. "Wenn es erkennbarer, beleuchtbarer wird, sehen die Dinge erstmal anders aus." (dpa)